E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
Rockaway Liebe ist nichts für Idioten
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7457-5055-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 400 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-7457-5055-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Bei der Suche nach der großen Liebe verlässt sich Mel auf die Dating-App Fluttr - bislang war Mr. Perfect noch nicht dabei. Nach einer schiefgelaufenen Verabredung und einem unerwünschten dick pic zu viel reicht es Mel. Um ihren Geschlechtsgenossinnen einen Liebesreinfall zu ersparen, programmiert sie eine Webseite namens »IdiotenAlarm«. Über Nacht wird das Männerwarnsystem zu einem riesigen Erfolg. Selbst in Herzensdingen scheint es einen Lichtblick zu geben, in der Gestalt des attraktiven Alex. Aber dann entdeckt Mel ausgerechnet Alex auf der Webseite. Spielt er vielleicht nur mit ihr?
Kristin Rockaway hat viele Jahre in der IT-Branche gearbeitet. Heute schreibt sie anstelle von Codes mitreißende Frauenromane. Neben dem Schreiben liebt sie es, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und ihren nächsten Urlaub zu planen.
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1
Glaube nichts, was du im Internet liest.
Das ist ein vernünftiger Ratschlag. Ich hatte ihn irgendwo gelesen; möglicherweise im Internet. Aber ich hatte ihn, bis zu dem Abend, an dem ich von Brandon, 26, aus Brooklyn versetzt wurde, nicht ernst genommen.
Laut Selbstbeschreibung war Brandon »ein Adrenalinjunkie, der den Nervenkitzel suchte, der für den Moment lebte und mit ganzer Seele liebte«. Das hätte schon der erste Hinweis für mich sein müssen, dass er nur Mist laberte.
Während ich allein an der Theke saß und in mein leeres Cocktailglas starrte, verfluchte ich mich zunächst erst einmal selbst dafür, dass ich mich auf dieses Date eingelassen hatte. Normalerweise verplemperte ich keinen Freitagabend, indem ich mich mit irgendeinem Typen traf, mit dem ich laut Internet angeblich zusammenpasste. Für ein erstes Date waren normalerweise Dienstag- oder Mittwochabende reserviert, weil da fast nie etwas Besseres los war. Doch als Brandons schönes, bärtiges Gesicht auf meinem Display auftauchte und mich fragte, ob ich mit ihm in einer Bar im Financial District, kurz FiDi, etwas trinken gehen wolle, fand ich, dass es nicht schaden konnte, einmal eine Ausnahme von meiner Regel zu machen.
Das war ein Anfängerfehler.
Ich tippte auf meinem Handy herum und starrte auf das Display. Es war achtzehn Minuten nach sechs. Die letzte Nachricht von Brandon hatte ich um 14.37 Uhr erhalten: Wir treffen uns um sechs im Barley House.
Vielleicht hatte er sich einfach nur verspätet. Ich schrieb ihm zurück: Bleibt es bei heute Abend?
Ich wartete vergebens auf eine Antwort.
»Noch einen Wodka Soda?« Der Barkeeper räumte mein Glas ab und säuberte die lackierte Holzoberfläche des Tresens. Ich hatte die Wahl: In Würde fliehen und Whitney suchen, die wahrscheinlich irgendwo die Lower East Side aufmischte. Oder Brandon aus Brooklyn doch einen Vertrauensbonus gewähren und ein weiteres Getränk zu mir nehmen, während ich auf ihn wartete. Ich wischte durch seine Profilfotos und verspürte beim Anblick seiner Schmolllippen und seiner Augen ein Kribbeln.
»Klar, ich trinke noch einen.« Ja, er hatte sich vermutlich nur verspätet. Schließlich waren wir hier in New York. Da gab es Millionen Dinge, die ihn daran hindern konnten, pünktlich zu sein: Zugausfälle wegen irgendwelcher Pannen, Staus, Straßensperrungen wegen polizeilicher Maßnahmen. Ich musste aufhören, so misstrauisch zu sein.
Dennoch schwirrten mir Whitneys Worte durch den Kopf: nicht alles auf eine Karte setzen. Also stürzte ich mich auf die Fluttr-App und sah nach, ob es in meiner unmittelbaren Nähe noch ein paar potenzielle Liebeskandidaten gab.
Fluttr war dieser Tage die erste Wahl. Die App war nichts Besonderes – sie funktionierte wie jede andere Dating-App, die ich schon ausprobiert hatte: Man postete ein paar nicht-ganz-so-schreckliche Fotos von sich. Gab Namen, Alter und Ort ein. Dann wischte man durch das scheinbar nie enden wollende Heer von verfügbaren Männern. Nach links hieß Nein, nach rechts Ja, und wenn man einen Typen nach rechts wischte, der ebenfalls nach rechts gewischt hatte, konnte man sich über die App direkt schreiben. Einfach, geradeheraus und kein bisschen originell, doch aus unerfindlichen Gründen total beliebt. Es waren mehr Menschen bei Fluttr registriert als bei irgendeiner anderen Dating-App in der Stadt.
Bis jetzt hatte ich noch nicht viel Glück damit gehabt. Die meisten meiner Matches hatten zu enttäuschenden ersten Dates geführt. Oder zu end- und sinnlosen Nachrichten, oder gelegentlich auch zu einem ungebetenen Schwanzfoto. Aber bei so vielen Männern, die zur Auswahl standen, war ich mir noch immer sicher, dass Mr. Right nur einen Wisch von mir entfernt war.
»Bitte schön.« Der Barkeeper stellte das Getränk auf einen frischen Papieruntersetzer. Der erste Schluck machte mich ganz benebelt. Zeit weiterzuwischen.
Typ Nummer eins war oben ohne. Wisch nach links.
Typ Nummer zwei hing an einer Bierbong. Wisch nach links.
Typ Nummer drei stand zwischen zwei Bikinischönheiten. Wisch nach links.
Endlich gab es Hoffnung. Und zwar in Form von Joe, 25, aus Murray Hill. Haselnussbraune Augen, dichtes schwarzes Haar und ein perfekter Drei-Tage-Bart. Weit und breit weder Alkohol noch Mädchen zu entdecken. Und er trug einen Pulli. Wisch nach rechts.
Über mein Display rieselte digitales Konfetti. Fluttr verkündete: Das ist ein Match!
»Melanie?«
Aha! Meine Geduld und mein Vertrauen zahlten sich aus. Ich sperrte schnell mein Handy und drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Der Typ, der mich angesprochen hatte, war allerdings gar nicht Brandon aus Brooklyn. Es war Alex Hernandez, ein neuer Kollege aus meinem Büro und ein nettes Männerexemplar.
»Hallo.« Das Wort schien mir über die Stimmbänder zu stolpern. Ich war überrascht, dass er sich an meinen Namen erinnerte. Wir waren uns vor ein paar Wochen anlässlich seiner Begrüßungsrunde durch die Firma kurz vorgestellt worden, hatten seitdem jedoch nicht mehr miteinander gesprochen.
Dennoch hatte er bei mir einen großen Eindruck hinterlassen. In einem Büro voller Computernerds war Alex’ Stil außergewöhnlich: hinreißend zerzaustes Haar, perfekt verwaschene Jeans, Button-Down-Hemd, das makellos an seinem schlanken, festen Oberkörper saß. Ich hatte ihn wiedersehen wollen, aber mir war nie ein guter Grund eingefallen, ihn an seinem Platz zu besuchen oder eine nette Unterhaltung mit ihm anzufangen. Wenn ich gewusst hätte, dass er im Barley House abhing, dann wäre ich schon viel früher mal hierhergekommen.
»Macht es dir was aus, wenn ich mich zu dir setze?«, fragte er.
»Natürlich nicht.«
Er hängte die Laptoptasche über die Lehne des Barhockers und glitt auf den Sitz. Ich spielte mit meinem Ohrring und bemühte mich, möglichst lässig zu wirken. Das war schwierig, wenn man bedachte, dass Alex Hernandez bloß wenige Zentimeter von mir entfernt war. Er roch nach Leder und Nelken. Ich hätte gewettet, dass sich seine Haut warm anfühlte.
»Wie ist es so beim Helpdesk?«
Alex bezog sich natürlich auf meine Rolle bei Hatch. Wenn irgendein Mitarbeiter Ärger mit seinem PC hatte – eine kaputte Maus, eine veraltete Word-Version, ein Virus, den er sich aus Versehen von einer infizierten Website runtergeladen hatte –, war ich diejenige, die das Problem löste.
»Normal«, erwiderte ich. »Gut. Viel los. Nichts Besonderes.«
»Cool. Was machst du so allein hier?«
»Ich bin nicht allein.« Natürlich war ich ganz offensichtlich allein, aber ich wollte nicht, dass Alex mich für eine Versagerin hielt, die freitagabends einsam in Bars herumhing. Dann erinnerte ich mich, weshalb ich tatsächlich hier war: um einen Typen von Fluttr zu treffen, der wahrscheinlich gerade dabei war, mich zu versetzen. »Ich treffe mich mit jemandem. Vielleicht.«
»Vielleicht.«
Ein weiterer Fehler: sich mit einem Date in fußläufiger Nähe des Büros zu verabreden. Ich arbeitete in der Water Street, gleich beim South Street Seaport, was hieß, dass sich die meisten meiner Kollegen hier in den Bars in der kopfsteingepflasterten Straße rings um Pier 17 ihre Happy-Hour-Drinks genehmigten. Das Barley House lag weiter westlich, näher an der Börse, in einem versteckten Winkel der Maiden Lane, weshalb ich gehofft hatte, ich wäre hier in Sicherheit. Ich dachte, ich würde in ein Meer von Brokern im Feierabendmodus eintauchen, die das Ende ihrer Arbeitswoche feierten. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Laden halb leer sein würde oder dass mein heimlicher Büroschwarm reinkommen und sich neben mich setzen würde.
Statt ihm ehrlich zu antworten und die beschämende Wahrheit zu sagen, konterte ich mit einer Gegenfrage. »Ist das hier ein heimlicher Treffpunkt von Hatch, von dem ich noch nie gehört habe?«
»Nee, außer mir geht hier nie jemand hin. Ich wohne die Straße runter und bin immer hier. Nach dem Tag heute brauche ich was Ordentliches zu trinken.« Er winkte dem Barkeeper und bestellte einen Maker’s Mark auf Eis, danach wandte er sich wieder mir zu. »Möchtest du noch etwas?«
»Nein, danke.« Mir war bereits der zweite Wodka Soda zu Kopf gestiegen. Ich bezweifelte, dass ich in der Lage sein würde, ihn auszutrinken. »Warum hattest du einen schlechten Tag?«
Verzweifelt stöhnte er auf. »Eine Entwicklung ging voll in die Hose. Ich musste in letzter Minute noch eine Fehlerbehebung programmieren, aber dabei habe ich einen weiteren Fehler reingebaut.« Der Barkeeper brachte Alex’ Whiskey, und Alex trank hastig einen Schluck. »Am Ende habe ich es zwar dennoch alles noch hingekriegt, aber da waren alle schon ziemlich angefressen.«
»Das ist Mist.«
»Nicht witzig.« Er strich sich durch die dichten dunklen Locken. »Und es war auch nicht gerade hilfreich, dass Greg eine riesige Tasse Kaffee über seinen brandneuen Laptop gekippt hat.«
»Ja. Das Teil ist hinüber.«
Die Kaffee-Geschichte hatte mich tatsächlich den ganzen Vormittag beschäftigt. Greg war mit einem langen Gesicht und seinem Viertausend-Dollar-Laptop, den er an der Ecke des gesprungenen Bildschirms festhielt, in mein Büro gekommen. »Äh … ich habe was verschüttet«, hatte er gesagt, als ob man das nicht auch so schon gesehen hätte, weil aus der Tastatur Flüssigkeit auf den Teppich tropfte.
»Und was ist mit dem gesprungenen Bildschirm?«, fragte ich und nahm ihm...




