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E-Book, Deutsch, Band 10, 566 Seiten
Reihe: Die Yorkshire-Morde
Robinson In einem heißen Sommer
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-752-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman | Die Yorkshire-Morde 10 - Eine brennende Hitzewelle enthüllt jahrzehntealte Verbrechen
E-Book, Deutsch, Band 10, 566 Seiten
Reihe: Die Yorkshire-Morde
ISBN: 978-3-98952-752-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Peter Robinson (1950-2022) wurde in Yorkshire geboren und lebte nach seinem Studium der englischen Literatur in Toronto, Kanada. Er wurde für seine Werke mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Edgar Allan Poe Award. Seine Bestseller-Reihe um Inspector Alan Banks feierte internationale Erfolge und wurde auch als Fernsehserie adaptiert. Bei dotbooks veröffentlichte der Autor die »Yorkshire-Morde«-Reihe um Detective Chief Inspector Banks. Band 1 »Augen im Dunkeln« ist auch als Hörbuch bei AUDIOBUCH erhältlich.
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Kapitel 1
Adam Kelly spielte gern in verlassenen Häusern, er liebte den modrigen Geruch der alten Zimmer, das Ächzen und Stöhnen, wenn er darin umherlief, das durch die Dachbalken fallende Sonnenlicht, das gestreifte Schatten auf die Wände warf. Er fand es herrlich, über die fehlenden Treppenstufen zu springen, das Herz schlug ihm bis zum Hals, wenn er von Sparren zu Sparren hüpfte, Gipsstaub aufwirbelte und zusah, wie die Staubpartikel im gefilterten Licht tanzten.
An diesem Nachmittag hatte Adam ein ganzes Dorf zum Spielen.
Er stand am Rand eines flachen Tales, blickte auf die Ruinen hinunter und freute sich auf das bevorstehende Abenteuer. Dies war der Tag, auf den er gewartet hatte. Vielleicht eine Gelegenheit, die sich nur einmal im Leben bot. Dort unten war alles möglich. Heute hing die Zukunft des Universums von Adam ab; das Dorf war ein Test, eine Herausforderung, die er bestehen musste, bevor er zur Stufe 7 vorrücken konnte.
Die einzigen Menschen, die zu sehen waren, standen am hinteren Ende bei der alten Flachsmühle: ein Mann in Jeans und rotem T-Shirt und eine ganz in weiß gekleidete Frau. Sie taten, als seien sie Touristen, hielten ihre Videokamera in alle möglichen Richtungen, aber Adam argwöhnte, sie könnten die gleiche Absicht haben wie er. Er hatte das Spiel schon oft genug auf dem Computer gespielt, er wusste, Tarnung war alles und nichts war das, was es vorgab zu sein. Der Himmel steh uns bei, dachte er, wenn sie es vor mir schaffen.
Halb rutschte, halb lief er die morastige Böschung hinunter und kam unten auf der roten, ausgebrannten Erde schlitternd zum Stehen. Es gab noch immer viele sumpfige Stellen; er vermutete, dass das ganze Wasser nicht innerhalb weniger Wochen gänzlich verdunsten konnte.
Adam hielt inne und lauschte. Selbst die Vögel schwiegen. Die Sonne brannte vom Himmel und er schwitzte hinter den Ohren, im Nacken und in der Poritze. Seine Brille rutschte ihm immer wieder von der Nase. Die dunklen, verfallenen Cottages flimmerten in der Hitze wie die Wand neben dem Ofen eines Schmiedes.
Jetzt war alles möglich. Irgendwo war der Talisman versteckt, und Adam hatte die Aufgabe, ihn zu finden. Aber wo sollte er beginnen? Er wusste noch nicht einmal, wie er aussah, doch würde er es wissen, wenn er ihn gefunden hatte, und irgendwo musste ein Hinweis sein.
Er überquerte die alte Steinbrücke und betrat eines der halbzerstörten Cottages. Er spürte die feuchte, kühle Dunkelheit, die ihn wie ein Mantel umhüllte. Es roch wie in einer kaputten Toilette oder als hätte sich ein riesiger Alien zum Sterben in einen heißen, stinkenden Sumpf gelegt.
Schräg fiel die Sonne durch das Loch, an dessen Stelle vorher das Dach gewesen war, und beleuchtete die hintere Wand. Die dunklen Steine sahen so glitschig und schmierig aus wie Öl. An manchen Stellen hatten sich die schweren Steinplatten, die den Boden bedeckten, verschoben und waren gesprungen. Schwerer Lehm quoll aus den Furchen. Einige Platten wackelten, als Adam sie mit seinem Gewicht belastete. Er fühlte sich, als schwebe er auf Treibsand und würde jeden Moment ins Herz der Erde gesaugt, sobald er eine falsche Bewegung machte.
In diesem Haus war nichts. Also weiter.
Draußen war noch immer niemand zu sehen. Die beiden Touristen waren offenbar gegangen oder sie hatten sich versteckt und lauerten ihm hinter der Mühlenruine auf.
In der Nähe der Brücke entdeckte Adam ein kleines Nebengebäude, eine Art Steinschuppen, wie er vielleicht einmal benutzt worden war, um Kohle zu lagern oder Lebensmittel kühl zu halten. Er hatte von der alten Zeit gehört, als es noch keine elektrische Heizung und Kühlschränke gab. Vielleicht war es sogar eine Toilette gewesen. Schwer zu glauben, aber er wusste, dass man früher nach draußen aufs Klo hatte gehen müssen, selbst im Winter.
Was es auch gewesen war, die Zerstörer hatten den Schuppen ziemlich intakt gelassen. Das Gebäude war ungefähr zwei Meter hoch, hatte ein unbeschädigtes schräges Dach aus Steinplatten und schien ihn herbeizuwinken, schien eingenommen werden zu wollen. Endlich hatte er einen Bau gefunden, auf den er zwecks besserer Sicht klettern konnte. Wenn sich die Möchtegern-Touristen irgendwo versteckten, würde er sie von oben entdecken.
Adam ging um den Schuppen herum und registrierte erfreut, dass auf einer Seite mehrere Steine ein wenig hervorstanden, so wie Stufen. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht auf den ersten Stein. Er war glatt, doch er hielt. Adam begann zu klettern. Die Stufen kamen ihm ziemlich sicher vor, und schon war er oben.
Er hievte sich auf das Dach. Es hatte nur ein leichtes Gefälle, so dass er sich problemlos bewegen konnte. Zuerst stand er am Rand, legte die Hand über die Augen, um sie vor der grellen Sonne zu schützen, und blickte in alle Richtungen.
Im Westen erhob sich die Flachsmühle, die Unbekannten waren nicht mehr zu sehen. Im Norden und Süden bedeckte Wald das Land; durch das dichte grüne Blätterwerk ließ sich so gut wie nichts erkennen. Im Osten lag der tränenförmige Umriss des Stausees von Harksmere. Auf The Edge, einer Straße am Südrand des Sees, blitzten ein paar Windschutzscheiben in der Sonne. Davon abgesehen, bewegte sich fast überhaupt nichts, kaum ein Blatt zitterte.
Zufrieden, dass er nicht beobachtet wurde, setzte er den nächsten Fuß aufs Dach. Es war nicht breiter als einen Meter zwanzig, einen Meter fünfzig, aber als er in der Mitte stand, spürte er ein schwaches Zittern, und bevor er den kurzen Weg zur anderen Seite zurücklegen konnte, gaben die dicken Steinplatten unter ihm nach. Einen Moment lang hing er in der Luft, als wolle er für immer dort schweben. Er streckte die Arme aus und bewegte sie auf und nieder, als wären es Flügel, doch es half nichts. Mit einem Schrei stürzte er in die Dunkelheit.
Er landete mit dem Rücken auf einem Polster aus Schlamm; das linke Handgelenk stieß gegen eine heruntergefallene Steinplatte, und sein rechter Arm, den er zum Abbremsen ausgestreckt hatte, versank bis zum Ellenbogen im Morast.
Atemlos lag er da und blickte zu dem Viereck blauen Himmels hinauf. Plötzlich merkte er, dass sich zwei der auf dem Dach verbliebenden Platten neigten. Jede war ungefähr einen Quadratmeter groß und fünfzehn Zentimeter dick. Trafen sie ihn, würden sie ihn zu Brei quetschen. Aber er konnte sich nicht bewegen; er fühlte sich gefangen und starrte gebannt auf die herabfallenden Platten.
Sie schienen in Zeitlupe zu fallen, wie Herbstlaub an einem windstillen Tag. Sein Kopf war vollkommen leer. Er spürte keine Panik, keine Angst, nur so etwas wie Ergebenheit, als wäre er in seinem kurzen Leben an einem Wendepunkt angekommen, als läge es jetzt nicht mehr in seiner Hand. Er hätte es nicht erklären können, selbst wenn er es versucht hätte, aber in dem Moment, als er in seiner Wiege aus warmem Schlamm lag und die dunklen Steinplatten beobachtete, die ihm aus dem Blau des Himmels entgegenstürzten, wusste er trotz seiner Jugend, dass er nichts machen konnte, um dem auszuweichen, was das Schicksal für ihn bereithielt. Wie es auch weiterging, er konnte es nur hinnehmen.
Das muss die Stufe 7 sein, dachte er und hielt den Atem an, wartete auf den Aufprall, wartete darauf, seine Knochen brechen und knirschen zu hören.
Eine Platte fiel links von ihm herunter und blieb im Schlamm stecken, stand wie ein alter Grabstein schräg gegen die Mauer gelehnt. Die andere landete rechts von ihm und brach beim Aufprall auf eine Bodenplatte entzwei. Die eine Hälfte neigte sich ihm entgegen, streifte seinen aus dem Schlamm ragenden Oberarm und zerkratzte ihn, so dass er blutete.
Adam atmete mehrmals tief durch und sah nach oben durch das Dach in den Himmel. Keine Steine mehr. Er war also verschont geblieben; er lebte. Er fühlte sich ein wenig benommen. Ernstlich verletzt schien er nicht zu sein, dachte er, als er seine Glieder langsam bewegte. Das linke Handgelenk tat unheimlich weh, wahrscheinlich würde er dort einen riesigen blauen Fleck bekommen, doch gebrochen schien es nicht zu sein. Sein rechter Arm steckte noch immer tief im Schlamm, und die Steinplatte scheuerte an seinem aufgeschrammten Ellenbogen. Um herauszufinden, ob er seine Finger noch fühlte, versuchte er, sie im Morast zu bewegen, und stieß dabei gegen etwas Hartes.
Es fühlte sich an wie eine Ansammlung glatter, harter Spindeln oder wie ein Bündel kurzer Stöckchen. Neugierig schob er den Arm weiter nach unten und umfasste es fest, so wie er früher, als er noch sehr klein war und Angst vor den vielen Menschen hatte, in der Stadt die Hand seiner Mutter gehalten hatte. Dann verlagerte er sein Gewicht nach links und zog seine Hand mit einem Ruck heraus. Er musste die Zähne zusammenbeißen, so heftig schoss der Schmerz durch das verletzte Handgelenk.
Zentimeterweise zerrte er den Arm heraus, die Trophäe fest mit der Faust umschlossen. Der Schlamm machte saugende, schlürfende Geräusche. Endlich konnte er den Gegenstand in seiner Hand der Erde entwenden. Er stellte ihn vor die Steinplatte und schob sich rückwärts gegen die Hinterwand des Schuppens, um sein Fundstück besser betrachten zu können.
Im Dämmerlicht lehnte es an der Platte, seine Finger hakten sich über den Rand, als versuchten sie, sich selbst aus dem Grab zu ziehen. Es war das Skelett einer Hand, deren Knochen mit feuchter, dunkler Erde verkrustet waren.
Banks trat einen Schritt zurück, um seine Arbeit zu begutachten, und pfiff dabei die Habanera aus Carmen, die aus seiner Anlage dröhnte; da hatte Maria Callas ihre beste Zeit bereits hinter sich gehabt, aber sie klang trotzdem gut.
Nicht schlecht für einen Anfänger, dachte er, den Pinsel in eine Dose Terpentin tauchend, auf jeden...