E-Book, Deutsch, Band 121, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Ritter Lore-Roman 121
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-2479-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Sie liebte den Gelähmten
E-Book, Deutsch, Band 121, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-2479-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Hauspflegerin Katrin Engel trägt ihren Namen zurecht. Sie ist ein wahrer Engel. Als Schwester der Gemeinde steht sie Familien jederzeit, rund um die Uhr zur Verfügung. Krankheiten und Gebrechen kennen eben kein freies Wochenende. Katrin opfert sich auf, um allen ihren Patienten gerecht zu werden. Ein Privatleben kennt sie nicht.
Vor allem ihr neuer Patient Andreas Schellenberg weckt in Katrin großes Mitgefühl. Der junge Ingenieur sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl und wird vermutlich nie wieder laufen können. Andreas ist verbittert, störrisch und möchte weder Hilfe noch Mitleid. Aber Katrin hat ein dickes Fell. So schnell lässt sie sich nicht verjagen. Sie ahnt, dass es sein Stolz ist, der ihn so handeln lässt. Katrin versucht ganz zaghaft, seinen Panzer zu knacken und ihm seinen Lebensmut zurückzugeben ...
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Sie liebte den Gelähmten Ein Roman um die Allgewalt der Liebe Von Ina Ritter Hauspflegerin Katrin Engel trägt ihren Namen zurecht. Sie ist ein wahrer Engel. Als Schwester der Gemeinde steht sie Familien jederzeit, rund um die Uhr zur Verfügung. Krankheiten und Gebrechen kennen eben kein freies Wochenende. Katrin opfert sich auf, um allen ihren Patienten gerecht zu werden. Ein Privatleben kennt sie nicht. Vor allem ihr neuer Patient Andreas Schellenberg weckt in Katrin großes Mitgefühl. Der junge Ingenieur sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl und wird vermutlich nie wieder laufen können. Andreas ist verbittert, störrisch und möchte weder Hilfe noch Mitleid. Aber Katrin hat ein dickes Fell. So schnell lässt sie sich nicht verjagen. Sie ahnt, dass es sein Stolz ist, der ihn so handeln lässt. Katrin versucht ganz zaghaft, seinen Panzer zu knacken und ihm seinen Le?bensmut zurückzugeben ... Katrin trank ihren Kaffee. Den ganzen Tag war sie auf den Beinen gewesen, sie genoss es, ein Viertelstündchen in Schwester Wilhelmines Arbeitszimmer sitzen zu können. »Müde?«, fragte ihre Mitarbeiterin verständnisvoll und streifte sie mit einem mitleidigen Blick. »Aber trösten Sie sich, Sie haben den schönsten Beruf der Welt erwählt. Wenn auch nicht gerade den leichtesten.« »Ich denke gar nicht daran, mich zu beklagen«, versicherte Katrin Engel aufrichtig. Nur manchmal wünschte sie sich etwas mehr Freizeit. In den letzten Monaten hatte sie kaum einmal ein Wochenende für sich gehabt. Eine Hauspflegerin musste ihren Familien jederzeit zur Verfügung stehen. Krankheiten und Gebrechen kannten kein freies Wochenende. »Ich mache mich jetzt auf den Weg. Weiß dieser Herr Holland, dass ich morgen komme?« »Ich habe es ihm gesagt.« Katrin bekam den kräftigen Händedruck der Gemeindeschwester zu spüren. Sie schwang sich aufs Fahrrad und fuhr die Straße entlang. Als Hauspflegerin trug sie keine Uniform und unterschied sich so nicht von den vielen anderen Frauen und Mädchen, die um diese Zeit heimwärts strebten. Nur in einem unterschied sie sich: durch ihre Schönheit. So mancher Blick folgte ihr, und vielleicht war es der zufriedene Ausdruck auf ihrem Gesicht, der in den Herzen der Männer die Sehnsucht weckte, sie näher kennenzulernen. »Endlich!«, empfing ihre Mutter sie, als sie eine knappe Viertelstunde später ins Haus trat. »Wann wirst du einmal pünktlich Feierabend haben, Katrin? Es ist schon wieder acht Uhr vorbei. Du rackerst dich ab, und niemand dankt es dir. Müde siehst du aus. Komm, setz dich erst einmal, ich bring dir sofort dein Essen.« Katrin gab ihrer Mutter einen Kuss. »Ich bin gar nicht müde, Muttchen.« »Dann sieh mal in den Spiegel, der lügt nicht. Warum suchst du dir keinen anderen Beruf, Katrin? Du bist doch jetzt nichts weiter als ein besseres Dienstmädchen. Sieh nur mal deine Hände an!« »Was gefällt dir an ihnen nicht?«, fragte Katrin schmunzelnd. Ihre Hände waren rot, und die Haut war ein wenig aufgesprungen, aber das ließ sich nun einmal nicht vermeiden. Auch die Nägel waren weder lackiert noch besonders gepflegt. »Du könntest dir doch irgendeine Büroarbeit suchen, Katrin. Dann hast du eine regelmäßige Arbeitszeit und verdienst auch mehr Geld. Jetzt reicht es doch kaum mal für ein neues Kleid.« »Wann sollte ich es auch tragen?«, fragte Katrin freundlich. »Du, Muttchen, ich habe Hunger.« »Du willst mich nur ablenken.« Frau Aline schüttelte energisch den Kopf. »Zwei Jahre sehe ich mir das nun schon an mit dir, und ich muss sagen, es gefällt mir immer weniger. Wo willst du einen Mann kennenlernen, der dich heiratet, wenn du niemals frei hast? In deinem Alter muss man tanzen gehen, überhaupt etwas unternehmen. Oder glaubst du, die Leute dankten dir deine Arbeit?« »Darauf kommt es doch gar nicht an. Irgendjemand muss sich um die Kranken und Hilflosen kümmern. Wilhelmine kann nicht alles allein machen.« »Dann soll sie sich andere suchen. Du bist zu schade, Katrin. Hast du wenigstens dieses Wochenende frei? Hast du Wilhelmine klargemacht, dass dir jetzt ein paar Tage Urlaub zustehen?« Katrin wich ihrem Blick aus. »Du hast es also nicht getan. Du hast dir wieder irgendeine Stelle anhängen lassen. Aber ich verbiete dir, dass du dich so ausnutzen lässt! Widersprich mir nicht! Was Schwester Wilhelmine mit dir macht, das ist nichts anderes. Nur weil sie selbst keine anderen Interessen hat als ihren Beruf, glaubte sie, auch du ...« »Muttchen, hör doch auf davon, wir haben doch alles schon hundertmal besprochen. Es wird ja bestimmt einmal besser werden. Wenn Pastor Wieder erst einmal ein paar neue Mitarbeiterinnen gewonnen hat ...« »Davon sprichst du seit zwei Jahren. Er wird sich gar nicht energisch darum bemühen, solange du und Wilhelmine mit der Arbeit fertigwerdet. Kündige, Katrin, bitte! Ich kann nicht mit ansehen, wie du Raubbau mit deiner Gesundheit treibst. Du kommst spät nach Hause, dann isst du etwas, duschst und legst dich ins Bett. Ist das ein Leben für ein junges Mädchen?« »Mir gefällt es. Ich glaube, um das Essen muss ich mich selbst kümmern.« Katrin stand auf und machte Anstalten, in die Küche zu gehen. Selbstverständlich ließ Frau Aline es sich nicht nehmen, ihrer Tochter das Essen auf den Tisch zu stellen. Wenigstens abends sollte Katrin ihre Ruhe haben, nachdem sie sich den ganzen langen Tag für andere Leute abgerackert hatte. »Was hast du denn morgen zu tun?«, fragte sie, als Katrin es sich schmecken ließ. »Ich muss zu einer Familie mit drei Kindern. Die Mutter erwartet ihr viertes. Sie ist nachmittags in die Klinik gekommen.« »Drei Kinder! Fremde Kinder. Du solltest eigene haben, Katrin.« Frau Alines Stimme klang energisch. »Das kommt später. Es hat großartig geschmeckt, Muttchen. Wir waschen das Geschirr gemeinsam ab.« »Soweit kommt das noch! Ich habe den ganzen Tag Zeit. Lies doch ein bisschen die Zeitung oder in einem Buch. Oder erzähl mir, was du gemacht hast.« Katrin gähnte verstohlen. »Du bist natürlich schon wieder müde. Kein Wunder bei dem Leben, das du führst. Meinetwegen leg dich ins Bett. Aber wenn die Frau aus dem Krankenhaus zurückkommt, dann lass dich bei Schwester Wilhelmine auf nichts ein, versprichst du es mir?« »Soweit es sich machen lässt ...« »Dir ist nicht zu helfen, Katrin. Eines Tages wirst du zusammenklappen, und dann wird sich niemand um dich kümmern. Nur ich. Deine vielen Freunde haben dich dann längst vergessen. Oder erwartest du Dankbarkeit?« »Ich trinke noch ein Glas.« Als sie das hohe Glas leer hatte, lächelte sie schon wieder. Sie hatte gern mit Kindern zu tun. Sie waren viel angenehmer als manche alten Leute, denen man nichts recht machen konnte. Die drei waren noch nicht im schulpflichtigen Alter. Als sie im Bett lag, fielen ihr die Augen sofort zu. Ihre Mutter stellte das Radio ab, um sie nicht zu stören. Aber das war überflüssig, Katrins Schlaf war so tief, dass schon einiges dazu gehörte, sie zu wecken. *** »Guten Morgen«, wünschte Katrin fröhlich, als Herr Holland ihr am nächsten Morgen die Haustür öffnete. Das Gesicht des Mannes wirkte grau und übernächtig. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. »Ich bin Katrin Engel, die Hauspflegerin«, stellte sie sich vor. Holland murmelte seinen Namen. »Kommen Sie doch herein.« »Darf man Ihnen schon gratulieren?«, wollte Katrin wissen. Der Mann holte tief Luft, während sich ein mattes Lächeln um seine Lippen legte. »Wieder ein Mädchen«, sagte er. »Meiner Frau und dem Kind geht es gut. Sie macht sich Sorgen um den Haushalt. Bevor ich ins Büro fahre, besuche ich sie noch rasch im Krankenhaus und sage ihr, dass Sie sich um die Kinder kümmern.« »Ich werde Ihre Gattin auch einmal besuchen. Sicherlich möchte sie mich persönlich kennenlernen«, meinte Katrin verständnisvoll. »Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte sie ihn. »Nur eine Tasse Kaffee getrunken. Morgens habe ich keinen Hunger. Die Kinder sind noch in den Betten. Ob Sie sich wohl hier allein zurechtfinden werden, Fräulein Engel?« »Sicherlich doch. Machen Sie sich keine Sorgen. Grüßen Sie Ihre Frau unbekannterweise von mir.« »Danke.« Niels Holland schüttelte ihr die Hand und verließ dann eilig das Haus. Er machte auf Katrin einen sehr sympathischen Eindruck. An seiner Frau schien er sehr zu hängen. Das sprach für ihn, fand sie. Zuerst schaffte sie im Wohnzimmer etwas Ordnung, lauschte dabei aber mit einem Ohr hinaus. Die Kinder würden sich wahrscheinlich melden, wenn sie wach wurden. Eine Viertelstunde später war es so weit. Ein Mädchen in langem Nachthemd mit hellblondem Haar trat auf den Flur und schaute Katrin großäugig an. »Ich bin Fräulein Engel. Und wie heißt...