Ringelnatz / Neusius | Das große Lesebuch | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 315 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Ringelnatz / Neusius Das große Lesebuch

Fischer Klassik PLUS
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-10-401924-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Fischer Klassik PLUS

E-Book, Deutsch, 315 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-401924-6
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. »Ich kenne wen, der litt akut / An Fußballwahn und Fußballwut.« Spielerische Verse haben Joachim Ringelnatz berühmt gemacht. Das große Lesebuch enthält entsprechend eine umfassende Auswahl der witzigsten Gedichte. Darüber hinaus aber kann man auch den politischen Autor und den unverbesserlichen Romantiker entdecken. Seit Ringelnatz jedenfalls ist klar, was man der Liebsten schenkt: »Ich habe dich so lieb! / Ich würde dir ohne Bedenken / Eine Kachel aus meinem Ofen / Schenken.«

Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 unter dem bürgerlichen Namen Hans Bötticher im sächsischen Wurzen geboren. Er veröffentlichte seine ersten Gedichte in »Auerbachs Deutschem Kinderkalender«, der von seinem Vater, dem Humoristen Georg Bötticher, herausgegeben wurde. Ringelnatz führte ein bewegtes Leben: als Schiffsjunge und Matrose auf See, als Lehrling in Hamburg, als Hausmeister in England, als Angestellter eines Reisebüros in München. In der Schwabinger Künstlerkneipe ?Simplicissimus? wurde er Hausdichter. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Marine, anschließend arbeitete er als Kabarettist, unter dem Regime der Nationalsozialisten hatte er Auftrittsverbot. Zu seinen berühmtesten Figuren gehört der Seemann Kuttel Daddeldu. Der Schriftsteller ist für seine Selbstparodie, Nonsens und Satire bekannt. Joachim Ringelnatz starb am 17. November 1934 völlig verarmt in Berlin.
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Weitere Infos & Material


Vom Wesen der Dinge


Ein männlicher Briefmark erlebte

Was Schönes, bevor er klebte.

Er war von einer Prinzessin beleckt.

Da war die Liebe in ihm erweckt.

Er wollte sie wiederküssen,

Da hat er verreisen müssen.

So liebte er sie vergebens.

Das ist die Tragik des Lebens!

Die Ameisen

In Hamburg lebten zwei Ameisen,

Die wollten nach Australien reisen,

Bei Altona auf der Chaussee

Da taten ihnen die Beine weh,

Und da verzichteten sie weise

Denn auf den letzten Teil der Reise.

So will man oft und kann doch nicht

Und leistet dann recht gern Verzicht.

Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose,

Die hatte Friedrich der Große

Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.

Und darauf war sie natürlich stolz.

Da kam ein Holzwurm gekrochen.

Der hatte Nußbaum gerochen.

Die Dose erzählte ihm lang und breit

Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

Sie nannte den alten Fritz generös.

Da aber wurde der Holzwurm nervös

Und sagte, indem er zu bohren begann:

»Was geht mich Friedrich der Große an!«

Es war ein Brikett, ein großes Genie,

Das Philosophie studierte

Und später selbst an der Akademie

Im gleichen Fache dozierte.

Es sprach zur versammelten Briketterie:

»Verehrliches Auditorium,

Das Leben – das Leben – beachten Sie –

Ist nichts als ein Provisorium.«

Da wurde als ketzerisch gleich verbannt

Der Satz mit dem Provisorium.

Das arme Brikett, das wurde verbrannt

In einem Privatkrematorium.

Die Badewanne prahlte sehr.

Sie hielt sich für das Mittelmeer

Und ihre eine Seitenwand

Für Helgoländer Küstenland.

Die andre Seite – gab sie an –

Sei das Gebirge Hindustan,

Und ihre große Rundung sei

Bestimmt die Delagoabai.

Von ihrem spitzen Ende vorn

Erklärte sie, es sei Kap Horn.

Den Kettenzug am Regulator

Hielt sie sogar für den Äquator.

Sie war – nicht wahr, das merken Sie? –

Sehr schwach in der Geographie.

Dies eingebildete Bassin.

Es wohnte im Quartier latin.

Überall

Überall ist Wunderland.

Überall ist Leben.

Bei meiner Tante im Strumpfenband

Wie irgendwo daneben.

Überall ist Dunkelheit.

Kinder werden Väter.

Fünf Minuten später

Stirbt sich was für einige Zeit.

Überall ist Ewigkeit.

Wenn du einen Schneck behauchst,

Schrumpft er ins Gehäuse.

Wenn du ihn in Kognak tauchst,

Sieht er weiße Mäuse.

Es war einmal ein Kannibale,

Der war aus Halle an der Saale.

Man sah ihn oft am Bodensee

Für zwanzig Pfennige Entree.

Die Leipziger Fliege

Ob wohl die Fliegen Eier in uns legen,

Wenn sie so lange auf uns sitzen bleiben,

Und wir sie, weil wir schlafen, nicht vertreiben?

Man sollte seinen Körper viel mehr pflegen.

Die Fliege, die mich darauf brachte,

Als ich in meinem Mietslogis erwachte,

War eine greisenhafte und ergraute.

Daß ich nur zaghaft mir getraute,

Sie wenigstens ein bißchen totzuschlagen.

Sie sterben im November sowieso

In Leipzig. (Später als wie anderswo.)

Wie können Sterbende doch oft noch plagen,

Das Alter stimmt nicht immer mild.

Sie sind unheimlich dann und boshaft wild.

Doch unter solcher feuchten Sumpfluft leiden

Alle. Leipzig hat seinen Hustenreiz.

Man sollte im November Leipzig meiden,

Nach Frankreich reisen oder in die Schweiz.

Die Fliege hat mir alle Lust genommen.

Ich bin nicht wach und bin auch nicht im Schlaf.

Als müßte ein Gewitter kommen.

Ob wohl ein Blitz je eine Fliege traf?

Gladderadatsch

Es hatte ein Igel sich geckenhaft und blasiert

Am ganzen Körper von oben bis unten rasiert,

Weil er abstechen wollte.

Stach wirklich auch ab. Da nahte ein Fuchs.

Worauf der Igel sich igelartig zusammenrollte.

Aber der Fuchs verschluckte ihn flugs.

Igel bat Fuchsen, ihn doch wieder auszubrechen;

Er sei ein Igel und könnte empfindlich stechen.

Und mittels bauchrhetorischer Worte

Sprach der Fuchs: »Sie müssen verzeihn;

Ich hielt Sie für ein kindliches Schwein,

Werde nun aber sofort Sie befrein.

Wenn ich bitten darf – durch die Hinterpforte.«

Der Igel gab keinen Laut

Mehr von sich. Er war schon verdaut.

Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.

Der war auf seine Gattin sehr stolz.

Die trug eine goldene Haube

Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,

Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.

Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm

In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich

Und ließen den armen Nagel im Stich.

Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.

Noch niemals hatte sein eisernes...


Ringelnatz, Joachim
Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 unter dem bürgerlichen Namen Hans Bötticher im sächsischen Wurzen geboren. Er veröffentlichte seine ersten Gedichte in 'Auerbachs Deutschem Kinderkalender', der von seinem Vater, dem Humoristen Georg Bötticher, herausgegeben wurde. Ringelnatz führte ein bewegtes Leben: als Schiffsjunge und Matrose auf See, als Lehrling in Hamburg, als Hausmeister in England, als Angestellter eines Reisebüros in München. In der Schwabinger Künstlerkneipe ›Simplicissimus‹ wurde er Hausdichter. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Marine, anschließend arbeitete er als Kabarettist, unter dem Regime der Nationalsozialisten hatte er Auftrittsverbot. Zu seinen berühmtesten Figuren gehört der Seemann Kuttel Daddeldu. Der Schriftsteller ist für seine Selbstparodie, Nonsens und Satire bekannt. Joachim Ringelnatz starb am 17. November 1934 völlig verarmt in Berlin.

Joachim RingelnatzJoachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 unter dem bürgerlichen Namen Hans Bötticher im sächsischen Wurzen geboren. Er veröffentlichte seine ersten Gedichte in 'Auerbachs Deutschem Kinderkalender', der von seinem Vater, dem Humoristen Georg Bötticher, herausgegeben wurde. Ringelnatz führte ein bewegtes Leben: als Schiffsjunge und Matrose auf See, als Lehrling in Hamburg, als Hausmeister in England, als Angestellter eines Reisebüros in München. In der Schwabinger Künstlerkneipe ›Simplicissimus‹ wurde er Hausdichter. Im Ersten Weltkrieg diente er in der Marine, anschließend arbeitete er als Kabarettist, unter dem Regime der Nationalsozialisten hatte er Auftrittsverbot. Zu seinen berühmtesten Figuren gehört der Seemann Kuttel Daddeldu. Der Schriftsteller ist für seine Selbstparodie, Nonsens und Satire bekannt. Joachim Ringelnatz starb am 17. November 1934 völlig verarmt in Berlin.



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