E-Book, Deutsch, Band 2867, 129 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
Herrscher in den Anden
E-Book, Deutsch, Band 2867, 129 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-69892-7
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Ethnologie | Volkskunde Volkskunde Historische & Regionale Volkskunde
- Sozialwissenschaften Ethnologie | Volkskunde Volkskunde Indigene Völker
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Geschichte einzelner Länder Amerikanische Geschichte Präkolumbische Geschichte Amerikas
Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Vorwort;7
8;I. Die Pizarros, Ata Wallpa und der Untergang Alt-Perus;9
9;II. Frühzeit und erste Herrscher;19
9.1;1. Legendärer Ursprung;20
9.2;2. Erste Herrscher in Qusqu;23
9.3;3. Totenkult;30
9.4;4. Heiratspolitik;33
9.5;5. Wira Qucha Inka;35
9.6;6. Die Bedeutung des Lamas;37
10;III. Aufstieg zur Macht;40
10.1;1. Das Reich am Abgrund;40
10.2;2. Pacha Kutiq, der Retter;45
10.3;3. Bruder-Schwester-Ehen;52
10.4;4. Tupaq Inka Yupanki;54
11;IV. Expansion und gescheiterte Reichsreform;67
11.1;1. Konsolidierung und Ausbreitung;67
11.2;2. Die geplante Reichsreform Waina Khapaqs;73
11.3;3. Bruderkrieg;77
12;V. Inka und Spanier;81
12.1;1. Die Spanier etablieren sich;81
12.2;2. Die letzten unabhängigen Inka;87
12.3;3. Reich und Dynastie im Rückblick;94
12.4;4. Versippung des Inka-Adels mit Spaniern;97
13;VI. Das moderne Bild von den Inka;108
13.1;1. Plünderer, Grabräuber und Archäologen;108
13.2;2. Chronisten und Historiker;110
13.3;3. Tourismus und Folklore;114
13.4;4. Politische Inszenierungen;118
14;Literatur;121
15;Glossar & Register;123
16;Bildnachweis;128
17;Verzeichnis der Karten;128
18;Karte;129
I. Die Pizarros, Ata Wallpa und der Untergang Alt-Perus
Die spanische Provinz Extremadura war im 15. und 16. Jahrhundert von karger Landwirtschaft geprägt, wo niemand mit bodenständiger Arbeit, Handel oder sonstigem wirtschaftlichen Fleiß reich werden konnte. Daher zog es schon kurz nach der Entdeckung der «Neuen Welt» durch Christoph Kolumbus 1492 viele ihrer Einwohner in die so verheißungsvoll geglaubten Länder Amerikas. Zu ihnen gehörten auch Francisco Pizarro und seine Brüder, Hernando, Gonzalo und Juan, sowie ihr Vetter Pedro Pizarro. Francisco war zwar nicht der Älteste, hatte aber als Einziger vorausgehende Amerika-Erfahrung und wurde daher ihr Anführer. Von 1502 bis 1509 hatte Pizarro, womit der Kürze halber fortan Francisco gemeint ist, als Siedler auf der Antillen-Insel Hispaniola gelebt. Dort hatte er indes nicht die erhofften Reichtümer gefunden, denn da die versklavte indianische Bevölkerung schon fast ganz von Seuchen dahingerafft worden war, hatten die Inseln ihre Attraktivität für eine landwirtschaftliche Nutzung verloren. Pizarro blieb deshalb nicht lange dort, sondern schloss sich mehreren Expeditionen an, die weiter nach Westen segelten und das amerikanische Festland an verschiedenen Punkten erreichten. In Panama, dem Ziel seiner letzten Expedition, wurde er 1519 sesshaft und kam in der kleinen Kolonie unter Ausnutzung seiner amtlichen Positionen als Bürgermeister und Richter zu beträchtlichem Reichtum. Aus diesem Grund konnte er zwischen 1524 und 1528 zwei kleine Entdeckungsreisen an die pazifische Küste Südamerikas ins heutige Ecuador und nördliche Peru selbst finanzieren. Zwar brachten sie ihm und seinen Genossen, unter ihnen auch sein späterer Rivale Diego de Almagro, keine Reichtümer ein, aber immerhin konkrete Hinweise auf das noch weiter südlich gelegene Inka-Reich, wo man Gold und andere Schätze erhoffte. Pizarro kehrte daher 1529 nach Spanien zurück und holte sich beim König in Toledo die Ernennung zum «Generalkapitän» auf Lebenszeit für diejenigen Gebiete, die er im noch unerforschten Südamerika südlich des Äquators zu erobern vorhatte. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch seine Familie in Trujillo. Seine Brüder und den Vetter Pedro beeindruckte er mit den Aussichten auf Reichtum so nachhaltig, dass sie sich ihm anschlossen. Zu dem Familienunternehmen stießen vermutlich auch Francisco de Orellana, der spätere Entdecker und erste Befahrer des Amazonas-Stroms, sowie noch mindestens zwei weitere Mitglieder der mit den Pizarros versippten Familie Orellana, Juan Pizarro de Orellana und Cristóbal Pizarro y Orellana. Damit überragte die damalige und heutige Kleinstadt Trujillo mit ihrem menschlichen Beitrag zur Eroberung Südamerikas alle anderen spanischen Städte. Zu seiner entscheidenden dritten Expedition brach Pizarro 1531 wieder von Panama auf. Die Truppe, die nur etwa 200 Mann zählte, bekam aber 1532 beträchtlichen Zuwachs durch Kontingente, die Hernando de Soto aus Nicaragua mit 200 Mann und Diego de Almagro aus Zentralamerika mit ebenfalls 200 Mann beisteuerten. Die größte Verstärkung, über 500 Mann und 200 Pferde, kam jedoch 1534 aus Guatemala mit Pedro de Alvarado, der unter Cortés an der Eroberung Mexikos mitgewirkt hatte. Aufgrund von Nachrichten über südamerikanische Gold- und Smaragdbeute hatte sich nämlich in Mexiko und Zentralamerika das Peru-Fieber verbreitet und half so, die spanische Präsenz in Peru immer wieder zu vergrößern. Eigentlich hätte der Nachschub, den Alvarado mitbrachte, infolge seines Umfangs einen Wechsel in der Führerschaft des Gesamtunternehmens bewirken können. Pizarros Partner Almagro gelang es jedoch mit nicht sehr edlen Mitteln, Alvarado zum Verkauf seiner Truppen und Ausrüstung an Pizarro und ihn zu zwingen. So konnten sie einen unliebsamen Konkurrenten ausschalten, aber dennoch von seinem Nachschub profitieren. Als sich Pizarro im September 1532 entschloss, die Küste zu verlassen und über das Hochland direkt ins Inka-Reich vorzudringen, herrschte dort Bürgerkrieg zwischen Waskar, dem unumstrittenen Herrn von Qusqu, der Hauptstadt des Reiches, und seinem Halbbruder Ata Wallpa, der über den Norden, vor allem das heutige Ecuador mit den großen Städten Kitu, Tumi Pampa und Kasa Marka, gebot. Die spanischen Truppen erreichten Kasa Marka am 15. November 1532. Dort ließ Pizarro Ata Wallpa durch seine Hauptleute Hernando Pizarro und Hernando de Soto zu sich «einladen». Nachdem die Spanier den arglosen Inka in ihre Gewalt gebracht hatten, schlugen sie am folgenden Tag die entscheidende Schlacht gegen das untätig wartende, weil seines Führers beraubte Inka-Heer. Das Ergebnis waren mehrere tausend Tote auf Seiten der Inka, die Gefangennahme des Herrschers selbst und eines Großteils seines adligen Gefolges, während die Spanier anscheinend keine Verluste erlitten. Nur ein Chronist verzeichnet den Tod eines spanischen Negersklaven. Der Erfolg der zahlenmäßig unterlegenen Spanier kann zum Teil damit erklärt werden, dass sie als Berufssoldaten taktisch geschult waren und ihre Anführer strategisch planten. Ferner gaben vermutlich die Kanonen, Pferde und Eisenrüstungen den Ausschlag. Vor allem die Eisenhelme schützten vor indianischen Schleudersteinen und Keulenhieben. Aber auch die Reichweite ihrer Waffen und ihre Beweglichkeit machten die Spanier den indianischen Fußsoldaten, die vergleichsweise schlecht ausgebildet und bewaffnet waren, überlegen. Ata Wallpa musste erleben, wie sein Heer einfach abgeschlachtet wurde. Gleichzeitig gelang es zwar seinen Agenten in Qusqu, Waskar zu töten und dessen Sippe fast vollständig auszurotten, doch brachte ihm das keinen Vorteil mehr, da er selbst in die Hände der Spanier gefallen war. Nach seiner Gefangennahme verhandelte Ata Wallpa mit Pizarro über Lösegeld und versprach dem Spanier, zwei Räume mit Gold und Silber füllen zu lassen. Die Sieger, die darauf erfreut eingingen, kassierten zwar nicht ganz so viel, wie Ata Wallpa versprochen oder sie selbst erwartet hatten, aber immerhin waren es nach offizieller Wägung 52.000 Mark Silber und 1.626.500 Pesos Gold, was in damaliger Münzwährung zwei Millionen Gold-Pesos entsprach und damit selbst dann noch eine unglaubliche Beute darstellte, wenn man die 20 % abzieht, die dem spanischen König zustanden. Allerdings hatten die Spanier nur bescheidenen Nutzen von diesem Edelmetallreichtum, denn was sollten sie sich in dem vom Krieg zerrütteten Land dafür kaufen? Außerdem setzte aufgrund der Edelmetallschwemme eine rasante Teuerung für spanische Waren ein. Kurz nach der Verteilung der Beute musste ein Mann für eine einfache Stoffhose 20 Pesos zahlen und für ein Pferd 1500. Damit hatte die gesamte Beute der Spanier nur einen Gegenwert von ca. 100.000 einfachen Stoffhosen oder etwa 1400 Pferden. Abb. 1: Ata Wallpa in spanischer Gefangenschaft Obwohl die Inka das Lösegeld gezahlt hatten, hielten die Spanier Ata Wallpa noch acht Monate lang gefangen, wenn auch unter leidlichen Bedingungen. In dieser Zeit befreundete sich mancher Spanier, vor allem Francisco Pizarros Bruder Hernando, mit dem Gefangenen, so dass man sogar gemeinsam Schach spielte, was Ata Wallpa schnell lernte. «Der Kazike Atahualpa ist ein selten gescheiter, fähiger Kopf und sehr darauf aus, alles über uns zu erfahren und uns genau kennenzulernen. Er spielt sogar schon recht gut Schach», heißt es in einem Brief (zit. n. Engl & Engl 1975). Und der spanische Chronist Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés, Festungskommandant in Santo Domingo an der atlantischen Küste Kolumbiens, der mit vielen nach Zentralamerika zurückkehrenden Augenzeugen der Eroberung Perus sprach, berichtet: Einer der Spanier, die in Cajamarca [Kasa Marka] waren, hatte eine Hauskatze dabei. Zufällig sah Ata Wallpa eines Tages, wie sie eine Maus fing. Daran hatte er so viel Freude, dass er den Eigentümer bat, sie ihm für 1000 Goldpesos zu überlassen. Von nun an brachte man dem Inka, wenn es ihn danach gelüstete, Mäuse, und er ließ die Katze auf sie los. Diese Jagd bereitete ihm großes Vergnügen, und er lachte auf dabei. (Zit. n. Engl & Engl 1975) Nach diesen acht langen Monaten schien es jedoch offensichtlich opportun, Ata Wallpa zu beseitigen. Wegen der Ermordung seines Halbbruders Waskar ließ ihm Pizarro den Prozess machen, worauf das Urteil nur Hinrichtung lauten konnte. Ganz nebenbei sorgte Pizarro auch...