E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten
Reihe: Dynasty of Hunters
Ried Dynasty of Hunters, Band 2 - Von dir gezeichnet
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-473-51257-7
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten
Reihe: Dynasty of Hunters
ISBN: 978-3-473-51257-7
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
P. J. Ried entdeckte durch ihr Studium der Literaturwissenschaft ihre Leidenschaft fürs Schreiben neu. Seitdem verirrt sie sich regelmäßig in phantastische Welten, was dank ihres mangelnden Orientierungssinns zum Glück kein Problem darstellt. Wenn sie nicht gerade in Geschichten abtaucht, liebt sie es, zu zocken oder Serien und Animes zu schauen. Außerdem träumt sie von einem Leben am Meer mit Unmengen Sushi und einer Katze.
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Kapitel 1
Irina
Schwer und süß hängt der Geruch des Blütenstaubs von Arc-en-ciel in meinen Haaren, vermischt sich mit dem des Ozeans und verbrannter Kohle, als ich das Boot betrete, das uns zurück nach Hause bringen soll.
Das Metalldeck gleißt in der Sonne, und ich muss die Augen zusammenkneifen, um nicht geblendet zu werden. Bunte Wimpel flattern im Wind und sollen vermutlich einen feierlichen Eindruck erwecken. Von irgendwo dringt der Klang eines Grammofons an meine Ohren, ein völlig anderer Takt als die leicht schlurfenden Schritte meiner Gezeichneten hinter mir, gefolgt von dem Geräusch von Laurents und Laelias Stiefeln.
Ich will mich gerade zu meinem Bruder umdrehen, als Henry de Vert, eine Wache der Force d’élite aus einer der niedrigsten Nebenfamilien, auf uns zuhastet und sich im Laufen die Handschuhe am grünen Gehrock abwischt. Sie sind mit irgendeiner rosafarbenen Creme verschmiert, und ich würde meine Fingerklingen darauf verwetten, dass sie von einer Sahnetorte stammt. Sein braunes Haar ist am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden, und Schweißperlen glänzen über seiner nervös zuckenden Oberlippe, als er kurz vor uns zum Stehen kommt und ein Klemmbrett zückt – verkehrt herum. »Mademoiselle Irina, Monsieur Laurent, willkommen an Bord!«
Mehr sagt er nicht, sondern schaut uns bloß an, ein hoffnungsvolles, angespanntes Lächeln im Gesicht.
Sekunden verstreichen, in denen ich ihn einfach nur anstarre, bis ihm auffällt, dass er seine Liste auf dem Kopf hält, und eilig das Klemmbrett wendet.
»Das ist alles? Keine Fanfaren? Kein Konfetti? Nicht einmal Champagner? Enttäuschend.«
»In der Kabine erwarten Euch Tee und Gebäck«, entgegnet Henry. »Sobald ich überprüft habe, ob Ihr auch wirklich die Vorschriften erfüllt.«
Ich verdrehe die Augen. »Klar, und die beiden hinter uns sind einfach nur zum Spaß hier.«
»Es tut mir leid, Mademoiselle, aber so sind die Vorschriften«, erklärt er und baut sich vor mir auf.
Wortlos hebe ich eine Augenbraue und mustere ihn einige Sekunden lang ausdruckslos, bis er unter meinem Blick zusammenschrumpft. Offenbar hat er gerade endlich begriffen, dass er die nun offiziellen Thronerben der de Verts vor sich stehen hat.
»Verzeihung«, murmelt er, »aber ich muss meine Arbeit machen.«
»Wir sind verdammt müde und noch dazu verwundet«, erklärt Laurent grimmig und deutet mit dem Kinn auf seinen notdürftig mit ein paar Stoffstreifen verbundenen Oberschenkel. Die Hände hat er dabei tief in den Hosentaschen seiner Uniformhose vergraben.
Henrys Blick folgt seiner Geste, dann wandert er weiter in Richtung meiner Gezeichneten und zu Laelia. »Sicher«, erwidert er. Als er das Blut an den provisorischen Verbänden sieht, weicht ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Erst als hinter ihm weitere Wachen mit Erfrischungsgetränken und Gebäck aus der Wächterkajüte treten, fängt er sich wieder, strafft die Schultern und geht um uns herum zur Rückseite der Kajütenwand, wo er eine Schraube aufdreht und ein schmales Pult hochklappt.
Mit einem leisen Klacken platziert er das Klemmbrett darauf, bevor er ein Fläschchen mit Tinte und eine zerknickte Schreibfeder aus seiner Jackentasche hervorzieht und sich erwartungsvoll zu uns herumdreht. »Es geht schnell. Zeigt mir Eure Finger und die Zeichnungen, dann könnt Ihr gehen.«
Ich tausche einen flüchtigen Blick mit Laurent, der mir kaum merklich zunickt, ehe ich ihm meine Finger entgegenstrecke, die bis zum untersten Gelenk grün verfärbt sind. Dabei beobachte ich die anderen Wachen, die sich inzwischen über das Deck verteilen und sich auffällig unauffällig bemühen, nicht zu neugierig in unsere Richtung zu schauen.
»Die Gezeichnete?«, fragt Henry und hebt den Kopf.
»Komm«, sage ich an sie gewandt, und wie mechanisch tritt sie vor.
»Sie heißt Amber«, zischt Laelia hinter mir wütend. Es sind die ersten Worte, die sie von sich gibt, seit wir von der Klippe zum Strand aufgebrochen sind.
»Ist mir egal«, antworte ich kühl, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Es ärgert mich, dass Laelia mir das ungefragt an den Kopf wirft. Denn das Letzte, was ich im Moment will, ist, etwas über meine Gezeichnete zu erfahren. Darüber nachdenken zu müssen, dass sie zuvor einmal ein anderes Leben geführt hat. Eines mit eigenen Hoffnungen und Träumen, die jetzt durch Erinnerungen an ihre Treue zu mir ersetzt wurden. Ihr Name ist ein Echo dieser Vergangenheit. Etwas, das sie zu mehr macht als zu meiner Gezeichneten, obwohl sie nie zu etwas anderem bestimmt war. Meine Zeichnung hat dieses Schicksal nur besiegelt.
Du wurdest dazu geboren, Irina treu zu sein.
»In Ordnung«, fährt Henry ungerührt fort, während er die notierten Nummern abgleicht, setzt einen Haken auf der Liste und seine Unterschrift daneben. In ein leeres Feld notiert er Ambers Zeichnung und nickt anschließend meinem Bruder zu. »Monsieur Laurent?«
Dieser gibt ein scheinbar genervtes Schnaufen von sich und zieht die Hände aus den Hosentaschen, um sie ihm hinzuhalten. Henry betrachtet seine Fingerspitzen, verharrt dabei einen Moment zu lange bei seinen Knöcheln, ehe er ebenfalls einen Haken auf dem Klemmbrett setzt. So leise, dass ich Mühe habe, ihn zu verstehen, murmelt er irgendetwas vor sich hin, das entfernt wie »ordentlich ausgetobt, der junge Thronfolger« klingt.
Mein Bruder und ich tauschen einen Blick. Als ich danach seine Finger in Augenschein nehme, möchte ich ihn am liebsten schütteln.
Auf dem Weg von der Klippe zum Strand habe ich ihm eine Tinktur aus Chlorophyll gegeben, mit der er seine Finger vorübergehend grün färben und Laelia einen provisorischen Schriftzug verpassen sollte, bevor wir das Boot erreichen. Die Farbe wird nicht dauerhaft auf seiner Haut halten, jedoch ausreichen, um die Kontrollen und die Ehrung zu überstehen. Ich hatte gedacht, er würde lediglich seine Fingerspitzen darin einweichen, kaum höher als das Nagelbett. Doch stattdessen hat er die Farbe bis zu seinen mittleren Knöcheln aufgetragen, wo der Rand bei genauerer Betrachtung ein wenig ausgefranst und blasser aussieht statt gleichmäßig wie bei echter Farbe. Natürlich hatte er mich übertrumpfen müssen, ohne daran zu denken, welchen Eindruck das erwecken würde – und dass es nur eine falsche Frage bräuchte, um ihn in Erklärungsnot zu bringen. Doch in seinen Augen liegt bloß ein herausforderndes Funkeln.
»In Ordnung«, sagt Henry jetzt laut, den Blick immer noch auf Laurents chlorophyllgrüne Finger gerichtet, und grinst Laurent wissend an. »Dann fehlt nur noch Eure Gez…«
Laute Rufe ertönen vom Strand, gefolgt von einem dumpfen Geräusch, als würde etwas Hartes mit aller Kraft gegen den Schiffsrumpf geworfen. Ein faustgroßer Stein fliegt haarscharf an mir und Henry vorbei, zersprengt das Kajütenfenster und schlittert durch den Raum dahinter.
»Was zum …«, ruft Henry erschrocken und springt auf, zieht sein Schwert und stürzt an uns vorbei zur Reling. Es grenzt an ein Wunder, dass er in seiner Eile nicht die gesamte Tinte über der Liste verschüttet, die achtlos auf dem Tischchen zurückbleibt. Auch die übrigen Mitglieder der Force d’élite verlassen ihren Posten und stürzen aus allen Richtungen an die Reling, um nachzusehen, was am Strand vor sich geht.
»Die Gejagten wollen das Boot stürmen!«, schreit Ilona de Vert und stürzt hinüber zur Gangway, um einen Jungen in brauner Uniform zurückzustoßen.
Doch bevor sie ihn erreicht, erkenne ich für einen Moment sein Gesicht – zerzauste helle Locken, die in eine sonnenverbrannte Stirn fallen, und eine wilde, beinahe verzweifelte Entschlossenheit in den Augen. In den Händen hält er einen massiven Ast wie eine Keule, und seine Finger sind mit schwarzer Rußfarbe verschmiert.
Unsere Blicke treffen sich, prallen mit Gewalt gegeneinander, und instinktiv taste ich nach meinem Dolch. Ein Schauder jagt mir über den Körper, als ich begreife, dass er einer von ihnen sein muss. Ein Arc oder zumindest ein von ihnen befreiter Gejagter. Denn an seiner Halskuhle erkenne ich einen feinen goldenen Schriftzug, aber von seinem Urheber fehlt jede Spur.
Kein Wunder. Höchstwahrscheinlich liegt er irgendwo auf der Insel, getötet von einer Gruppe radikaler bürgerlicher Aufständischer, die sich den lächerlichen Namen Archchasseurs gegeben haben. Als könnten sie es allen Ernstes mit uns Jägern aufnehmen.
Getötet, um den Gejagten von seinem Bann zu befreien.
Getötet, weil er zu schwach war, um auf seinen Gezeichneten aufzupassen und die Jagdspiele final zu gewinnen.
»Ergebt euch und kehrt friedlich in eure Heimat zurück!«, ruft Anne de Vert und tritt hinter Ilona. »Einen Schritt weiter, und das war es für euch und eure Familien.«
»Verarschen könnt ihr euch allein. Ergebt ihr euch lieber und überlasst uns das Boot!«, zischt der Gezeichnete und funkelt uns weiterhin an. »Ihr könnt uns sowieso nicht mehr aufhalten!«
»Das ist die letzte War–«
Sein Ast trifft Ilona gegen die Schläfe. Blut spritzt, sie taumelt zurück und sackt an der Kajütenwand zu Boden, während die umstehenden Wachen einen Moment lang zu geschockt sind, um zu reagieren. Einzig eine brünette Frau beugt sich zu Ilona hinab, um ihre Wunde zu versorgen.
»A...