E-Book, Deutsch, Band 329, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
Ried Alpengold 329
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7325-9874-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Jung, hübsch und geschieden
E-Book, Deutsch, Band 329, 64 Seiten
Reihe: Alpengold
ISBN: 978-3-7325-9874-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Selig schließt Marion die Augen und spürt Wolfgangs Lippen, die zärtlich ihr Gesicht liebkosen. Seine Küsse geben ihr all das, was sie bisher nur erahnt, aber nie erfahren hat - erfüllen ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Nichts wünscht sie sich in diesem Moment mehr, als dass Wolfgang sie für immer festhält und beschützt.
Doch es dauert nicht lange, bis Marion aus ihrem Traum erwacht. Es kann für sie kein neues Glück geben, nie mehr! Sobald Wolfgang alles von ihr weiß, wird er sie fallen lassen ...
Autoren/Hrsg.
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Jung, hübsch und geschieden
Warum Marion nicht mehr an Liebe und Glück glauben konnte
Von Carolin Ried
Selig schließt Marion die Augen und spürt Wolfgangs Lippen, die zärtlich ihr Gesicht liebkosen. Seine Küsse geben ihr all das, was sie bisher nur erahnt, aber nie erfahren hat – erfüllen ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Nichts wünscht sie sich in diesem Moment mehr, als dass Wolfgang sie für immer festhält und beschützt.
Doch es dauert nicht lange, bis Marion aus ihrem Traum erwacht. Es kann für sie kein neues Glück geben, nie mehr! Sobald Wolfgang alles von ihr weiß, wird er sie fallen lassen ...
Auf der schmalen, kurvenreichen Straße kroch ein Wagen im Schneckentempo dahin. Ärgerliches Hupen, bezeichnende Gesten zur Stirn und verständnisloses Kopfschütteln anderer Autofahrer waren die Quittung dafür.
Aber die junge Frau am Steuer des Wagens kümmerte das wenig. Sie hatte Zeit, und solange sie niemanden direkt behinderte, wollte sie die Fahrt genießen. Das Seitenfenster war geöffnet. Heuduft und harzige Waldluft strömten herein.
Marion Burger sog sie tief und behaglich in ihre großstadtverstaubten Lungen. Sie warf das lange dunkle Haar in den Nacken und lächelte.
Urlaub! Welch ein Zauberwort! Unwillkürlich sprach sie es leise vor sich hin.
Sechs herrliche Wochen lagen vor ihr. Sechs Wochen ohne Stau, Straßenlärm und Stress, ohne frühes Aufstehen und hastig getrunkenen Kaffee. Dafür aber mit Kuhglockengeläut und gemütlichem Frühstück, mit Faulenzen und Sonnenbaden, mit Bergen, Wald, Wiesen und allem, was es daheim in München nicht gab.
Kleine malerische Dörfer mit Ziegeldächern und spitzen Kirchtürmen zogen vorbei. Auf saftigen Wiesen grasten braune Rinder. Die Gipfel des Dürrnbach- und des Sonntagshorns rückten näher. Ein Straßenschild kam in Sicht: Waldenstein, sechs Kilometer.
Waldenstein war der kleine Ort, in dem eine Frau Zirninger gemütliche Zimmer mit Frühstück an Feriengäste vermietete. Bei ihr hatte Marion für sechs Wochen gebucht.
Die Straße durchschnitt ein kleines Tal und stieg auf der anderen Seite wieder leicht bergan. Waldenstein war erreicht, eine Ortschaft bestehend aus einer einzigen Straße und mehreren verstreuten Bauerngehöften. Ein Traktor kam Marion entgegengezuckelt. Sie stoppte und gab dem Fahrer ein Zeichen. Er hielt an.
Marion legte die Hände trichterförmig an den Mund, um das Motorengeräusch zu übertönen.
„Entschuldigen Sie, wo liegt denn die Pension Zirninger?“
„Die was?“ Der Mann auf dem Traktor zog erstaunt die starken, kühn geschwungenen Brauen hoch. Helle Augen leuchteten in einem gebräunten, markanten Gesicht, in das der Fahrtwind einige blonde Haarsträhnen geweht hatte. Ein bemerkenswerter Mann, aber wohl etwas schwer von Begriff!
„Zirninger“, wiederholte Marion.
„Ach so!“ Jetzt blitzte es verstehend auf in den hellen Augen. Der Mann wies mit dem Daumen über die Schulter. „Immer geradeaus die Straße entlang, das letzte Haus auf der rechten Seite.“
„Vielen Dank.“ Marion neigte lächelnd den Kopf und gab wieder Gas.
Auch der Traktor setzte seine Fahrt fort.
Marion kam es nicht zu Bewusstsein, dass das Lächeln, das sie dem Fahrer zum Dank geschenkt hatte, noch immer auf ihren Lippen lag, auch dann noch, als sie das letzte Haus auf der rechten Straßenseite erreicht hatte.
Aber plötzlich erstarb es jäh, dieses versonnene Lächeln. Sie musste sich geirrt haben, oder der Traktorfahrer hatte ihr eine falsche Auskunft gegeben.
Marion stand vor einer offenen Toreinfahrt, durch die sie auf einen kopfsteingepflasterten Hof blicken konnte. Auf einem großen Misthaufen pickten weiße und bunte Hühner. Eine Schubkarre, mit Gras gefüllt, stand neben einem umgestülpten Wasserkübel.
Ein großer brauner Hund unbestimmter Rasse kam aus seiner Hütte gekrochen, stellte die Ohren auf und äugte misstrauisch zu Marion herüber.
Lieber Himmel, wo war der Garten mit den Liegestühlen und Sonnenschirmen für die Pensionsgäste? Vielleicht hinter dem Haus? Und dieses Haus sollte die Pension der Frau Terese Zirninger sein? Dieses kleine, bescheidene Häuserl mit dem leicht bröckelnden Fassadenputz, dem niedrigen Dach und den winzigen Fenstern? Unmöglich!
Marion stellte den Motor ab und stieg aus. Sie musste an der falschen Adresse sein. Aber die Bewohner dieses kleinen Gehöfts hier konnten ihr vielleicht besser Bescheid geben als der Traktorfahrer.
Sie ging durch das Hoftor. Der Hund hatte etwas dagegen. Wütend begann er zu kläffen.
Aus der Haustür trat ein junger Mann im blauen Overall.
„Bist gleich stad, du damischer Hund!“, rief er, worauf der Hund verstummte.
Marion ging auf den jungen Mann zu.
„Grüß Gott. Entschuldigen Sie bitte. Ich suche die Pension Zirninger.“
„Die was?“
Mei, das hatte sie doch vor ein paar Minuten schon einmal gehört.
„Die Pension Zirninger“, wiederholte sie geduldig und blickte fragend in zwei hellbraune Augen, die sie fassungslos anstarrten.
„Zirninger, das bin ich, aber Pension?“ Der junge Mann zuckte die Schultern. „Das muss ein Irrtum sein, eine Verwechslung. Eine Pension Zirninger gibt’s in ganz Waldenstein net!“
„Ja, aber …“ Marion fühlte ein Kribbeln in den Fingerspitzen. „Ich habe doch mit Frau Zirninger korrespondiert.“ Sie öffnete ihre Handtasche und zog einen Briefumschlag hervor. „Hier bitte, der Absender lautet Terese Zirninger, Waldenstein vierzehn. Frau Zirninger hatte ein Zeitungsinserat aufgegeben und …“
„Jessas, Maria und Josef! Darf ich das mal sehen?“
„Bitte.“ Marion reichte dem jungen Mann den Umschlag.
Er starrte auf den Absender und verdrehte die Augen.
„Kruzitürken – Tante Terese! Das sieht ihr ähnlich!“
„Wie bitte?“ Marion wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Hatte sie hier einen Verrückten vor sich?
Dass der junge Mann keinesfalls verrückt war, sollte er gleich beweisen. Anscheinend hatte er sich wieder gefangen.
„Sie haben also ein Zimmer bei einer Frau Terese Zirninger bestellt?“, stellte er sachlich fest. „Wann war denn das? Wann hat sie Ihnen denn geantwortet?“
„Vor etwa vierzehn Tagen. Aber ich verstehe nicht …“
„Ich schon, ich schon!“ Der junge Mann nickte grimmig vor sich hin. Dann betrachtete er Marion von Kopf bis Fuß. „Und jetzt sind Sie da mit Sack und Pack, gell, und wollen Ihr gemütliches Zimmer mit Frühstück beziehen, gell? Oh mei, da hat sie mir einen narrischen Streich gespielt!“
„Ja, wer denn, um Gottes willen? Wovon reden Sie denn?“ Marion stand wie auf Kohlen. Sie fühlte, dass irgendetwas Entsetzliches auf sie zukam.
„Wovon ich rede? Von meiner Tante Terese natürlich, von der Frau Terese Zirninger!“ Der Hausherr schien die letzten Worte zwischen den Zähnen zermalmen zu wollen. „Aber kommen Sie erst einmal ins Haus. Das Problem müssen wir lösen!“
Er fasste Marion am Arm und dirigierte sie über den Hof.
Wie eine willenlose Puppe gehorchte sie. Großer Gott, was sollte das nur alles bedeuten?
Der Mann führte sie durch einen dämmrigen Flur in eine Wohnstube, in der dringend einmal hätte aufgeräumt werden müssen. Auf einem dunkelroten Plüschsofa aus der Zeit der Jahrhundertwende tummelten sich Kleidungsstücke. Bücher türmten sich auf einem Eichentisch neben gebrauchtem Geschirr, und auf einer alten messingbeschlagenen Truhe fristete ein überquellender Aschenbecher sein Dasein.
Der Hausherr raffte die Kleidungsstücke auf dem Sofa zusammen und warf sie über eine Stuhllehne.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz. Ich glaube, ich muss Ihnen was ganz Böses sagen!“
Ja, das glaubte Marion auch. Zögernd setzte sie sich auf das Sofa.
Der Mann blieb stehen.
„Ich heiße Axel Zirninger und bin der Neffe von der Frau Terese Zirninger.“ Wieder quetschte er diesen Namen auf höchst merkwürdige Weise hervor. „Ich hatte meiner Tante erlaubt, hier im Haus im ersten Stock ein paar Zimmer an Feriengäste zu vermieten, damit sie eine kleine Nebeneinnahme bekam. Sie wohnte bei mir und hat mir den Haushalt geführt!“
„Und jetzt wohnt sie nicht mehr hier?“
„Nein, eben net.“
Axel Zirninger fuhr sich mit vier Fingern durch sein dichtes dunkelblondes Haar. Diese Geste wirkte rührend. Der ganze junge Mann wirkte irgendwie rührend. Marion registrierte es ganz nebenbei.
„Tante Terese und ich“, fuhr er fort, „haben vor ungefähr einer Woche einen Mordskrach gehabt miteinander, und da ist sie mit ihrem ganzen Kram zu ihrer Schwester nach Nürnberg gezogen. Dass sie noch einen Feriengast erwartet hat, hab ich net gewusst. Vielleicht hat sie auch vergessen, mir das zu sagen, oder sie wollte mir noch eins auswischen....




