Buch, Englisch, 168 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 210 mm, Gewicht: 200 g
Buch, Englisch, 168 Seiten, Format (B × H): 140 mm x 210 mm, Gewicht: 200 g
Reihe: Dissertationen aus dem Julius Kühn-Institut
ISBN: 978-3-95547-101-9
Verlag: Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
Weltweit rangieren domestizierte Reben (Vitis vinifera) unter den meistangebauten Obstkulturen. Die geernteten Trauben werden geschätzt als nahrhaftes Obst, für die Herstellung von Traubensaft und für die Vinifikation begehrter Weine. Im Wesentlichen dominieren Vitis vinifera Sorten den globalen Weinbau, da sie die von Verbrauchern gewünschten Merkmale für Produktqualität aufweisen. Jedoch sind diese Sorten hoch anfällig gegenüber pilzlichen Schaderregern und müssen intensiv mit Pestiziden behandelt werden, was abträglichen Nebeneffekten Vortrieb leistet. Der Einsatz von Pestiziden in der
Lebensmittelherstellung wird von Verbrauchern zunehmend weniger gebilligt, wobei gleichzeitig makellose Produktqualität erwartet wird.
Für den Weinbau zeigte sich, dass diesem Interessenkonflikt mit der Verwendung von neugezüchteten Sorten begegnet werden kann, welche Resistenzen gegenüber dem Falschen und Echten Mehltau aufweisen. Sorten mit Resistenzen gegen diese Hauptschaderreger erlauben einen deutlich reduzierten Aufwand an Pflanzenschutz bei hoher Produktqualität.
Jedoch verlaufen Interaktionen zwischen Pflanzen und ihren Pathogenen als Zyklen gegenseitiger Anpassung. In deren Abfolge einzelne Pathogen Stämme die Resistenzmechanismen der Pflanzen binnen weniger Jahrzehnte überwinden.
Merkmalsgekoppelte molekulare Marker ermöglichen es, mehrere aktive Resistenzmechanismen in einer Sorte zu vereinen. Dies trägt zu einer anhaltenderen Resistenz gegen Schaderreger bei. Grauschimmel verursacht durch B. cinerea ist die dritte schwerwiegende Bedrohung für den Weinbau. Dafür sind derzeit keine Marker für zelluläre Resistenzmechanismen bekannt. Deshalb zielt die Züchtung auf das Einkreuzen physikalischer Eigenschaften ab, die das Wachstum oder den Infektionsmechanismus dieses Pathogens behindern. Dazu zählen passive Abwehrmechanismen wie beispielsweise dickere
Wachsschichten auf der Epidermis, robustere Zellschichten in der Beerenhaut und lockere Traubenarchitektur. Dies erhöht die Resistenz gegen Schaderreger im Allgemeinen ist jedoch von herausragender Bedeutung, wenn die physikalische Resistenz die einzige verfügbare Resistenz ist. Lockere Traubenarchitektur hat hierbei eine zentrale Rolle, da sie das Ausbilden von effektiven physikalischen Barrieren erst ermöglicht. Zusätzlich fördert die lockere Beschaffenheit der Traube ein zügiges abtrocknen auch der innenliegenden Teile des Fruchtstandes. Die reduzierte Zeitspanne mit feuchten Bedingungen verkürzt das Zeitfenster, das für eine erfolgreiche Infektion durch pilzliche Schaderreger zur Verfügung steht.
Das Ziel der Studien dieser Thesis war es genetische Faktoren für lockere Traubenarchitektur zu definieren. Weiterhin sollten erste molekulare Marker ermittelt werden, die für die Differenzierung von Genotypen mit lockeren und kompakten Trauben geeignet sind. Dies schafft die Voraussetzung für die Marker gestützte Selektion der gewünschten lockerbeerigen Individuen. Um dies zu erreichen wurden unterschiedliche Quellen natürlicher Varianz in den Experimenten berücksichtigt: Erstens, F1 Individuen aus der Kreuzung (‘Calardis Musqué’ × ‘Villard Blanc’). Zweitens, somatische Varianten der Sorte
‘Pinot Noir’ mit signifikanter Varianz der Traubenkompaktheit. Die natürliche Varianz beider Herkünfte konnte dabei erfolgreich zur Identifizierung von Faktoren für lockere Traubenarchitektur herangezogen werden.
Mit den genetischen Untersuchungen in Kapitel 2 konnten deckungsgleiche Regionen des Referenzgenoms für Reben ermittelt werden auf denen quantitative Loci für bis zu vier Faktoren für lockere Traubenarchitektur gemeinsam lokalisiert sind. Bedingt durch die Kolokalisierung auf dem Chromosom, kann so die Introgression mehrerer Faktoren mit
substantiellem Effekt auf lockere Traubenarchitektur in einem Zuchtgang gelingen. Darüber hinaus können molekulare Marker mit starker Kopplung zu Faktoren der Traubenarchitektur benannt werden (Richter et al. 2019). Mit einer Konzeptstudie (Kapitel 4) kann der Nachweis erbracht werden, dass drei der ermittelten molekularen Marker gemeinsam geeignet sind um eine Selektion der unerwünschten kompakten Genotypen in der Kreuzungspopulation
(‘Calardis Musqué’ × ‘Villard Blanc’) durchzuführen.
Die Untersuchungen in Kapitel 3 berücksichtigen Experimente an mehreren Standorten. So zeigt sich, dass die Genexpression von 15 Kandidatengenen stabil mit Traubenarchitekturparametern von ‘Pinot Noir’ Klonen korreliert. Der genetische Untersuchungsansatz in Richter et al. (2019), die Ergebnisse der RNA-Sequenzierungsstudie von
Rossmann et al. (2020) und die Genexpressionsstudien in Richter et al. (2020) untermauern gemeinsam die Bedeutung der Kandidatengene für Traubenarchitektur. In weiteren Studien mit, in Bezug auf Traubenarchitektur, stark unterschiedlichen Individuen aus diversem genetischem Hintergrund ergibt sich, dass das Transkriptionsfaktor kodierende Gen PRE6 und weitere sechs Gene differentiell exprimiert sind. Diese Gene haben Beziehung zu
Auxinmetabolismus, Zellwandlockerung und Strigolaktonen (Richter et al. 2020). Die Ergebnisse einer evidenzbasierten Netzwerkanalyse verweisen auf weitere Interaktionen der Kandidatengene mit Brassinosteroiden, einer Klasse von Phytohormonen mit wachstumsförderndem Effekt. Basierend auf den Ergebnissen der unterschiedlichen Experimente, können die hier vorgestellten Kandidatengene für Traubenarchitektur dazu geeignet sein um molekulare Marker für diese Eigenschaft zu entwickeln. Diese Marker können dann zur MAS von optimiertem Zuchtmaterial mit physikalischer Resilienz gegen B. cinerea eingesetzt werden.