E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Reihe: HarperCollins
Rhodes Das Geheimnis der Bienenvilla
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7499-5001-0
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Reihe: HarperCollins
ISBN: 978-3-7499-5001-0
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine seit 2000 Jahren verleugnete Liebe, ein wohlgehütetes Geheimnis - eine Frau auf der Suche nach der Wahrheit:
Laura Cuddihy wurde an den besten Schulen ausgebildet - doch in New York ist die Linguistin in einer Sackgasse angekommen. In der Beziehung zu ihrem Freund kriselt es und ihr Lehrauftrag an der NYU läuft aus. Da kommt das rätselhafte Jobangebot aus Cornwall gerade recht: Für die exzentrische Wyona Guinness de Figueras soll sie einen jahrhundertealten Kodex übersetzen. Laura ist fasziniert, und schon bald entwickelt sich eine innige Freundschaft zwischen den beiden Frauen. Zunehmend entfernt sich Laura von ihrem Leben in New York. Als Wyonas Sohn James mit seiner Frau und den beiden Töchtern in der Bienenvilla auftaucht, lässt er sich von Lauras Leidenschaft für den Kodex mitreißen. Die beiden verbindet jedoch bald weit mehr als ihre gemeinsamen Recherchen. Laura muss sich die Frage stellen, was sie vom Leben will - und stößt unterdessen auf ein Geheimnis, das weit größer ist, als sie sich je hätte ausmalen können...
Aubrey Rhodes ist in Cornwall aufgewachsen und lebt mittlerweile abwechselnd in Dublin, Paris und in einer Kleinstadt im Nordosten der USA. Außer für Literatur kann sie sich für Weißwein, schwarze Möpse und Pferde begeistern. »Das Geheimnis der Bienenvilla« ist ihr Debütroman.
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2
Finn, Bidelias schmallippiger Ehemann, servierte das Abendessen. Er war groß und schlank und trug sein Haar über eine kahle Stelle gekämmt, was sie fast unsichtbar machte, und er hatte ein spitzes, aber nicht unfreundliches Gesicht mit einer von roten Äderchen marmorierten Habichtsnase. Während der Mahlzeit – Brathähnchen mit Fingerlingkartoffeln und gekühltem Rotwein – vermied Wynona es wie angekündigt, auf das Projekt einzugehen, für das sie Laura möglicherweise engagieren wollte. Anfangs steuerte sie kaum etwas zum Tischgespräch bei, was Laura nervös machte und dazu brachte, zu viel über sich selbst zu sprechen.
»Als ich Doktorandin an der Columbia in New York war, bin ich mit einem Dichter ausgegangen.« Wynonas gezwungenes Lächeln ließ ihr Selbstvertrauen schwinden. Doch sie redete weiter. »Sehr zum Leidwesen meiner Mutter bin ich mit ihm in Greenwich Village kurz vor meinem Abschluss zusammengezogen, und nachdem wir ein Jahr lang darauf gespart hatten, flogen wir nach Europa und blieben schließlich fast drei Monate bei meinem Onkel Manolo hängen – er ist das schwarze Schaf in der Familie meiner Mutter und lebte wie ein Pascha in den Hügeln um Málaga.«
Ihre Gastgeberin begann an ihrer Serviette herumzunesteln – ein deutliches Zeichen dafür, dass Laura rasch zum Ende kommen sollte. Doch wie ein Lemming rannte sie mit Höchstgeschwindigkeit immer weiter auf die Klippe zu. »Er hatte dieses herrliche Haus voller Bücher, Katzen und Hunde, das inmitten von Zitronenplantagen lag, und er unterhielt eine ménage à trois mit zwei finnischen Schwestern. Es waren immerzu Gäste im Haus, von kalifornischen Drogenschmugglern bis hin zu halbseidenen Europäern – unter anderem ein ausgemergelter, nicht gerade begnadeter Maler mit Neigung zur Glatze, der ein Nachfahre des Marquis de Sade war.«
Dieses letzte Detail erwähnte sie bewusst in der Hoffnung, dass wenigstens jetzt eine von Wynonas Augenbrauen in die Höhe schießen würde. Doch die Frau, die die Selbstbeherrschung eines Zen-Mönchs besaß, zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Jeder wusste Manolos Wein und Whiskey und die politisch nicht gerade korrekten Gespräche mit ihm zu schätzen. So wenig es mir auch manchmal gefällt, aber ehrlich gesagt hatte er großen Einfluss auf mich. Einmal abgesehen davon, dass er ein Mensch war, der sich ganz offen über die geltenden Moralvorstellungen hinwegsetzte, dabei aber durchaus einen katholischen, von Gewissensbissen zerfressenen Kern besaß, war er ein Polemiker erster Güte. Seine Spezialität war es, angriffslustig selbst die glühendsten Überzeugungen zu zerpflücken, ob sie nun politischer oder religiöser Natur waren. Und sobald jemand Anstalten machte, ihm zuzustimmen, konnte er besonders unausstehlich werden – dann wechselte er einfach die Seiten, nur um den anderen zu ärgern. Fiona hat in jenem Sommer mit mir einige Zeit dort verbracht und es geliebt. In Manolos Haus begann ich auch, Literatur tonnenweise zu verschlingen. Er besaß eine herrliche Bibliothek, und dort fiel mir eine Bibel in die Hände, eine großartige alte King-James-Ausgabe.«
Letzteres schien wieder etwas Leben in Wynonas Gesicht zu bringen. »Ich merkte ihm an, wie sehr er sich darüber freute, dass ich mich mit einem Buch beschäftigte, das so wenig zu meinem Alter passte. Er zeigte mir seine Zustimmung mit kleinen Sticheleien und erklärte mir, warum der Text, den ich da las, fehlerhaft und meilenweit von den Originaltexten entfernt war. Das Ganze fiel mit einer Reise zusammen, die Saul – der Poet – und ich nach Paris unternahmen, wo ich einige alte Manuskripte in Augenschein nehmen durfte. Kurz nach unserer Rückkehr nach New York trennten wir uns allerdings. Er war entsetzt über mein Interesse an Hebräisch, einer Sprache, die untrennbar mit seiner Kindheit verbunden war, die er als Albtraum erlebt hatte. Ich wurde an der Columbia promoviert und nahm meine Th. D.-Promotion in Harvard in Angriff. Dort begann ich mit einem Professor auszugehen, der Kurator der Abteilung für griechische und römische Antiken am British Museum war, aber gerade beurlaubt. Wir lebten eine Zeit lang in London zusammen, bis ich mir eingestehen musste, dass er eigentlich schwul war – aber mir wurde auch klar, dass mich Themen faszinierten, die mit seinem Fach zu tun hatten. Schließlich wurde ich als Gaststudentin nach Oxford eingeladen und ging anschließend an die Sorbonne, wie ich Ihnen ja gestern schon erzählte.«
Sie hielt inne, atemlos und von einer Woge des Selbstekels überrollt, und griff nach ihrem Weinglas in der Hoffnung, dass sie nicht rot geworden war. Was mache ich hier eigentlich? fragte sie sich. Bei einem gewöhnlichen Vorstellungsgespräch hätte sie das niemals getan. Dann bestätigte Wynona ihre schlimmsten Befürchtungen, indem sie nämlich nicht auf all das einging, was Laura soeben von sich gegeben hatte.
»Woran werden Sie als Nächstes arbeiten?«, fragte sie.
»Ich habe mich auf eine ganze Reihe von Stellen beworben«, antwortete Laura. »Aber ich habe noch andere Einkünfte, genug, um davon leben zu können, sodass ich noch nicht völlig verzweifelt bin.«
Sie trank erneut einen Schluck Wein – einen großen.
»Und wann genau haben Sie Fiona kennengelernt?«
»Fiona kam auf meine Highschool, nachdem ihre Mutter sich hatte scheiden lassen und für eine Weile nach New York gezogen war. Eine private Mädchenschule namens Chapin. Wir waren in derselben Klasse. Sie hat oft ihre Hausaufgaben bei uns gemacht – unser Apartment lag praktisch gegenüber der Schule.«
»Ah ja. Ich habe sie in dieser Zeit einmal besucht.«
»Und dann, als ich in London lebte, wurden wir gute Freundinnen.«
»Sie haben Ihren derzeitigen Freund erwähnt, glaube ich. Ich möchte nicht vorgreifen, aber würde sich diese Beziehung womöglich als problematisch erweisen im Hinblick darauf, wie lange Sie hierbleiben können?«
Dies war das erste Anzeichen dafür, dass man ihr die ungefragten Enthüllungen über ihr Privatleben vielleicht doch nicht übel nahm.
»Ja, ich habe einen Freund, jemanden, mit dem ich zusammenlebe. Aber das ist kein Problem – keineswegs.«
»Keineswegs.«
»Sagen wir einfach, dass ich im Moment froh bin, hier zu sein und nicht bei ihm.«
»Wie alt sind Sie, Laura?«
»Fünfunddreißig.«
»Und Sie waren noch nie verheiratet?«
»Nein.«
Das Gespräch nahm eine Richtung, die ihr nicht behagte. Hatte sie doch geglaubt, Wynona wären derlei Dinge vollkommen gleichgültig. »Und warum?«
»Vielleicht bin ich zu romantisch?«
»Inwiefern?«
»Ich habe eine feste Vorstellung davon, welche Gefühle ich jemandem gern entgegenbringen würde, bevor ich daran denke, ihn zu heiraten – und das ist mir eben bisher nicht passiert.«
»Noch nicht.«
»Noch nicht. Ja. Genauso ist es.«
»Und wie steht’s mit Kindern?«
»Ich wünsche sie mir nicht dringend genug, als dass ich sie allein großziehen oder mit jemandem bekommen wollte, auf den ich nicht wirklich stehe.«
»Nein. Sehr richtig. Nun, ich wünschte, ich wäre mehr wie Sie gewesen. Vielleicht bin ich ja ein wenig zu früh geboren oder im falschen Umfeld.«
Laura spürte, wie sich ein kleiner Riss in der eleganten Fassade dieser Frau auftat. »Wie hat es Sie eigentlich nach Spanien verschlagen, Winnie? Darf ich Sie tatsächlich so nennen?«
»Ja.«
»Fiona hat erzählt, dass Sie dort viel Zeit verbracht haben.«
»Zunächst einmal bin ich dort geboren.«
»Nun, das reicht ja schon.«
»Ich bin mir sicher, sie hat Ihnen auch den ganzen Rest erzählt. Dass sich meine Mutter mit siebzehn in einen irischen Jungen verliebt hat – einen irisch-englischen, um genau zu sein – und mit mir schwanger wurde, kurz bevor er in den Zweiten Weltkrieg zog. Und noch ehe er etwas Anständiges deswegen unternehmen konnte, hat er sich in Belgien bei der Explosion einer V2-Rakete umbringen lassen.«
»Wie schrecklich.«
Was sie von Fiona wusste, war, dass es nicht irgendein irisch-englischer Junge gewesen war. Sie bewunderte den Stil dieser Frau.
»Und in jenen Tagen waren derlei Dinge viel dramatischer – in sozialer Hinsicht, meine ich –, als sie es heute sind. Jedenfalls ließ mein Großvater meine Mutter per Schiff nach Mallorca bringen. Haben Sie schon einmal von Robert Graves gehört?«
»Ja, natürlich.«
»Sein Vater kannte meinen Großvater, und das Haus der Graves’ auf Mallorca stand zu jener Zeit noch leer. Graves hatte es mit der einen Ehefrau verlassen, als der Spanische Bürgerkrieg begann, und es sollte noch einige Monate dauern, bis er mit einer neuen Ehefrau zurückkehrte. Und so mieteten meine Mutter und eine Tante, die wir alle liebten, das Haus von ihm, und dort kam ich mit Unterstützung einer Hebamme zur Welt, wie bei Chaucer. Als Robert und Beryl eintrafen, bezogen wir unser eigenes Heim gleich gegenüber und verbrachten dort den größten Teil meiner Kindheit. Ich bin in Deià ziemlich wild aufgewachsen, aber von Büchern umgeben, wie Sie bei Ihrem Onkel Manolo. Graves nahm großen Anteil an meiner Erziehung, und so ist also alles recht gut gegangen.«
»Das kann ich mir vorstellen!« Laura fehlten die Worte.
»Dann bin ich auf die Universität von Cambridge gegangen. Eines Sommers traf ich in der Nähe von Cádiz einen Mann, einen Katalanen, der dort im Urlaub war und ein ziemlich guter Kerl zu sein schien, und wir heirateten – ich...