Rhein / Beckmann | Der Werwolf von Münster | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 374 Seiten

Reihe: Geheimpolizist Maler

Rhein / Beckmann Der Werwolf von Münster

Historischer Kriminalroman
2014
ISBN: 978-3-8392-4279-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 1, 374 Seiten

Reihe: Geheimpolizist Maler

ISBN: 978-3-8392-4279-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



1874: Das katholische, vom Kulturkampf zerrissene Münster wird Schauplatz bestialischer Morde. Die preußische Geheimpolizei wittert ihre Chance, den seit Langem verhassten Bischof Brinkmann loszuwerden, da die Verbrechen einen religiösen Hintergrund haben. Der in Münster geborene Geheimpolizist Heinrich Maler wird in seine Heimatstadt zurückgeschickt, um Beweise für eine Beteiligung Brinkmanns „zu finden“. Die Spuren führen zu einer spiritistischen Gesellschaft. Während die preußische Regierung sich einen erbitterten Kampf mit der Kirche liefert, gerät Maler schließlich selbst ins Visier des Serienmörders.

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Kapitel II
Anna konzentrierte sich darauf, die Augen aufzuhalten. Immer wieder senkten sich die Lider vor Müdigkeit. Ihre Beine waren so schwer, dass sie sich die schmale Allee in Richtung ihres Dorfes mehr entlang schleppte denn ging. Sie dachte an die langen Stunden im Haus des Bauern Holtmann und an die komplizierte Geburt zurück. Wäre Anna noch später gerufen worden, sie hätte das kleine Wesen im Bauch der Mutter nicht mehr drehen und gesund zur Welt bringen können. Hiltrud Holtmann war Erstgebärende und es lagen viele schwere Stunden hinter der jungen Bäuerin. Sicher würde das Mädchen nicht das einzige Kind der kräftigen Frau bleiben, dachte Anna. Die Enttäuschung über die Geburt einer Tochter hatte der junge Vater gottlob nur gegenüber seiner Mutter, der alten Frau Holtmann, ausgesprochen. Arme Hiltrud, dachte Anna, die nur zu gut wusste, was der jungen Bäuerin bevorstand. Nicht selten brachten die Frauen auf dem Lande zehn und mehr Kinder zur Welt, oft ohne die Hilfe einer Amme. Denn Kinderkriegen war das Selbstverständlichste auf der Welt, das die Frauen auch schon mal auf dem Feld erledigten. Anna ging über die Allee und musste bei jedem Schritt auf die tiefen ausgefahrenen Schlaglöcher achtgeben. Im dämmrigen Licht des späten Abends galt es aufzupassen. Die alte Bäuerin hatte ihr angeboten, die Nacht auf dem Hof zu verbringen, doch Anna wollte nicht. Ihre Kinder befanden sich alleine zu Haus. Auch wenn Johanna, Annas älteste Tochter, es gewohnt war, auf ihre jüngeren Geschwister Acht zu geben, wollte sie doch so schnell es ging zurück. Der dunkle Weg zu dem kleinen Kotten in St. Mauritz schreckte Anna nicht. Sie dachte darüber nach, welch ein Glück sie hatte, das kleine Haus ihr Eigen zu nennen. Zu Fuß gelangte sie schnell in die Bauernschaften und östliche Außenbezirke von Münster. Und die Frauen dort nahmen gerne ihre Hilfe als Hebamme in Anspruch. Anna dachte an ihre älteste Tochter und lächelte. Vielleicht würde auch Johanna eines Tages Hebamme werden. Vor ein paar Tagen hatte sie gefragt, woher Anna all ihr Wissen über Kräuter und Tees habe. Anna hatte geantwortet, sie habe das uralte Hebammenwissen von ihrer Mutter gelernt. Einer weisen, resoluten Frau, die ihr schon früh beigebracht hatte, wie wichtig das traditionelle Wissen war. Sie hatte in gefährlichen Geburtssituationen immer exakte Anweisungen erteilt. Anna schmunzelte stolz bei dem Gedanken an ihre Tochter. Ein großes selbstständiges Mädchen mit Verantwortungsbewusstsein. Durch den schneidenden Wind schmerzten Annas kalte Wangen. Sie blickte in den Himmel. Dunkle Regenwolken brauten sich dort zusammen. Wenn es zu regnen beginnen würde, wäre sie innerhalb kürzester Zeit bis auf die Haut nass. Anna dachte einen Moment an eine Rückkehr zum Hof der Holtmanns. War dies eine gute Idee? Der Weg zurück war mindestens genauso lang wie der nach Hause. Nein, es war besser weiterzugehen. Sie beschleunigte ihre Schritte voll Vorfreude auf die warme Stube und eine heiße Tasse Tee. Die ersten Regentropfen fielen, als Anna unvermittelt stehen blieb. Im Dickicht meinte sie, etwas gehört zu haben. War da jemand? Wer sollte das schon sein, jetzt, mitten in der Nacht?, beruhigte sie sich. Bestimmt nur ein Reh oder ein Hase. Da war es wieder. Diesmal hörte sie es deutlich und näher. Lauschend blieb sie stehen und versuchte herauszufinden, was das Geräusch verursacht hatte. War es wirklich ein Tier? Der Angriff traf sie völlig überraschend. Ein wuchtiger Schlag gegen ihren Rücken riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Der plötzliche Schock schnürte ihr die Kehle zu. Sie war nicht einmal in der Lage, einen Laut von sich zu geben, so bäuchlings am Boden. Eine riesige Gestalt sprang im nächsten Moment auf ihren Rücken und begann, an ihren Kleidern zu reißen. Mit einem kurzen Blick zur Seite sah sie einen pelzigen Lauf neben sich. Ein Wolf, dachte sie entsetzt. Scharfe Krallen rissen tiefe Furchen in ihren Rücken. Anna schrie nun aus Leibeskräften. Sie wollte sich wehren und um sich schlagen, aber ihre Hände lagen unter ihrem Körper begraben. Sie versuchte sich zu drehen, strampelte mit den Beinen, stemmte keuchend die Füße gegen den Boden, doch der behaarte Körper auf ihr war zu schwer und das Tier hieb seine Klauen immer wieder in ihr Fleisch. Anna roch den bestialischen Gestank des Wolfes, der sich jetzt noch tiefer über sie beugte. Er grub seine Krallen in ihren Körper, wie glühende Messerspitzen zerfetzten sie ihren Rücken. Und dann hörte sie zwischen ihren eigenen Schreien widerliche, saugende Geräusche. Es trank ihr Blut. »Nein!«, flehte sie verzweifelt. Als könnte ihr Kopf sie verteidigen, als könnte er dem Grauen ausweichen, warf sie ihn in panischer Furcht hin und her. Sie musste das Tier von sich abschütteln, musste sich befreien. Es gelang ihr, einen Arm zu lösen. Sie griff nach der Bestie, riss an ihrem Fell und versuchte, um sich zu schlagen und zu kratzen. Anna fühlte, wie eine Pranke ihren Kragen zu fassen bekam. Vor ohnmächtiger Wut spannte Anna immer wieder ihre Muskeln an und weckte ungeahnte Kräfte, um gleich darauf voller Verzweiflung zu spüren, dass sie nicht ausreichten. Voller Angst flehte sie Gott um Hilfe an. Sie biss und kratzte, schlug wild um sich und krallte ihre Fingernägel in das ekelhafte Fell des Tieres, bis die Nägel brachen. Doch das Tier drückte sie mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Unaufhörlich drangen die Krallen in ihr Fleisch und ihr warmes, klebriges Blut vermischte sich mit dem Regen zu einem schaurigen Rinnsal. Schon wollten ihre Kräfte schwinden, da hörte sie Geräusche. Sie kamen vom nahen Prozessionsweg. Pferdehufe, eine knarrende Kutsche, Peitschenknallen. Sie musste lauter schreien, um Hilfe rufen. Es gelang ihr mit einem Ruck, den Kopf zu drehen, und sie brüllte, schrie aus Leibeskräften. Im gleichen Augenblick, als die Wolkendecke aufriss und der Mond auf den Weg schien, sah sie in die Augen des Tieres. Sie spürte einen dumpfen Schlag, dann versank alles in tiefem Schwarz. * Johanna erwachte mit einem Ruck, schweißgebadet aus ihrem Albtraum. Wie spät mochte es sein? Sie blickte zum Fenster in die dunkle Nacht und ihre Hand suchte im Bett neben sich nach ihrer Mutter, doch das Bett war kalt und leer. Wo blieb sie nur so lange? Gab es Probleme bei der Geburt? Johanna versuchte, sich an ihren Traum zu erinnern, doch es gelang ihr nicht. Von ihrem Albtraum blieb nur die unbestimmte Angst, irgendetwas Schreckliches sei geschehen. Ihre Gedanken und Vorstellungen, dass irgendetwas passiert sein könnte, ließen Johanna nicht zur Ruhe kommen. Sie warf sich immer wieder von einer Seite auf die andere. Johanna dachte daran, aufzustehen und nach ihrer Mutter zu suchen, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Jetzt konnte sie nichts tun. Sie musste warten, bis es hell wurde und sie durfte die Geschwister jetzt nicht allein lassen. Widerwillig sank sie auf die Matratze zurück, schloss die Augen und wartete. Ihre Mutter kam und kam nicht. Stunden vergingen. Endlich wurde es draußen hell. Gabriel, der jüngste Bruder, erwachte und Johanna versorgte ihn, während sie die anderen weckte und ankleidete. Dann brachte sie die Kleinen zu den Nachbarn und beschloss, ihrer Mutter entgegenzugehen. Vielleicht dauerte die Geburt immer noch an und sie konnte ihr ein wenig helfen. Wie wunderschön der Tag werden würde, dachte sie in freudiger Erwartung, als sie sich auf den Weg machte. Vom Regen der letzten Nacht waren nur noch die Pfützen auf dem schlammigen Weg übrig geblieben. Durch die Äste der Bäume glitzerten die ersten Sonnenstrahlen. Hinter der Gabelung zum Hof des Bauern Lammerding, an der die große alte Buche stand, führte der Prozessionsweg entlang. Zufällig drehte Johanna den Kopf in Richtung einer kleinen Grasfläche am Wegesrand und erblickte etwas Dunkles, das im hohen Gras lag. Sie verlangsamte ihre Schritte und blieb schließlich stehen. Lag dort auf der kleinen Lichtung ein heruntergefallener Ast? Vorsichtig näherte sie sich. Beim genaueren Hinsehen erkannte sie, dass der Gegenstand zu rundlich für einen Ast war. Langsam ging sie zur Lichtung. Behutsam setzte sie einen Schritt vor den anderen. Angst und Aufregung krabbelten wie Ameisen durch ihren Magen. Die schweißnassen Handflächen streifte sie immer wieder an ihrem Mantel ab. Sie musste einfach nachsehen, was dort lag. Plötzlich stolperte sie. Johannas Herz hämmerte wild und sie schluckte. Was war das? Sie blickte nach unten auf einen schwarzen Gegenstand, der im Gras verborgen gewesen war. Ganz in der Nähe sah sie ein weißes Stück Papier. Vorsichtig stieß sie noch einmal gegen das schwarze Ding und erkannte die Tasche ihrer Mutter. Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als sie voller Grauen erkannte, wen sie dort auf der Lichtung entdeckt hatte. Johanna stürzte zu ihr und sah ihren blutverschmierten Körper. Was um Himmels willen war passiert? Johanna warf sich neben ihrer Mutter auf den Boden, berührte vorsichtig das zur Seite gedrehte Gesicht und fühlte noch etwas Wärme an ihrer Haut. Sie hatte von ihrer Mutter gelernt, dass man an einigen Stellen des Körpers den Pulsschlag fühlen und daran feststellen konnte, ob und wie schnell das Herz schlug. Fieberhaft tastete sie nach der richtigen Stelle am Hals. Johanna wusste, dass sie viel zu aufgeregt war, und zwang sich zur Ruhe, holte mehrmals tief Luft, schloss die Augen und zählte langsam bis drei. Ihre feuchten Fingerspitzen tasteten sich suchend vorwärts, bis sie glaubte, etwas zu spüren. Doch sie konnte den Puls nicht fühlen. Wieder und wieder trocknete sie die schweißnasse Hand an ihrem Rock ab, um erneut nach dem Puls zu tasten, vergeblich. Sie betrachtete das Gesicht der Mutter. Ihre Augen...


Beckmann, Dieter
Maria Rhein arbeitete als Diplom-Designerin in diversen Werbeagenturen und ist seit der Geburt ihrer Kinder als Musik- und Kunstdozentin freiberuflich tätig. Regional machte sie sich einen Namen als Sängerin und Entertainerin. Unter anderem auch mit

Dieter Beckmann, der seine ersten Gedichte und Kurzgeschichten mit 17 Jahren verfasste. Als Musiker veröffentlichte er mehrere Alben. 2005 gewann er mit der Kurzgeschichte „Das Haus des Tagelöhners“ den 2. Platz des Allianzliteraturwettbewerbes. 2009 erschien sein erster historischer Roman.



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