Rezzolla | Die unwiderstehliche Anziehung der Schwerkraft | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 279 Seiten

Rezzolla Die unwiderstehliche Anziehung der Schwerkraft

Eine Entdeckungsreise zu den schwarzen Löchern
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-406-77521-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Entdeckungsreise zu den schwarzen Löchern

E-Book, Deutsch, 279 Seiten

ISBN: 978-3-406-77521-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die unwiderstehliche Anziehung der Schwerkraft reicht weit über unseren Planeten hinaus - bis hin zu dem geheimnisvollen Phänomen Schwarzer Löcher. Der in Deutschland forschende und lehrende Astrophysiker Luciano Rezzolla gehört zu den Ersten, denen es gelungen ist, fotografische Bilder eines supermassiven Schwarzen Lochs zu erstellen.
In diesem Buch nimmt er uns auf eine Reise zu den tiefsten Geheimnissen des Kosmos mit, um das so erstaunliche wie rätselhafte Phänomen der Schwerkraft zu erkunden. Warum fällt ein Apfel vom Baum, anstatt in den Weltraum zu schweben? In der Schule wurde uns beigebracht, dass die Gravitation die Kraft ist, die uns und auch die Dinge an der Oberfläche unseres Planeten festhält, während er um sich selbst und um die Sonne rotiert. Doch unser Köper war mit der Schwerkraft schon lange zuvor vertraut, wie der Klammerreflex zeigt, mit dem das neugeborene Kind auf eine mögliche Bedrohung reagiert. Mit den Jahren lernen wir, mit der Schwerkraft umzugehen, und träumen zuweilen davon, sie zu überwinden. Doch ihre unwiderstehliche Anziehung reicht weit über unseren Planeten hinaus - bis hin zu dem geheimnisvollen Phänomen Schwarzer Löcher, die in ihrer Umgebung eine ungeheure Gravitation erzeugen. Wie ist es möglich, sie zu fotografieren, wenn sie doch per Definition das gesamte Licht einfangen, das auf sie trifft? Mit gesundem Menschenverstand, Talent zur Unterhaltung und so enormer Kenntnis wie Leidenschaft begleitet uns Luciano Rezzolla bei der Entdeckung eines der tiefsten Geheimnisse des Kosmos. Schritt für Schritt nähern wir uns unter seiner Führung der Wahrheit über ein Phänomen, dem nicht nur unser Körper, sondern auch unsere Neugierde nicht widerstehen kann.

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1 Die Schwerkraft … zieht an
Wie schon angedeutet, ist die Überschrift über dieses Kapitel in einem weniger banalen Sinn zu verstehen, als es auf den ersten Blick vielleicht erscheint. Ich möchte nicht schlicht die Existenz einer physikalischen «Kraft» bestätigen, die zwischen zwei mit Masse versehenen Objekten wirkt und dafür sorgt, dass sie sich auch über große Entfernungen hinweg wechselseitig anziehen. Im Gegenteil entdecken wir in Kapitel 3, dass diese Vorstellung, so verbreitet und einleuchtend sie auch sein mag, in Wirklichkeit unzutreffend ist und zumindest teilweise in die Irre führt. Vielmehr hebe ich hervor, dass es etwas – eben die Schwerkraft – gibt, das uns in einem übertragenen Sinn anzieht und vor allem unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Die Gravitation übt nicht nur auf die physischen Objekte, sondern auch auf unsere Vorstellungskraft eine unwiderstehliche Anziehung aus. Sie kann unserer Fantasie radikal neue, bislang völlig ungewohnte Horizonte eröffnen und uns Panoramen erschließen, die sich bis weit über unsere Alltagserfahrung hinaus erstrecken. Aber gehen wir schrittweise vor. Für eine etwas bessere Definition, was Gravitation ist, untergliedere ich die Kenntnis, die wir von ihr haben, oder unseren Bezug zu diesem Begriff, in drei verschiedene Ebenen, die aber miteinander verbunden sind. Im Einzelnen können wir sagen, dass wir von der Schwerkraft eine instinktive, eine rationale und schließlich eine imaginative Kenntnis haben. Schauen wir uns gemeinsam an, worum es sich handelt und wie sich diese Ebenen voneinander unterscheiden. Instinktive Kenntnis
Wie allseits bekannt, ist der Instinkt ein natürlicher und angeborener Antrieb, der ohne das Zutun von Verstand oder Nachdenken ein bestimmtes Verhalten auslöst. Ein Beispiel sind Reaktionen wie die, den Kopf einzuziehen, wenn uns unversehens ein lautes und nicht zuzuordnendes Geräusch erschreckt. So formuliert, ist schwer nachzuvollziehen, wieso wir zur Schwerkraft einen instinktiven oder irrationalen Bezug haben sollen. Und doch ist dem so. Wer einmal mit einem Neugeborenen zu tun hatte, hat vielleicht selbst schon den Moro-Reflex beobachtet, der nach dem österreichischen Kinderarzt Ernst Moro (1874–1951) benannt ist. Dieser zählt zu den wichtigsten Reflexen von Säuglingen und wird ausgiebig dazu genutzt, um die Funktionstüchtigkeit des Zentralen Nervensystems zu beurteilen. Um ihn auszulösen, hebt man das Neugeborene schon wenige Sekunden nach der Geburt in eine waagrechte Lage und lässt es sanft, aber schnell nach unten sinken. Auf diesen «gefühlten» Verlust seines Halts reagiert der Säugling, indem er auf der Suche nach etwas, an dem er sich festklammern kann, die Arme ausstreckt und die Finger ausspreizt, wie Abbildung 1.1 zeigt. Aus medizinischer Sicht ist dieser auftretende Reflex ein wichtiger Hinweis darauf, dass das Zentrale Nervensystem des Neugeborenen physiologisch einwandfrei funktioniert. Deswegen sind wir alle einst dieser Überprüfung unterzogen worden. Wer ihr als Elternteil beigewohnt hat – ich schon dreimal –, kennt sehr gut die sich einstellende Erleichterung, wenn das eigene Kind auf den Reiz richtig reagiert. Abb. 1.1:  Ein Beispiel für den Moro-Reflex: Ein Neugeborenes reagiert instinktiv auf den Verlust des Halts, streckt die Arme aus und versucht, sich an etwas festzuklammern, um seinen Sturz aufzuhalten. Aus anthropologischer Sicht erinnert der Moro-Reflex an unsere Vergangenheit als Primaten, als wir aller Wahrscheinlichkeit nach jederzeit bereit sein mussten, uns an den Schultern unserer Mütter festzuklammern, wenn die Reise weiterging. Aber was hier mehr interessiert, ist die Bedeutung aus physikalischer Sicht. Dass dieser Instinkt schon wenige Sekunden nach der Geburt – wenn wir, noch ganz hilflos, von der Welt um uns herum nichts wissen – in Erscheinung tritt, offenbart tatsächlich etwas Bedeutendes dazu, wie wir auf die Schwerkraft reagieren: Wir sind instinktiv mit ihr vertraut, noch ehe wir mit dem übrigen physischen Universum in eine bewusste Interaktion treten. Nach neun bequem verbrachten Monaten im Mutterleib, in dem wir fast gegen alles abgeschottet waren, können wir urplötzlich auf die Schwerkraft reagieren. Das ist keine Kleinigkeit. Der Moro-Reflex verschwindet nach ungefähr sechs Lebensmonaten. Auch wenn unsere Kenntnis der Schwerkraft teilweise instinkthaft bleibt, verändert sie sich folglich mit der Zeit, wenn wir unsere Fähigkeit weiterentwickeln, das physische Universum zu beobachten und seine Gesetze zu verstehen. Rationale Kenntnis
Je mehr wir unsere Welterfahrung erweitern und unsere geistigen Fähigkeiten verfeinern, desto stärker verschiebt sich unsere Kenntnis der Schwerkraft weg vom Instinktiven hin zum Rationalen. Sie wird zu einem festen Teil der Erwartungen, die wir den Abläufen in der Welt um uns herum entgegenbringen. Klar nachgewiesen wurde dies anhand einfacher visueller Experimente mit Kleinkindern, denen Trickfilme gezeigt wurden. Obwohl manche der kleinen Probanden noch nicht einmal laufen konnten, zeigten sie schon die Fähigkeit, die Bewegung eines dinglichen Objekts so zu interpretieren, dass ein Schwerefeld auf es einwirkt. Das klassische Beispiel ist eine Kugel, die über einen Tisch rollt. Die Kinder reagieren – mit Mimik und Augenbewegungen – unterschiedlich, je nachdem, ob die Kugel, wenn sie den Tischrand erreicht hat, entweder herunterfällt oder ihre Bewegung unverändert fortsetzt oder sogar davonfliegt. Dies bestätigt einmal mehr, wie tief die Kenntnis der Gravitation als einer «Kraft» in unserem Verstand verankert ist. Sie spielt eine grundlegende Rolle bei unserer rationalen Wahrnehmung der Welt, und ebendieser tiefgreifenden Prägung verdankt unser Gehirn seine Fähigkeit, selbst komplexe Probleme, die mit Bewegungsabläufen zu tun haben, in kürzester Zeit – und im Grunde mühelos – zu lösen. Ein einfaches Beispiel ist die Aufgabe, eine Treppe hinabzueilen. Sie stellt Wissenschaftler, die Roboter programmieren, vor größte (und bislang noch unbewältigte) Herausforderungen, aber wir Menschen werden mit ihr fertig, ohne uns überhaupt bewusst mit ihr auseinanderzusetzen. Dabei ist es alles andere als einfach, zu ermitteln, in welcher Abfolge und mit welcher Geschwindigkeit wir die einzelnen Bewegungen ausführen müssen, ohne dass dabei das labile Gleichgewicht zwischen der Gravitation und den verschiedenen anderen einwirkenden Kräften aus der Balance gerät. Und schließlich hat die Schwerkraft noch eine weitere Eigenschaft, über die sich ein Nachdenken lohnt: ihre Fähigkeit, unsere Fantasie zu beflügeln. Imaginative Kenntnis
Wenn klar ist, dass wir von der Gravitation eine zugleich instinktive und rationale Kenntnis haben, dann leuchtet wohl ebenso klar ein, dass sie auch auf unsere Fantasie eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt. Eben weil wir unser gesamtes Leben in einem Schwerefeld zubringen und ihm unterworfen sind, faszinieren uns Szenarien, in denen die Gravitation nur schwach wirkt oder ganz aufgehoben ist. Wer hätte noch nie davon geträumt, sich von einer hohen Felsklippe oder vom Gipfel eines Berges in die Tiefe zu stürzen und … davonzufliegen? Wer hätte sich noch nie vorgestellt, als Astronaut an Bord der internationalen Raumstation oder als Figur in einem Science-Fiction-Film schwerelos dahinzugleiten. Mir passiert dies oft … Mit anderen Worten, die Gravitation zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich und beflügelt unsere Fantasie, gerade deshalb, weil sie die einzige «Kraft» ist, die wir bewusst erleben und von der wir wissen, wie schwierig es ist, uns ihr zu entziehen. Was, wenn nicht die Fantasie, trieb Newton und später Einstein dazu an, die Gesetze, die die Schwerkraft regieren – auf ganz unterschiedlich Art –, zu erklären? Auch wenn es für die gewaltige Anziehungskraft, die die Gravitation auf unsere Fantasie ausübt, vielfältige Beispiele gibt, beschränke ich mich auf ein einziges, das ich repräsentativ und leicht nachvollziehbar finde. 2013 drehte der Regisseur Alfonso Cuarón den Film mit dem symbolträchtigen Titel Gravity. In den annähernd zwei Stunden, die er dauert, ist von nichts anderem als von der Schwerkraft oder, besser, von deren Abwesenheit die Rede. Aber nur wenige wissen, dass Gravity unter den im Herbst herausgekommenen Filmen am ersten Wochenende einen neuen Einnahmenrekord aufstellte. Selbst wenn...


Luciano Rezzolla in Mailand geboren, lehrt Theoretische Physik an der Universität Frankfurt. Er war federführend an der ersten fotografischen Aufnahme eines schwarzen Lochs beteiligt, die 2020 vorgestellt wurde. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, darunter des Wissenschaftspreises der Frankfurter Physik (2019) und der Einstein-Medaille (2020).



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