E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Reihe: MVG Verlag bei Redline
Reysen-Kostudis Leichter lernen
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86415-227-6
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für ein erfolgreiches Lernmanagement in Studium und Beruf
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Reihe: MVG Verlag bei Redline
ISBN: 978-3-86415-227-6
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Brigitte Reysen-Kostudis stellt nicht nur effiziente Lernmethoden vor, sondern erläutert auch die Funktionsweise des Gehirns und klärt über das Wesen des Lernens auf. Was in Seminaren mit Studenten bereits erfolgreich erprobt wurde, stellt die Autorin nun in einer gelungenen Kombination aus Theorie und praktischen Arbeits- und Lernmethoden einem breiten Publikum vor.
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2. LEICHTER UND EFFIZIENTER LERNEN – ABER WIE?
Effektive Lernstrategien und Arbeitsmethoden sind die Voraussetzung dafür, die Anforderungen des Studiums zu erfüllen und damit die eigenen Kompetenzen zu steigern. Bevor wir auf einzelne Techniken eingehen, lassen Sie uns einen kleinen Abstecher in Ihr Gehirn unternehmen, um herauszufinden, was dort beim Lernen eigentlich geschieht. Zurzeit herrscht hier wahrscheinlich Hochbetrieb: Sie haben das Buch aufgeschlagen und schauen auf die Seite. Über die Sehnerven gelangen die Informationen, in diesem Fall die Wörter, ins Verarbeitungszentrum des Gehirns. Dort werden sie mit dem bereits vorhandenen Wissen verglichen und bewertet. Aus einer Anreihung von Wörtern entsteht so eine Bedeutung – und letztendlich Wissen. Auf diesem Weg werden Sie zahlreiche Einschätzungen vornehmen: Wie gefällt Ihnen das, was Sie gerade lesen, ist es interessant oder eher langweilig? Haben Sie das alles schon lange gewusst, oder handelt es sich um neue Informationen? Hier reagiert Ihr Gehirn nicht mehr auf äußere Reize, sondern kommuniziert sozusagen mit sich selbst. Abgrenzungen und Bewertungen werden vorgenommen, Konstrukte gebildet, die Ihnen am Ende bei der Entscheidung helfen, was Sie in Ihre Wissensnetze aufnehmen und was Sie wieder vergessen werden.
Durch die Ergebnisse der Hirnforschung ist es heute möglich, den Prozess der Aufnahme, Verarbeitung und Abspeicherung von Informationen recht detailliert darzustellen.
Ein Blick ins Gehirn
Unser Gehirn ist hauptsächlich aus zwei Zelltypen aufgebaut: den Nervenzellen (Neuronen) und den Gliazellen, wobei letztere in erster Linie Versorgungs- und Unterstützungsfunktionen für die Nervenzellen erfüllen. Neuronen bestehen aus einem Zellkörper, von dem eine Reihe von Verästelungen abgehen, die Dendriten. Außerdem hat jeder Zellkörper einen langen Fortsatz, das Axon. Mehrere Axone bündeln sich zu Nerven, die sich über den ganzen Körper verteilen, sodass ein weit verzweigtes System zentraler und peripherer Nervenverbände entsteht.
Informationen aus der Umwelt werden zunächst durch Sinneszellen aufgenommen und dann ins Nervensystem weitergeleitet. Hat ein Neuron über den Zellkörper oder die Dendriten den Impuls einer anderen Zelle aufgenommen, bildet es ein Aktionspotenzial, das sich als elektrische Erregung auf das gesamte Axon ausweitet. Dieses besitzt an seinen Enden Verdickungen, die mit anderen Zellkörpern und Dendriten in Verbindung treten können. Das geschieht aber nicht auf unmittelbarem Wege. Vielmehr wird die elektrische Ladung in chemische Reaktionen umgewandelt. An der Verbindungsstelle, der Synapse, werden chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, ausgeschüttet, die auf die benachbarten Nervenzellen einwirken und so den Impuls weitergeben. Der Austausch unter den Neuronen geschieht allerdings nicht nur über die Synapsen. Seit einiger Zeit weiß man auch von kleinen Kanälen zwischen den Nervenzellen, den gap junctions. Über diese Verbindungswege können die Informationen noch schneller und direkter weitergeleitet werden. Neuronen arbeiten nicht isoliert, sondern operieren in Zellverbänden. Die Art der Aktivierung oder Hemmung mehrerer Nervenzellen erzeugt während der Bearbeitung ein neuronales Muster. Werden diese Muster schließlich dauerhaft im Gedächtnis abgespeichert, bezeichnet man sie als Engramme.
Unser Gehirn besteht aus zirka 20 Milliarden Neuronen, die fast alle schon bei der Geburt vorhanden sind. Das Gehirn eines Kindes ist allerdings wesentlich kleiner als das eines Erwachsenen – was ist geschehen? Die Zunahme an Volumen und Gewicht geschieht durch den Ausbau der Nervenverbindungen. Diese sind bei der Geburt noch schwach ausgeprägt, was sich jedoch schon in den ersten Lebensjahren rasch ändert. Kinder lernen jeden Tag und bauen dabei ihre neuronalen Netze aus. Bis zur Pubertät hat jede einzelne Nervenzelle Verbindungen zu anderen Zellen aufgebaut. In manchen Fällen steht eine Zelle mit bis zu 10.000 anderen im Kontakt. Durch fortlaufendes Training werden die Axone immer dicker und leistungsfähiger, bis sie schließlich Informationen 30- bis 40mal schneller weiterleiten können als zum Zeitpunkt der Geburt. Auch das Netz der Dendriten vermehrt sich und bildet neue Verzweigungen. Es kommt jedoch nicht nur zum Ausbau neuronaler Bahnen. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich Nervenzellen auch bei Bedarf neu bilden. Das Gehirn bleibt also zeitlebens ausbaufähig und kann sich den Anforderungen der Umwelt anpassen – eine Eigenschaft, die als Neuroplastizität bezeichnet wird.
Für die Informationsaufnahme, die Verbindung zwischen Sinneszellen und Neuronen, stehen 2,5 Millionen Nervenfasern bereit; davon sind allein eine Million für jedes Auge zuständig, was die Dominanz der visuellen Wahrnehmung unterstreicht. Spitzer vergleicht die Leistungsfähigkeit des Gehirns mit der eines Computers: Über die Neuronen können wir neue Informationen mit einer Kapazität von 100 Megabyte pro Sekunde aufnehmen. Der Output, die Weiterleitung vom Gehirn zu anderen Zellen, um zum Beispiel eine geplante Bewegung auszuführen, ist mit rund 50 Megabyte pro Sekunde nicht minder beeindruckend. Unser Gehirn arbeitet also informationstechnisch wie ein Mega-Prozessor. Das sind Höchstleistungen, aber es kommt noch besser. Denn nur eine von zehn Millionen Nervenverbindungen hat Kontakt mit der Außenwelt, die restlichen ermöglichen Kommunikationsprozesse der Neuronen untereinander. Dabei kristallisieren sich recht bald individuelle Vorlieben bei der Informationsbearbeitung heraus: Manche Wege werden häufiger genutzt als andere. Während Verbindungen, die nur selten oder nie genutzt werden, allmählich verkümmern, werden andere, oft genutzte Wege weiter ausgebaut und bilden deutliche Spuren im neuronalen Netz. Durch häufiges Nachziehen dieser Spuren, zum Beispiel durch Übung und Wiederholung, verfestigen sich diese Wege. Auf diese Weise wird nicht nur Wissen fest verankert, sondern es kommt auch zum Entstehen von Gewohnheiten.
Hauptaufgabe des Gehirns ist also die interne Informationsverarbeitung. Dabei hat es einen enormen Energiebedarf: Mit einem Anteil von nur zwei Prozent am Körpergewicht verbraucht es zirka 20 Prozent der körpereigenen Energie. Das bedeutet viel Arbeit für eine kleine Nervenzelle! Aber sie bekommt auch Hilfe: Jedes Neuron besitzt zirka zehn der schon oben erwähnten Gliazellen, die es versorgen und unterstützen.
Die interne Informationsverarbeitung spielt sich vor allem in zwei Gehirnregionen ab: der Großhirnrinde (Isocortex) und dem limbischen System. Der Isocortex wird in vier Lappen unterteilt: einen Hinterhauptlappen (lobus occipitalis), einen Schläfenlappen (lobus temporalis), einen Scheitellappen (lobus parientalis) und einen Stirnlappen (lobus frontalis). In den sechs Schichten dieser Cortexbereiche werden all unser Wissen und unsere Erfahrung abgespeichert. Die Entscheidung darüber, welche Informationen behalten und welche verworfen werden, entsteht im Zusammenspiel zwischen abgespeichertem Wissen in der Großhirnrinde, Plänen und Bewertungen aus den präfrontalen Regionen und unserem limbischen System. Hier ist nicht nur der Sitz unserer Emotionen, sondern von hier aus steuert auch der Hippocampus den weiteren Bearbeitungs- und Abspeicherungsprozess. Jede Information wird eingehenden Prüfungen unterzogen: Ist es wirklich das, was gesucht wird? Passt es zu den eigenen Zielvorstellungen und Werten? Und wenn ja – wo kann es am besten untergebracht werden? Beeinflusst werden diese Entscheidungen in sehr hohem Ausmaß von gefühlsmäßigen Bewertungen. Gelingt es, die Informationen mit positiven Emotionen zu verbinden, geht das Bearbeiten schneller und leichter. Aber nicht nur das: Emotional besetzte Inhalte werden auch viel besser erinnert als „neutrale“ Daten. Die Gefühle bergen jedoch auch Gefahren, können zu Fehleinschätzungen führen oder auch – im Falle negativer Emotionen wie Angst oder Stress – Lernprozesse blockieren. Nichtsdestotrotz ist gerade dieser Austauschprozess das Einzigartige an der Informationsverarbeitung des menschlichen Gehirns.
Rechte und linke Gehirnhälfte
Von oben betrachtet besteht das Gehirn aus zwei gleichen Teilen. Beide Hälften sind über ein Bündel von 200 bis 300 Millionen Nervenfasern miteinander verbunden, dem so genannten Balken (Corpus callosum). Bei der Informationsaufnahme und Bearbeitung steht jede Hälfte für unterschiedliche Herangehensweisen. Die rechte Gehirnhälfte, auch rechte Hemisphäre genannt, ist die Heimat der Bilder, Formen und Muster. Sie arbeitet oft sprunghaft und intuitiv, hat das Gesamte im Auge und verliert sich nicht im Detail. Statt der Unterschiede beachtet sie die Gemeinsamkeiten und Verbindungen. Sie steht auch für Kunst, Musik, Kreativität und Phantasie. Die linke Hemisphäre ist der Sitz der Sprache und des logischen Denkens.
Sie sucht nach Ursache-Wirkung-Prinzipien und arbeitet linear, am liebsten Schritt für Schritt. Diese Hälfte steht unter anderem für Naturwissenschaften.
Linke Gehirnhälfte | Rechte... |