E-Book, Deutsch, Band 065
Reihe: ApeBook Classics
Reymont Der Vampir
Neuausgabe in ursprünglicher Übersetzung des originalen und ungekürzten Textes 2019
ISBN: 978-3-96130-161-4
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein spiritistischer Roman
E-Book, Deutsch, Band 065
Reihe: ApeBook Classics
ISBN: 978-3-96130-161-4
Verlag: apebook Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zenon wird von seinem Freund Yoe dazu gebracht, an einer spiritistischen Sitzung teilzunehmen. Damit betritt er eine Welt aus Okkultismus, spirituellen Weisheiten und unerklärlichen Phänomenen. Bald befindet er sich selbst auf der schmalen Linie zwischen esoterischer Wahrheitssuche und absurdem Wahnsinn. Der polnische Literaturnobelpreisträger Wladyslaw Reymont (1867-1925) inszeniert seine Vampire nicht als Blutsauger im eigentlichen, sondern im metaphysischen Sinne. Sie rauben ihren Opfern den eigenen Willen und ihre Seele. Das Werk zeichnet sich vor allem durch seine dichte Atmosphäre aus, die den Leser von Beginn an fesselt und in ein nebelverhangenes, spiritistisches London des 19. Jahrhunderts entführt. Der Umfang dieses eBooks entspricht ca. 320 gedruckten Seiten. ÜBER DIE BUCHREIHE Die ApeBook Classics erwecken berühmte und auch weniger bekannte Meisterwerke der Weltliteratur zu neuem Leben in digitalem Format. Dadurch werden auch zu Unrecht beinahe in Vergessenheit geratene Werke für das kulturelle Gedächtnis bewahrt. apebook hält die höchsten Standards in der eBook-Produktion ein und bietet Ihnen qualitativ hochwertig und ästhetisch ansprechend aufbereitete Klassiker zu einem fairen Preis. Geben Sie sich nicht mit billigen und lieblosen Versionen zufrieden, wenn Sie gute Literatur lieben, sondern entscheiden Sie sich für preisgünstige, aber schöne Ausgaben aus einem echten Verlag. Mit den ApeBook Classics erhalten Sie professionell erstellte eBooks, die den literarischen Wert ihres Inhalts durch eine entsprechende Gestaltung würdigen. Suchen Sie nach weiteren Titeln der ApeBook Classics, um Ihre digitale Bibliothek aufzubauen, indem Sie in das Suchfeld 'apebook' eingeben. Ausgewählte Titel bietet apebook übrigens zugleich auch als Taschenbuch-Ausgabe an. Und last but not least: apebook unterstützt die Umweltorganisation 'Rettet den Regenwald e. V.'. Indem Sie die Bücher aus unserem Shop kaufen, tun Sie das auch. Einen kompletten Überblick über das Verlagsprogramm erhalten Sie unter: www.apebook.de
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Erstes Kapitel
Alle Lichter waren erloschen, nur durch die Fensterscheiben schimmerte in einer grünlichen Kristallkugel ein kaum sichtbares, scheues Flämmchen, wie ein Glühwürmchen in dunkler Nacht. – Ganz plötzlich trat Stille ein, eine Stille voll quälender Erwartung. Sie saßen da, lauernd, in sich versunken, wie tot, voll peinigender Unruhe und voll eines kaum zu zähmenden Erzitterns der Angst. Die Zeit floß langsam dahin, in erschreckendem Schweigen, in der lähmenden, entsetzlichen Stille banger Vorahnungen; nur hin und wieder hörte man in der Dunkelheit mühsam unterdrückte Seufzer, oder die Diele knarrte, daß sie heftig zusammenschraken; dann wieder summte etwas Undefinierbares um ihre Köpfe, wie der Flug eines Vogels, schwirrte im Zimmer umher und kühlte mit eisigkaltem Hauch ihre erhitzten Gesichter, um schließlich im nebligen Dunkel, leise weinend gleichsam, zu ersterben … Und wieder verflossen lange Augenblicke, eine Ewigkeit, Augenblicke quälenden Schweigens und der Erwartung. Plötzlich erbebte der Tisch, geriet in gewaltsam schaukelnde Bewegungen, erhob sich in die Luft und sank dann ohne jedes Geräusch wieder auf den Boden. Ein eisiger Schauer erschütterte die Herzen … Einer schrie auf … ein andrer schluchzte nervös… wieder ein andrer sprang empor, als wolle er fliehen. Der heiße Hauch der Angst war im Dunkel verweht und vergrub sich mit einem schmerzhaft marternden Beben in die Seelen; doch bald war alles erloschen, unterdrückt durch das schreckliche Verlangen nach Wundern. Ein Wunder erflehten ihre Angstgefühle und ihre Seelen, die, wie auf die Folterbank gespannt, in schmerzlicher Sehnsucht bebten. Das Schweigen wurde noch tiefer, man hielt den Atem an, dämpfte das ängstliche Schlagen der Herzen, spannte alle Willenskraft, um nicht zu erzittern, nicht zu flüstern, noch sich zu bewegen, um nicht einmal aufzuschauen und in einer Stille zu erstarren, so tief, daß das leise Ticken einer Uhr an den Herzen bohrte, mit unaufhörlichem Ticktack, und in den Schlafen hämmerte mit schweren Hämmern. Ein dumpfes, klagendes, verwehendes und fernes Schäumen, wie das Schäumen der Meeresflut, brauste eintönig hinter den Fenstern, der Regen schlug unaufhörlich an die feuchtgrauen Scheiben, ließ sie leise erklingen, floß an ihnen in langen Perlenketten herab und flüsterte wie im Traume, flüsterte bang; der Wind zerrte an den Laden und sank mit unterdrücktem klagendem Schrei wie tot an den Mauern herab. Und Bäume, die aussahen wie Wolkenfetzen, blinde, stumme Bäume neigten sich still zu den Fenstern, bebten als kaum faßbare Schatten, – wie ein Traum, dessen man sich nicht mehr erinnern kann, und verschwanden im Nebel wie ein Traum. Und das Zimmer war immer noch dumpf, stumm und abgrundtief, nur das grünliche Flämmchen zitterte unaufhörlich, gleich einem Stern, der sich in einem schwarzen, tiefen See widerspiegelt; oder irgendein Blick flammte plötzlich auf und erstarb gleich wieder im trüben Dunkel, das voll war von unfaßbarem Beben, unfertigen Bewegungen, beunruhigendem Zittern, ersterbendem Flüstern, verglimmendem Schillern und einer kauernden, fröstelnden Angst. Der Tisch riß sich wieder unter den Händen los, stieß die Sitzenden auseinander, erhob sich gewaltsam und fiel mit lautern Gepolter auf seinen Platz zurück… Die Kette der Hände wurde unterbrochen, Schreie wurden laut, jemand sprang seitwärts, zum Licht. „Still! … Auf die Plätze! … Still!“ ertönte eine befehlende Stimme. Die Hände verflochten sich wieder zu einer unzerreißbaren Kette, alle verstummten plötzlich, doch niemand mehr vermochte das nervöse Zittern zu unterdrücken, die Hände bebten, die Herzen pochten, und die Seelen durchwehte ein Sturm heiliger Angst; man neigte sich über den Tisch, wie über ein unerklärliches, geheimnisvolles Wesen, dessen kleinste Bewegung ein sichtbares, lebendiges Wunder wäre. Yoe, der den Vorsitz führte, begann ein Gebet zu flüstern, und nach seinem Beispiel begannen sie mit bebenden Lippen die Worte nachzusprechen, immer schneller, immer stärker, daß das Dunkel erfüllt wurde von leidenschaftlichem, gleichsam aus dem Herzen, aus der Tiefe verblendeter Seelen gerissenem Geflüster… Glühend waren ihre Worte in ihrem Verlangen, ihrer Sehnsucht nach dem Wunder. Plötzlich ertönten aus dem anderen Zimmer oder aus irgendeiner Tiefe hervor die gedämpften Klänge eines Harmoniums. Das Jammern erstarb in den gepreßten Kehlen, die Seelen verfielen in traumhafte Schauer, wie vor dem Tode; denn niemand hatte diese Musik erwartet, niemand wußte, woher diese Töne kämen, niemand war sich klar darüber, ob das wirkliche, lebendige Töne wären, oder nur eine süße Täuschung. Sie sanken mit der Brust auf den Tisch, denn niemand mehr hatte Kraft, sie hielten sich krampfhaft an den Händen, hatten Angst davor, einander loszulassen, hatten Angst, in die Einsamkeit zu versinken … sie drängten sich mit den Schultern fester aneinander und vertieften sich zusammengedrängt, zitternd in diese wundersamen Töne, die wie ein liebkosender Wind über die Saiten einer unsichtbaren Harfe dahinglitten. Und so sehr vergaßen sie alles, daß niemand wußte, ob dies nun Wirklichkeit oder nur ein zauberschöner Traum wäre. Und die Musik füllte das Dunkel mit dem Opferbeben eines inbrünstigen Gebetes, mit dem Tau silberheller Töne, dem Hauch einer so süßen Melodie, daß die Seelen in seligkeittrunkne Träume versanken, gleich den Blumen in einer Mondnacht. Und die Musik ließ ein feierliches, gewaltiges, weithinschallendes Lied ertönen, als sänge die ganze Welt. Und mit dem Schrei der Seele, die im Weltall irrt, schluchzte sie traurig. Und sie erhob sich höher, – bis zu den Hymnen seliger Verzückung und in die Fernen einer Sehnsucht, als wäre sie die Emanation eines neuen Seins, das aus dem Geheimnis und der Sehnsucht geboren wird. Noch waren die Menschen im Banne der Töne, noch wiegten sich die Seelen im Rhythmus der leise ersterbenden Klänge, als die Tür des Vorzimmers weit aufging, ein breiter Lichtstreifen über den Fußboden fiel und auf der Schwelle eine hohe leuchtende Gestalt erschien. Sie sprangen von ihren Plätzen empor, doch ehe noch einer zu schreien vermochte, bewegte sich jene Gestalt und schritt langsam über den Lichtstreifen daher. Sie ging steif und schwer, mit ausgestreckten Armen, jeden Augenblick stehenbleibend und sich leicht wiegend. Die Tür schloß sich ohne Geräusch, und wieder herrschte tiefes Dunkel. „Wer bist du?“ so erzitterte eine gepreßte Frage. „Daisy,“ erklang ein Flüstern, das nichts Körperliches mehr an sich hatte. „Wirst du lange bei uns verweilen?“ „Nein … Nein.“ „Wo ist dein Körper?“ „Dort … Im Zimmer … Ich schlafe … Du riefst … Ich kam … Guru …“ Das Flüstern verwirrte sich und wurde so leise, daß nur klanglose abgerissene Töne in der Dunkelheit wisperten … Mr. Yoe drückte auf den Knopf, und das ganze Zimmer wurde von elektrischem Licht überflutet. „Daisy!“ schrie einer, ihr nachstürzend, blieb aber plötzlich stehen, wie vom Blitz getroffen, denn sie hatte ihm ihr blindes Gesicht zugewendet und versuchte etwas zu sagen, ihre Lippen bewegten sich. „Nein, nein, Daisy … Dieselbe und doch fremd, eine andere zugleich.“ Er neigte sich verwundert vor und umfing mit lauerndem, ängstlichem Blick ihr Gesicht und ihre ganze Gestalt … „Dasselbe Gesicht, und doch die Züge anders, fremd … Fremd … Daisy! Nein … Nein …“ schrie es in ihm; das Erstaunen und die Erinnerung verflochten sich in seinem Hirn mit dem Blitzen des Wahnsinns, der Angst und eines grauenhaften Entsetzens. Er verstand nichts, er konnte diesen wunderlichen Wechsel nicht verstehen, es schien ihm, daß er tief träume, daß ein Spiegelbild Daisys vor ihm stehe und bald zerfließen würde, verschwinden wie eine Erscheinung, sofort … Er schloß die Augen und öffnete sie gleich wieder, aber Daisy stand an der alten Stelle, sie war da, er sah sie in den kleinsten Einzelheiten: da wich er plötzlich zurück, denn sie schaute ihn mit einem traurigen, abgrundtiefen, fremden Blick an, der so schrecklich war, daß er tief, auf den tiefsten Grund der Angst, hinabstürzte. Alle standen in der gleichen eisigen Erstattung da. Mr. Yoe aber näherte sich Daisy ängstlich und berührte mit den Fingern ihre Augenlider, – sie zuckten heftig und sanken dann schlaff herab. Dann berührte er der Reihe nach ihre Schläfen, ihre Hände, ihre Arme, machte einige Striche über ihrem Kopfe, trat zurück und sagte befehlend: „Komm!“ Sie rührte sich nicht von der Stelle. „Komm!“ rief er fester, langsam zurückweichend, doch ohne seinen Blick von ihr zu lassen … Sie zuckte plötzlich und begann, als koste es sie viel Mühe, sich von dem Fußboden loszureißen, ihm nachzugleiten, mit steifen automatischen Bewegungen, in die Tiefe des benachbarten Zimmers hinein, das hell erleuchtet war … Niemand hatte sich während dieser Zeit bewegt, noch lauter geseufzt, noch auch nur gezuckt; alle Augen folgten ihr. Mr. Yoe nahm sie bei der Hand und führte sie zu einem großen Sofa, das mitten im Zimmer stand; auf dieses fiel sie kraftlos hin. „Kannst du sprechen?“ fragte er und neigte sich über sie. „Ich kann …“ „Bist du Daisy selbst?“ „Frage nicht …!“ „Stört vielleicht jemand von uns?“ „Nein … Nein … Was könnte den Willen des ‚A‘ stören!“ sagte sie. Sie sprach mit einer Stimme, die nicht ihre Stimme war, sondern fremd war und manchmal, als käme sie aus einem...