E-Book, Deutsch, Band 1, 340 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
Revers Schlaf schön
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95441-547-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eifelkrimi
E-Book, Deutsch, Band 1, 340 Seiten
Reihe: Frederike Suttner
ISBN: 978-3-95441-547-2
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn es für immer Nacht wird ...
Der erste Fall für Frederike, die "Eifeler Miss Marple"!
"Hast du schon gehört? Änne ist tot!" – Bei der wöchentlichen Kirchenchorprobe ist die Aufregung groß. Eigentlich wollte Frederike Suttner, die pensionierte Kriminalkommissarin, gemeinsam mit ihrem Kater den Ruhestand in der beschaulichen Eifel genießen. Doch zwischen Chorproben, Beerdigungen und Gartenarbeit stolpert sie unversehens über eine Reihe mysteriöser Todesfälle. Dass alte Menschen sterben ist nichts Neues, aber so viele …
Der Instinkt der ehemaligen Mord-Ermittlerin ist geweckt, und unterstützt von ihrer alten Freundin Klara und ihrer Nichte Angela versucht sie, Licht in das Dunkel zu bringen. Doch das Sterben geht weiter. Frederike sucht fieberhaft nach einem Muster und bringt sich selbst damit in tödliche Gefahr ...
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2. Kapitel
Es nieselte. Das richtige Wetter für eine Beerdigung, dachte Frederike. Sie fuhr mit dem Kamm durchs strubbelige Haar und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel: ein rundes Gesicht mit rötlich-grauem Wuschelkopf, leicht geröteten Wangen und blitzenden grauen Augen, zweiundsiebzig Jahre Lebenserfahrung, die sich in kleinen Fältchen und Runzeln niederschlug. Sie gefiel sich immer noch ganz gut, wenn sie auch sonst ihrem Äußeren kaum Aufmerksamkeit schenkte. Mit dem schwarzen Trenchcoat war sie wohl angemessen gekleidet. Der Chor würde in der Kapelle zu Ehren von Änne ihr Lieblingslied singen. Die Himmel rühmen. Ausgerechnet! Sie seufzte, ein letzter Blick in den Spiegel. Los ging’s. Frederike betrat die Kapelle und stellte sich zu ihren Sangesschwestern. Was für ein dämliches Wort! Alle wirkten angespannt und traurig. Die Beerdigung war gut besucht, denn Änne hatte ihr ganzes Leben hier in diesem Dorf verbracht und war in der Gemeinde beliebt gewesen. Zudem boten Beerdigungen im dörflichen Umfeld eine gewisse Attraktion. Da ging man einfach mit, fürs letzte Geleit, weil es sich so gehört, weil es immer so war. Interessiert betrachtete Frederike die beiden Töchter von Änne, die mit ihren Familien einschließlich Kindern und Enkeln erschienen waren. Alle in schwarzer Kleidung, mit ernsten Gesichtern und leisen Stimmen. Hier war echte Trauer spürbar. Und auch eine gewisse Fassungslosigkeit. Trotz des hohen Alters von Änne hatte anscheinend keiner, der sie kannte, mit ihrem plötzlichen Ableben gerechnet. Nach der Beerdigungszeremonie verliefen sich die Besucher, nur ein harter Kern von Verwandten und Freunden, zu denen natürlich auch der komplette Kirchenchor gehörte, sammelte sich, um gemeinsam in der örtlichen Dorfkneipe, in der man sonst probte, bei Kaffee und Kuchen gemeinsam weiterzutrauern. Wie schon oft von Frederike beobachtet, veränderte sich die Stimmung der Beerdigungsteilnehmer nach und nach. Es wurde lauter, man begrüßte alte Bekannte und Verwandte und schwelgte in Erinnerungen. Der Kaffee floss in Strömen, und Butterkuchen mit Streusel bot die kohlehydrathaltige Basis für Loslassen und Lebensmut. Das Leben ging schließlich weiter. Nirgendwo spürte Frederike den Lauf des Lebens deutlicher als bei solchen Beerdigungsritualen. Deshalb hielt sie nichts von anonymen Urnenbegräbnissen. Da war sie ganz traditionell. Zum Abschiednehmen gehörten eine Aufbahrung im Sarg, eine Messe und der Beerdigungskaffee. Haken dran und weitermachen. So hatte sie es immer gehalten. Bei ihrer Arbeit bei der Mordkommission hatte ihr der Tod oft näher gestanden als das Leben. »Was bist du so gedankenverloren?«, fragte Grete sie von der Seite. »Willst du noch einen Kaffee?« »Gerne.« Frederike schob ihr die Kaffeetasse hin. »Ist aber nur der koffeinfreie.« Grete kicherte. »Anscheinend gönnt man uns in unserem Alter die volle Dröhnung nicht mehr.« Frederike runzelte die Stirn. Da machte die Plörre ja überhaupt keinen Sinn. Doch dann winkte sie ab. »Schütt rein. Zumindest ist er heiß. Es hat heute tüchtig abgekühlt. Ich bin ganz durchgefroren von dem Nieselregen.« Elsbeth drängte sich mit auf die Bank und hob Grete die Kaffeetasse entgegen. »Ooh, wat usselich. Ich hoffe ja, dass es bei meiner Beerdigung schönes Wetter gibt. Da bleiben die Leute wenigstens noch ein bisschen auf dem Friedhof und leisten mir Gesellschaft.« »Bei mir soll’s richtig regnen«, entgegnete Grete fröhlich. »Der Himmel soll weinen.« »Ganz großes Kino!«, kommentierte Frederike. »Habt ihr sonst keine Sorgen?« Doch Elsbeth ging gar nicht auf die Kritik ein, sondern quatschte munter weiter. »Letzte Woche war ich bei Kurt Weiler auf der Beerdigung. Strahlender Sonnenschein. Da kamen die Blumengestecke ganz anders zur Geltung.« »Habt ihr den Kranz vom Kirchenchor gesehen? Rote und weiße Nelken. Das sah aus wie ein Fan-Schal von Bayern München«, mischte sich Eva Kuchen kauend ins Gespräch ein. Grete lachte auf. »Den hat ja auch Norbert in der Gärtnerei bestellt. Für den gibt es keine anderen Farben.« »Na, dann können wir froh sein, dass nicht Johann unser Vorstand ist. Bei ihm als überzeugten Borussia-Dortmund-Fan hätte der Kranz schon ziemlich merkwürdig ausgesehen.« Elsbeth schüttelte den Kopf. »Letzte Woche bei Trudchen hatte jemand ein Gesteck gestiftet mit Sommerblumen: roter Mohn, weiße Margeriten und blaue Kornblumen. Das war so schön – das hätte ich am liebsten vom Grab geklaut.« Frederike musterte sie. »Ist das ein Hobby von dir? Beerdigungen?« Grete kicherte. »Nein, aber Kuchen essen.« Doch Elsbeth wurde plötzlich ernst. »Die Einschläge kommen näher. Im letzten Monat war ich auf drei Beerdigungen. Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn rundherum die Nachbarschaft ausstirbt.« »Sag so was nicht.« Eva schauderte. Doch Frederike zuckte mit den Schultern. »Wir haben alle ein Verfallsdatum. Und das ist auch gut so. Stell dir vor, wir würden alle hundertzwanzig.« Sie schüttelte sich. »Nee, so alt will ich gar nicht werden«, bemerkte Grete. »Aber doch neunzig. Ich will ja was haben von Rudis Rente.« Grete hatte nach dem Tod ihres Mannes eine Vorliebe für Gruppenreisen und Kaffeefahrten entwickelt. »Solange man noch fit ist, ist Alter kein Problem.« Damit war der Einstieg gegeben in einen durchaus deprimierenden Austausch über typische Altersgebrechen und Krankheitssymptome. Leichenschmaus, dachte Frederike, was für eine dämliche Bezeichnung für eine solche »After-Show-Party«. Sie blieb noch rund ein Stündchen und verdrückte sich dann unter Beileidsbekundungen an die engsten Verwandten. Auf dem Heimweg verspürte sie eine leichte innere Unruhe. Etwas hatte sie angerührt. Vielleicht war es die Fassungslosigkeit von Ännes Töchtern ob des plötzlichen Todes der Mutter, die sie an die eigene Fassungslosigkeit erinnert hatte, als plötzlich ihre Schwester und ihr Schwager bei dem Unfall »tot geblieben sind«. Auch so eine merkwürdige Formulierung. Wäre es besser, wenn die Betreffenden nicht tot blieben – der Beginn einer Zombieapokalypse? Vielleicht war es aber auch die Häufung der Beerdigungen, von denen Elsbeth berichtet hatte, die sie irritierte. Irgendetwas hatte auf jeden Fall ihren Instinkt geweckt. Am anderen Morgen stand Frederike schon früh auf. Die Knochen knackten beim Aufrichten, und sie brauchte einige Schritte, bis wieder alles rund lief. Sie seufzte. Ans Altwerden würde sie sich nie gewöhnen. Hannelore strich um ihre Beine und maunzte auffordernd. Anscheinend brauchte er gerade seine Schmuseeinheiten; er war daran gewöhnt, dass sie alles stehen und liegen ließ, um ihm zu Willen zu sein. Sie beugte sich über ihn und kraulte ihn hinter den Ohren. Die gebückte Haltung tat ihr nicht gut, ein Ziehen in der Lendenwirbelsäule ließ sie leicht aufstöhnen. Sie begann den Tisch zu decken, denn gleich würde Angela, ihre Nichte, vorbeikommen. Angela arbeitete als Pflegekraft im Gerolsteiner Krankenhaus. In den letzten Jahren hatte sie sich angewöhnt, öfter mal bei ihrer Tante vorbeizuschauen. Frederike hatte sich vor fünf Jahren um sie gekümmert, als es ihr sehr schlecht ging, damals, nach dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern. Kurz davor war schon ihr Freund mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Frederike hatte ihr über die schwere Zeit hinweggeholfen. Für sie war Angela wie eine Tochter. Während Frederike noch die Eier abschreckte, schenkte Angela den Kaffee ein. Sie hatte die Sonntagszeitung mitgebracht. Es gehörte zu ihren Ritualen, den Sonntagmorgen miteinander zu verbringen, ausgiebig zu frühstücken und sich dann gegenseitig aus der Zeitung vorzulesen. »Gib mir mal den Sportteil«, bat Angela, als man die Vorbereitungen abgeschlossen hatte und endlich beide am gemütlichen Frühstückstisch in der Küche Platz genommen hatten. Die Küche, eine alte Schwarzküche mit Kaminesse und Spülstein in der Fensternische, war liebevoll mit Töpfen und Handwerksgeräten aus alter Zeit dekoriert. Man fühlte sich hier ein wenig aus der Zeit gefallen. »Ich muss gerade noch den Bericht über den Dopingfall lesen, dann kannst du ihn haben. Lies so lange Kultur«, beschied Frederike die Bitte abschlägig, ohne auch nur einmal aufzublicken. Angela stöhnte. »Da stehen doch bloß die Todesanzeigen drin.« »Guck doch gleich mal nach der Anzeige von Änne Maurer. Da war ich am Donnerstag auf der Beerdigung.« Angela blätterte durch den Anzeigenteil. »War die etwa auch im St. Ägidius in Hillesheim?« Frederike hob...