Rennert | Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 14, 203 Seiten

Reihe: Translationswissenschaft

Rennert Redeflüssigkeit und Dolmetschqualität

Wirkung und Bewertung

E-Book, Deutsch, Band 14, 203 Seiten

Reihe: Translationswissenschaft

ISBN: 978-3-8233-0115-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dolmetschqualität ist ein komplexes Thema, das sich im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen und Erwartungen von NutzerInnen wie DolmetscherInnen und der subjektiven Einschätzung des Publikums bewegt. Eine Dolmetschung soll so gut verständlich sein wie das Original, in der Realität orientieren sich NutzerInnen aber häufig am Höreindruck und beurteilen Dolmetschungen eher nach prosodischen als nach inhaltlichen Faktoren. Diese Studie untersucht den Einfluss von Redeflüssigkeit auf die zwei Qualitätsaspekte der kognitiven Wirkungsäquivalenz und der subjektiven Bewertung durch das Publikum. Aufbauend auf einer theoretischen Betrachtung verschiedener Qualitätsaspekte und deren Operationalisierung sowie der Komponenten von Redeflüssigkeit wird die Entwicklung des Versuchsdesigns und -materials eingehend beschrieben. Im Experiment zeigt sich, dass eine weniger flüssige Dolmetschung zwar gleich gut verstanden wird wie eine flüssige, das Publikum aber glaubt, sie schlechter verstanden zu haben.

Sylvi Rennert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lektorin für Dolmetschen am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Dolmetschqualität und verschiedene Einsatzbereiche des Dolmetschens.
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2.2 Redeflüssigkeit
Wie bei der Qualität ist auch die Definition von Redeflüssigkeit nicht einfach. Bei der Bewertung von Gesprochenem – seien es Dolmetschungen, öffentliche Ansprachen oder der Fremdsprachenunterricht – wird häufig die Flüssigkeit der Rede als wichtiges Kriterium genannt, das die Qualität der Darbietung mit ausmacht. Angesichts der großen Bedeutung, die der Flüssigkeit in vielen Bereichen beigemessen wird, erscheint es erstaunlich, dass eine eindeutige und allgemein anerkannte Definition des Begriffes bislang ausständig ist. Zwar wird der Begriff in der Fachliteratur vieler Disziplinen häufig verwendet, oft jedoch ohne nähere Definition. Auch wenn die meisten Menschen sagen können, ob sie etwas Gehörtes als „flüssig“ oder „unflüssig“ empfinden, so sind diese Einschätzungen keinesfalls einheitlich, sodass der Begriff der Flüssigkeit nicht als allgemein eindeutig definiert vorausgesetzt werden kann. Dieser Abschnitt widmet sich daher zunächst in 2.2.1 eingehend der Problematik der Begriffsbestimmung. Danach werden in 2.2.2 verschiedene Ansätze besprochen und es wird eine Definition von Flüssigkeit für den Bereich der Dolmetschwissenschaft aufgestellt, deren Komponenten anschließend näher beschrieben werden. Die Begriffe Flüssigkeit und Redeflüssigkeit werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. 2.2.1 Problematik der Definition
Eine grundsätzliche Schwierigkeit liegt in den vielfältigen Bedeutungen und vor allem auch in der alltagssprachlichen Verwendung des Begriffs (vgl. Aguado Padilla 2002: 14, Guillot 1999: vii, Koponen & Riggenbach 2000: 19). Sowohl die deutschen Ausdrücke „Flüssigkeit der Rede“, „Sprechflüssigkeit“, „Redeflüs­sigkeit“ oder „fließend“ als auch das englische „fluency“ bzw. „fluent“ haben in unterschiedlichen Disziplinen verschiedene Bedeutungen. Zu den Disziplinen, die sich unter diversen Gesichtspunkten mit Flüssigkeit beschäftigen, zählen u.a. Psychologie, Psycholinguistik, Soziolinguistik, Sprachpathologie und Fremdsprachendidaktik (vgl. Aguado Padilla 2002: 12f.). Diese enorme Bandbreite an verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Weisen, in denen „Flüssigkeit“ verstanden wird, erklärt zum Teil das Fehlen einer einheitlichen Definition. Doch auch innerhalb der einzelnen Fachgebiete hat sich bislang keine allgemein akzeptierte Definition herausgebildet, und es herrscht allenfalls Einigkeit darüber, dass es sich um ein komplexes Phänomen handelt, für das es keine einheitliche Definition gibt (vgl. Aguado Padilla 2002: 14, Freed 2000: 245, Guillot 1999: vii, Koponen & Riggenbach 2000: 19). Guillot (1999: vii) stellt fest, dass der Begriff der Flüssigkeit trotz des Fehlens einer klaren Definition von ExpertInnen wie auch Laien mit einer Selbstverständlichkeit verwendet wird, die angesichts der intuitiven Herangehensweise kaum gerechtfertigt erscheint: Fluency is an elusive notion. It has a foot in almost every language-related discipline, without being the province of any one in particular, and crosses over boundaries in a way which has made it resistant to analysis and rationalisation, even within applied linguistics. Yet it is peculiarly available to all, language specialists and non-specialists, as a measure of oral performance, and is used with a confidence which hardly seems justified in view of the scarcity of accounts governed by anything other than intuition. (Guillot 1999: vii) Allgemeinsprachlich wird der Begriff der Flüssigkeit vor allem im Zusammenhang mit der Beherrschung von Fremdsprachen verwendet, etwa in „fließend Französisch sprechen“. In diesem Sinne ist Flüssigkeit das höchste erreichbare Niveau auf einer Skala, die aus Abstufungen wie „Grundkenntnisse“, „gute Kenntnisse“ und „fließend in Wort und Schrift“ besteht. (vgl. Lennon 1990: 389) Flüssigkeit wird aber manchmal auch mit Eloquenz, geistreicher oder witziger Konversation oder auch Geschwätzigkeit gleichgesetzt (vgl. Fillmore 1979: 93). Andere wiederum sehen grammatikalische Korrektheit als Bestandteil flüssiger Rede an (vgl. Freed 2000: 254), während vor allem im englischen Sprachraum im Bereich der Fremdsprachendidaktik „fluency“ (im Sinne von „ohne Unterbrechungen sprechen“) in Opposition zu „accuracy“ gestellt wird (vgl. Brumfit 2000, Freed 2000: 244). Neben dieser allgemeinen Ebene gibt es das engere Verständnis von Flüssigkeit als Komponente der mündlichen Sprachkompetenz. Dies ist vor allem im Fremdsprachunterricht der Fall, wo mündliche Leistungen nach Kriterien wie Aussprache, Grammatik, Wortschatz, idiomatischer Ausdruck und Flüssigkeit der Rede beurteilt werden. Hier gibt es oft auch verschiedene Abstufungen von „Flüssigkeit“. (vgl. Lennon 1990: 389) Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen etwa beschreibt Flüssigkeit allgemein als „the ability to articulate, to keep going, and to cope when one lands in a dead end“ (COE 2000: 128). Flüssigkeit ist dort in eine 6-stufige Skala unterteilt, deren höchste Stufe lautet: „Can express him/herself at length with a natural, effortless, unhesitating flow. Pauses only to reflect on precisely the right words to express his/her thoughts or to find an appropriate example or explanation“ (COE 2000: 129). Neben diesen zwei Bedeutungen, die sich vor allem auf die Sprachbeherrschung und die Ausdrucksweise beziehen, ist Flüssigkeit aber auch ein prosodisches Merkmal der gesprochenen Sprache, das wie Intonation, Lautstärke und Rhythmus jede Äußerung begleitet und prägt (vgl. Ahrens 2004: 76f.). In diesem Sinne, in dem sie vor allem in der Linguistik und in jüngerer Zeit auch in der Dolmetschwissenschaft behandelt wird, soll Flüssigkeit in der vorliegenden Arbeit verstanden werden. 2.2.2 Flüssigkeit als Funktion temporaler Variablen
Wie bereits einleitend erwähnt, ist Flüssigkeit aufgrund der Vielfalt an Bedeutungen ein schwer fassbarer Begriff. Problematisch ist dabei nicht nur, dass es sehr viele verschiedene Definitionen gibt, sondern auch, dass oft überhaupt auf eine nähere Definition verzichtet wird oder diese implizit vorausgesetzt wird, wie Guillot (1999) feststellt: [W]hile references to it in applied linguistics are frequent, attempts to circumscribe it and get to grips with what is involved are few, in a field otherwise so punctilious in defining its concepts.(…) Although the question of fluency is sometimes signalled as a problem area (…), its meaning on the whole tends to be simply assumed, taken for granted, or elusively defined – explicitly or implicitly – as something like ‘ease of communication’ or ‘smoothness of expression’, that is to say in ways reminiscent of general dictionary definitions. (Guillot 1999: 3) Nicht selten wird von einem intuitiven Gefühl für Flüssigkeit ausgegangen (vgl. Aguado Padilla 2002: 14), oder es werden „schwer zu operationalisierende, subjektive und intuitive Begriffe“ (Aguado Padilla 2002: 13) ins Treffen geführt, wie hier von Ejzenberg, die von „unnatürlichen“ Unterbrechungen des Redeflusses spricht: Oral fluency is here described as a component of overall language ability or proficiency that indicates the degree to which speech is articulated smoothly and continuously without any ‘unnatural’ breakdowns in flow. (Ejzenberg 2000: 287) Andere hingegen gehen eher von einem Zusammenspiel von temporalen Variablen und anderen, weniger greifbaren, Faktoren wie Stimmqualität, Sicherheit beim Sprechen und Aussprache aus (vgl. Freed 2000: 261). Auf der Suche nach objektiven, quantifizierbaren Parametern, über die Flüssigkeit wissenschaftlich bestimmt werden kann, fällt die Wahl schließlich bei einem großen Teil der AutorInnen in Linguistik, Dolmetschwissenschaft und auch Zweitspracherwerb auf temporale Variablen wie Pausen, Sprechrate und Häsitationen. Zwar gibt es Unterschiede bei der Anzahl der berücksichtigten Teilparameter und deren Klassifizierung, doch gibt es auch einige zentrale Begriffe, die sich in zahlreichen Definitionen wiederfinden (vgl. Aguado Padilla 2002). Lennon (2000) unterscheidet zwischen „higher-order fluency“, der Sprachbeherrschung im weiteren Sinne, und „lower-order fluency“, die über temporale Variablen wie z.B. Sprechgeschwindigkeit, Pausen, Fehlstarts und Häsitationen gemessen werden kann: Lower-order fluency can be measured both impressionistically and instrumentally by speech rate and by such dysfluency markers as filled and unfilled pauses, false starts, hesitations, lengthened syllables, retraces, and repetitions. (Lennon 2000: 25) Bei Hedge (1993: 275) finden sich „frequent pauses, repetitions, and self-corrections“ als Merkmale unflüssiger Sprachproduktion bei Nicht-Muttersprachlern, während Chambers (1997) ihr Augenmerk vor allem auf Pausen und Häsitationen richtet. Nicht nur diese Phänomene selbst sind dabei allerdings von Bedeutung, sondern auch deren Dauer und Häufigkeit: The presence, length and frequency of silences and hesitations affect the listener’s perception of an interlocutor’s fluency. (Chambers 1997: 538) Für Laver (1994: 537) ist auch die Position der Pausen wichtig; er unterscheidet folglich zwischen „continuous, fluent speech“ ohne jegliche Pause und „non-continuous but fluent speech“, in der zwischen einzelnen Intonationseinheiten durchaus ungefüllte Pausen vorkommen können, nicht aber innerhalb der Intonationseinheiten. Im Bereich der Dolmetschwissenschaft sehen Kurz & Pöchhacker (1995) Flüssigkeit ebenfalls als ein Zusammenwirken verschiedener temporaler Faktoren, wie...


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