E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Renner My Next Breath
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-33147-4
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Geschichte meines Überlebens - Jeremy Renners packender Bericht über den tragischen Unfall, der ihn fast das Leben kostete - Der NYT-Bestseller - Deutsche Ausgabe
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-641-33147-4
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jeremy Renner, zweimal für den Oscar nominiert, war die am zweithäufigsten gegoogelte Person 2023 – allerdings nicht nur wegen seiner eindrucksvollen Filmografie. Der beliebte Star des Marvel-Universums, der als Bogenschütze Hawkeye die Herzen der Fans eroberte, geriet am Neujahrstag 2023 unter eine sechs Tonnen schwere Pistenraupe und überlebte wie durch ein Wunder. Hier erzählt er von seinem Unfall, vor allem aber von seiner Genesung, von Verletzlichkeit und Stärke, Verzweiflung und Hoffnung, Rettung und Durchhalten. Mit seiner Geschichte macht er Mut, den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen, Herausforderungen anzunehmen und gestärkt daraus hervorzugehen.
»Ich muss es für den Rest meines Lebens akzeptieren. Nichts wird mehr normal sein oder so, wie es vor dem Unfall war. Im Übrigen habe ich kein Problem damit. Es macht mein Leben besser. Ich bin gesünder dadurch.«
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2
PISTENRAUPE
- Bei Besteigen des Fahrzeugs stets eine Hand fest um Haltegriff an Fahrertür legen.
- Auf Laufkette steigen.
- Abrutschgefahr auf Laufkette bei Be- und Entsteigen der Fahrerkabine.
- Haltegriff stets fest in die Hand nehmen, um auf Laufkette zu steigen …
- Stets eine Hand fest um Haltegriff an Fahrertür legen.
- Armlehne ganz nach oben klappen.
- Lenkrad ergreifen und sich auf Fahrersitz schwingen.
- Tür schließen.
- Auszug aus einer PistenBully-Betriebsanleitung
Gegen sechs Uhr morgens am Neujahrstag 2023 klettere ich hoch in die Pistenraupe und gehe an die Arbeit.
Die Wettervorhersage hat eine Pause des Sturms angekündigt, die lange genug dauern wird, um die Auffahrt zu räumen, und auch noch den Rest des Tages anhalten soll, sodass wir endlich das Grundstück verlassen können. Doch um so viel Schnee zu bewegen und die Motorschlitten und anderen Fahrzeuge auszugraben, die meinem Ausbruch im Weg stehen, werde ich Hilfe brauchen, weshalb ich Rory losschicke, um Alex aufzuwecken. Rorys erster Anlauf fruchtet nicht – die Nacht zuvor hat Alex ein paar Drinks für Erwachsene zu sich genommen und ist später als die meisten zu Bett gegangen, und als Rory ihn nun wach zu kriegen versucht, lässt er sich das eher nicht gefallen. Beim zweiten Mal gibt Alex nach und gesellt sich dann draußen zu Rory, Dave und mir.
Dave Kelsey ist ein langjähriger Freund von mir aus dem Schauspielunterricht in meinen Zwanzigern. Seinerzeit waren wir am Hungertuch nagender Darstellernachwuchs, traten aber schließlich gemeinsam in einem echt witzigen Streifen namens auf. Über all die Jahre sind wir eng befreundet geblieben, und auch unsere Kinder stehen sich nahe, darum ist es ganz natürlich, dass er und seine Familie Silvester mit uns verbringen. Nun sind wir vier – Rory, David, Alex und ich – noch vor dem Morgengrauen hier draußen und treten zu dem an, was wohl ein paar Stunden Schneeräumen werden wird.
Ich werfe die Raupe an; Dave fragt, ob er sie bedienen soll, doch ich sage ihm, dass ich das übernehme. Stattdessen macht er sich daran, einige Motorschlitten auszugraben, aber das ist hartes Brot. Während wir arbeiten, halten Dave und ich zuweilen inne, um ein paar Worte zu wechseln und die Landschaft zu betrachten. Inzwischen ist es halb acht geworden und der friedfertigste Morgen, den man sich ausmalen kann.
»Mann«, sagt Dave, »was für eine unglaubliche Nacht. Das war wohl das beste Silvester, das ich je hatte.« Ich stimme ihm zu. Wir plaudern darüber, wie dankbar wir beide für unser Leben, unsere Familien, füreinander und für diesen Augenblick sind, der sich gerade eben anfühlt wie eine Art Himmel auf Erden. Die Sonne ist noch nicht richtig aufgegangen, und die Stille ist atemberaubend, wird durch die Schneedecke gar noch tiefgründiger, ein Friede in der stehenden Luft, der nur von dem Gekrächze der Diademhäher (sie klingen wie kaputte Schreibmaschinen) zerschnitten wird. Der Berg ist noch immer gesperrt, keine Fahrzeuge jagen die Kurven des Mount Rose Highway talwärts, Dave und ich teilen diesen Moment Seite an Seite, sehen gemeinsam einem neuen Jahr entgegen wie so oft schon, doch dieses fühlte sich in der Tat noch bedeutsamer und hoffnungsvoller an als üblich. Und ja, wir glauben immer noch daran, dass man die Pisten nur für uns freigeben wird …
Schließlich nehmen wir die Arbeit wieder auf. Die Motorschlitten freizulegen, ist jedoch eine Plackerei – es geht nur voran, wenn man die Maschinen einzeln ausgräbt, und selbst dann bleiben sie allzu leicht wieder in einer Schneewehe stecken.
Anfangs hatten Alex und ich Zweifel, ob wir an jenem Tag überhaupt vom Grundstück runterkämen. Er wies mit gutem Grund darauf hin, dass unter dem frischen Pulverschnee eine richtig vereiste Kruste kam, die dort schon zwei, drei Tage bestanden hatte, aber wir mussten es trotzdem versuchen. Doch als wir damit anfangen, Sachen auszugraben, wird es Alex zu bunt.
»Das Ganze ist doch scheißbescheuert, Rory«, sagt er.
»A Train!«, ruft Rory seinen Spitznamen für Alex (»A Train« bedeutet so was wie »cool« – das müsste Rory selber erklären), »halt doch die verdammte Klappe, Alter!« Rory fand schon mit seiner Gewohnheit, vor sich hin zu pfeifen und seiner nervtötend aufgeräumten Art wenig Anklang bei Alex.
»Leute, das bringt doch gar nichts«, versucht es Alex erneut. »Das ist reine Zeitverschwendung. Seht euch die Straße an. Da stehen immer noch liegen gebliebene Autos …«
In der Tat können wir bei Anbruch des Tages bergauf und bergab auf dem Mount Rose Highway im Stich gelassene Fahrzeuge ausmachen. Gleichwohl, wir waren tagelang eingeschneit, und es wird Zeit, uns da rauszuhauen. Keiner will sich anhören, was Alex zu sagen hat, obwohl er womöglich recht hat. Er seinerseits begreift, dass er bei dem Wortwechsel den Kürzeren zieht, und kehrt ins Haus zurück, um die Schlüssel zu einem Schuppen 400 Meter weiter unten zu holen und von dort einen Motorschlitten heraufzubringen. Was sonst fünf Minuten gedauert hätte, zieht sich eine halbe Stunde hin wegen der Schneewehen, durch die er stapfen muss, und als er den Verschlag erreicht, kommt er gar nicht erst rein – entweder hat er den falschen Schlüssel dabei, oder das Schloss ist eingefroren, also muss er durch die anderthalb Meter Schnee zurückstapfen.
Als er schließlich wieder eintrifft, bin ich mit der Pistenraupe bis auf die Auffahrt gekommen – Rory und Dave sind ins Haus zurückgekehrt, um Frühstück zu machen und Kaffee zu kochen. Alex stößt zu ihnen, und als er wieder rauskommt, habe ich einen Durchgang mit der Pistenraupe hinter mir, aber es gibt noch so viel mehr Schnee zu beseitigen. Die Zeit für Plan B ist gekommen: Ich werde mich in den Raptor setzen und versuchen, mich zur Hauptstraße durchzuwühlen (die inzwischen gepflügt wurde) – wenigstens weiß ich dann, ob ich einen Pfad hinkriegen kann und wir an diesem Morgen vom Grundstück runterkommen. Sollte ich den Raptor hinausbekommen, können wir Leute einladen und den Berg zum Skilaufen ansteuern.
Ich setze mich in dem Ford die Auffahrt hinunter in Bewegung. Es läuft gut, doch dann erreiche ich eine S-Kurve – fast schon an der Hauptstraße folgt eine leichte Rechtskurve auf eine nach links und man muss das Fahrzeug ganz sachte einlenken, um nicht über den Rand zu kippen. Das tue ich, doch der Raptor fängt einfach an zu schlingern und zu schliddern, ehe er schnurgerade in eine Schneewehe stößt.
Scheiße, was nun? Alex ist weiter oben an der Auffahrt; ich sehe, dass er die Pistenraupe ins Auge fasst. Ich kann sehen, dass er überlegt, sie herunterzubringen, um mir zu helfen. Ich weiß, dass er sie eigentlich noch nie gefahren hat, weiß aber auch, dass er sich auf Fahrzeuge versteht und zurechtkommen wird. Es gibt Hebel für das Rückeschild vorne, aber über Druck oder keinen Druck aufs Gaspedal hinaus ist die Maschine unkompliziert zu bewegen.
Wie in der Betriebsanleitung des PistenBully erläutert, gelangt man ins Führerhaus, indem man auf die Zinkstahlkette steigt, nach dem Griff der Fahrertür langt und sich auf den Fahrersitz zieht. Alles in allem sind es vom Boden bis zur Tür etwa einen Meter in die Höhe und einen Meter über die Kette weg. Ich sehe zu, wie Alex aufspringt und die Maschine die Auffahrt hinunter in Gang setzt.
Nach seinem Eintreffen wechseln wir die Plätze – ich steige hoch in die Kabine der Pistenraupe, und Alex hüpft hinunter, befestigt den Ford mit Ketten am Heck der Raupe, und wir machen uns daran, den F-150 rauszuziehen.
Den meisten Schnee habe ich geräumt – übrig sind bloß noch eine dicke Eisschicht und der Asphalt der Auffahrt. Wir bekommen den Pick-up frei, und Alex geht hin, um ihn von der Pistenraupe abzuhängen. Ich fange an, die Pistenraupe zu wenden, doch das riesige Rückeschild ist hochgefahren, und ich kann Alex nicht richtig vor mir sehen. Während ich rauszukriegen versuche, ob er Spielraum hat, bringt das Eis die Pistenraupe etwas ins Rutschen, und sie setzt für eine Sekunde zurück. Jetzt gibt es nur noch eines, um einen Überblick zu bekommen, nämlich kurz hinaus auf die Zinkstahlkette treten – es gibt kein Trittbrett, nichts, nur den Stahl. Ich klettere aus dem Fahrersitz, steige auf die Kette und hinunter auf den eisigen Boden.
Hinweis in der Bedienungsanleitung:
Vor Verlassen der Fahrerkabine: Parkbremse betätigen!!
Ich betätige die Parkbremse nicht. Genauso wenig entkuppele ich die Laufketten.
In diesem Augenblick – einem unschuldigen, entscheidenden, lebensverändernden Augenblick –, da ich die Parkbremse betätigte, sollte diese winzige, ungeheure Unachtsamkeit meinen Lebensweg und den vieler anderer für immer umlenken. Nichts von dem, was nach diesem Augenblick geschah, hätte man sich vorstellen können.
Die Pistenraupe beginnt, über den vereisten Asphalt auf Alex zuzurutschen, und mir wird voller Entsetzen klar, dass er in Gefahr ist. Er hantiert unten mit den Haken und schweren Ketten, während die bedrohliche Raupe auf ihn zu rückt. Ich steige erneut in die Führerkanzel und drücke kurz den Kipphebelschalter an der Lenksäule, um zurückzusetzen und ihm ein paar Fuß mehr Platz zu verschaffen. Darauf lege ich den Hebel abermals in die Parkposition. Ich trete wieder halb ins Freie, um unsere nächsten Schritte zu besprechen. Alex ist außer Sicht, arbeitet immer noch unten am Boden, vermute ich und rufe deshalb etwas über das Grollen...