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E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Historische Romane

Renner Die Aschauer


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-475-54413-2
Verlag: Rosenheimer Verlagshaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 3, 336 Seiten

Reihe: Historische Romane

ISBN: 978-3-475-54413-2
Verlag: Rosenheimer Verlagshaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Aschau, Ende des 18. Jahrhunderts: Marei und Resei arbeiten schon seit Jahren in der Schmiede ihres Vaters. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als den Gesellenbrief für ihre guten Leistungen zu erhalten. Doch einige Bürger aus Aschau wollen nicht, dass die beiden Mädchen einen Beruf ergreifen, der bis dahin den Männern vorbehalten war. Der Bannrichter Florian Grießbeck soll vermitteln und verliebt sich in Resei. Marei lässt sich auf den Forstgehilfen Georg Pilgrim ein. Als sie schwanger wird, heiraten sie zwar, doch damit fangen die Schwierigkeiten erst an ...

Carl Oskar Renner besaß die Gabe, geschichtliche Ereignisse meisterlich in romanhafter Form darzustellen, was ihm viele Auszeichnungen einbrachte. So wurde er unter anderem mit dem Sudetendeutschen Literaturpreis, dem Poetentaler der Münchner Turmschreiber und dem Bundesverdienstkreuz für sein literarisches Schaffen ausgezeichnet.

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In der Nagelschmiede
Der alte Michl klopfte hart an die schwere Eichentür des Pfarrhofs in Aschau. Als Satzmeister der Nagelschmiede durfte er sich einen Besuch beim Geistlichen des Ortes auch noch am späten Abend erlauben. Die Pfarrersköchin öffnete und wies ihn zur Schreibstube. Er war im selben Augenblick schon dorthin unterwegs und trat dort ein, ohne vorher zu klopfen, denn er war das, was die Einheimischen einen »Büffel« nennen. Kein Wunder: Er stammte aus Sachrang. Pater Onufrius stand am Pult und las im Gebetbuch. Eine Kerze brannte, eine einzige; man musste sparen. »Pater Onufri« – so nannten die Menschen aus der Umgebung den alten Geistlichen und betonten dabei die erste Silbe – »Pater Onufri, wir Nagelschmiede haben einen Kummer!« »Michl, gäb’s keinen Kummer, gäb’s kein Leben!« Diese pfarrherrliche Antwort schien dem Satzmeister nicht sonderlich zu behagen, und er erwiderte leicht erregt: »Unser Kummer hat mit dem Leben nix zu tun, sondern eher mit einer Sauerei!« Pater Onufrius häufelte sich geruhsam eine kleine Pyramide Schnupftabak auf den Handrücken und sagte: »Michl!« Dann zog er das braune Pulver mit kräftigem Einschnaufen in seine Nase hinauf, nieste noch kräftiger und fächelte mit einem blauen Tuch etliche Male um die gelb unterlaufene Nase. Darauf fuhr er genüsslich fort: »Michl, auch die Sauereien gehören zum Leben!« »Wollt Ihr mich jetzt anhören, oder soll ich gehen?« Das war eine Antwort, wie sie sich einem Geistlichen gegenüber nicht gehörte, und der polterte los: »Depp, damischer! Dann geh doch! Oder meinst, ich hätt auf dich gewartet? Wenn du auch der Satzmeister bist, so bist du vor dem Pfarrer immer noch eine arme Seel!« Dem Michl wurde klar, dass er sich vergriffen hatte. Er bemühte sich um einen bescheideneren Tonfall und eröffnete dann seinen Kummer, so wie er es sich vorher Wort für Wort zurechtgelegt hatte: »Die Sach ist nämlich die: Der Peter, der Unterrheiner, der Zuagroaste aus Siegsdorf, der lässt seine beiden Dirndln zusammen mit dem Gesellen in der Schmiede arbeiten, gerade wie wenn’s so sein dürft! ’s darf aber nit so sein! Nägel schmieden ist Männersach!« Der Pater überlegte eine längere Weile und fragte dann: »Zusammen mit dem Burschen?« »Wenn ich’s Euch sag!« »Ja, können sie’s denn, das Nagelschmieden?« »’s sieht ganz danach aus, denn es hat noch keinerlei Beschwerden nit ’geben. Aber gehören tut sich das nit! Weiberleut mit der Lederschürzn und nackerten Armen bis zum Hals ’nauf! Und was für Arm’ die haben! Und wenn’s nur die Arm’ wären!« »Hast vielleicht hingschaut, Michl?«, unterbrach ihn der Pfarrer. »Ich nit! Aber die Burschen erzählen’s!« Diese Bemerkung schien dem Pater eine abermalige Prise wert: »Nackert, hast du gesagt?« »Hab ich gsagt!« »Hm!«, machte der Pfarrer. Dann machte er noch zweimal »Hm, hm!« und schüttelte den Kopf. Endlich meinte er: » Michl, geh jetzt! Ich dank dir! Ich werd zu gegebener Zeit auf das Kapitel zu reden kommen!« Etliche Zeit später. Es war der 1. Mai des Jahres 1791, ein schöner, sonniger Tag. Die Mädchen hatten für die erste Maiandacht den Muttergottesaltar in der Kirche prachtvoll geschmückt. Das Gotteshaus war voll bis auf den letzten Platz. Der Kirchenchor droben stand bereit und wartete auf das Glockenzeichens von der Sakristei her, um mit einem Hymnus zu beginnen. Das Zeichen ertönte, die Orgel brauste, und vierzig gesunde Stimmen jubelten hinab ins Kirchenschiff und hinauf ins Gewölbe: »Ave Maria zart, du edler Rosengart!« Da schüttelte es so manchen vor innerer Ergriffenheit. Nun bestieg Pater Onufrius im blütenweißen Chorrock und mit goldbestickter Stola die Kanzel. Er hatte seine Maipredigt unter das Motto gestellt: »Maria, du starke Jungfrau!« Darin beschrieb er, wie die Gottesmutter, obwohl nur ein unbedeutendes Mädchen aus dem Marktflecken Nazareth, die seelische Kraft besessen hatte, Ja zu sagen zum Heilsplan Gottes. Welch innere Stärke sie besaß! Und wie sehr musste diese Stärke in dem Augenblick, in dem sie dem Engel ihr Ja sagte, noch zugenommen haben! Und der Pater beschloss seine Kanzelrede mit den markanten Sätzen: »Das ist die wahre Stärke, meine lieben Jungfrauen von Aschau, die aus dem reinen Herzen kommt! Nicht aber die rohe Kraft wuchtiger Arme, mit denen man den schweren Nagelhammer schwingt, um den Burschen zu imponieren! Merkt euch das! Amen.« Was war das für eine Predigt! Alle jungen Leute drehten sich nach den zwei Schmiedtöchtern um und grinsten. Die aber machten eine vermurkste Kniebeuge – ihr Vater auf der Männerseite machte gar keine – und verließen die Kirche. Sie trafen sich draußen auf dem Platz zwischen der Tafernwirtschaft der Grafen von Hohenaschau und dem Pfarrhof, redeten sehr erregt miteinander und wurden sich schließlich einig, den Bierkeller unterm Burgberg aufzusuchen, wo die Nagelschmiede sich zu treffen pflegten – nicht nur zum Stammtisch, sondern auch zu offiziellen Anlässen, denn dort war ihre Gewerksstube. An diesem Ort würden sich nach der Maiandacht viele einfinden – besonders nach dieser Predigt! Es saßen nur ein paar Protestantische da; die wunderten sich ebenso wie der Wirt, dass der Peter seine Töchter dabeihatte, denn Weiberleut gehörten nicht da herein. Doch keiner von ihnen sagte etwas. »Fahr drei Kannen her!«, befahl der Peter, und der Wirt beeilte sich. Nach und nach erschienen, in heftigem Diskurs miteinander, etliche Meister und viele Gesellen; alle verstummten sie aber unter der Tür, als sie den Peter und seine Töchter erblickten. Sie setzten sich abseits von den dreien, soweit es ging – auch der Satzmeister Michl. Und keiner redete laut. Weil jedoch die acht oder neun anderen Nagelschmiedemeister den Michl immer wieder anstießen, sagte der endlich mit gepresster Stimme, als hätte er einen Frosch verschluckt: »Seit wann machen sich denn die Weiber da bei uns herinnen zu schaffen?« Da wurde es mäuschenstill ringsum. Peter Unterrheiner stützte das Kinn in die schwielige Hand und schaute vom einen zum anderen. Dann fielen seine Worte hart in den Raum wie die Hammerschläge auf seinen Nagelstock daheim: »Seit wann, fragst du? Seit der Maipredigt, die du dem guten Onufri eingeblasen hast!« Der Michl stotterte etwas Unverständliches, sodass der Peter ungehindert weiterreden konnte: »Und weil wir gerade so urgemütlich beisammenhocken und den Satzmeister unter uns haben, stell ich vor euch allen den Antrag, dass ihr meinen Dirndln einen sauberen Gesellenbrief aushändigt! Gelernt haben sie bei mir, und jeder kann sich in meiner Schmiede von ihrer Kunst überzeugen.« Da fingen sie aber an zu maulen und zu fluchen, standen auf, trommelten mit den Bierkannen auf den Tischen herum. Zwei junge Gesellen schoben sich sogar mit geballten Fäusten auf den Peter hin. Das sah bedrohlich aus. Der packte einen Stuhl und warf damit nach dem einen, während das Resei, die jüngere seiner beiden Töchter, dem anderen Gesellen einen derart heftigen Hieb ins Genick verabreichte, dass er umkippte wie ein praller Mehlsack und reglos liegen blieb, bis sie ihm einen Eimer Brunnenwasser übers Gesicht schütteten. Und der Unterrheiner brüllte: »Den Verdruss hättet ihr euch ersparen können! Aber ich geh jetzt ans Gericht!« Darauf gab er den Mädchen mit dem Kopf ein Zeichen, und gemeinsam verließen sie den Keller. Unter der Tür drehte er sich noch kurz um und rief: »Michl, vergiss fei’ nit, dem Onufri alles zu erzählen, was ihr jetzt erlebt habt! Er wird dir ein sauberes Vergelt’s Gott sagen!« Mit seinem Gang ans Gericht indes kam der Peter Unterrheiner zu spät. Denn anderentags in aller Herrgottsfrüh sattelte der Satzmeister sein Ross und war bereits in Prien, noch bevor der herrschaftliche Bannrichter das Tor öffnen ließ. Der kaum dreißig Jahre alte Dr. Florian Griesbeck, vom Herrn Graf Max V. von Preysing-Hohenaschau eben erst in dieses Amt bestellt, hörte sich die langen und breiten Geschichten, die ihm der Zunftmeister der Nagelschmiede auftischte, gelassen an. Was er da vernahm, war weiß Gott nicht alltäglich, und er wollte über die Sache erst gründlich nachdenken. Nicht genug, dass da zwei Brunhilden oder Amazonen aufgetreten waren – hier war auch noch die Kirche mit im Spiel! Sicherlich, Graf Max war ein Jünger der Aufklärung und scherte sich wenig um die Pfarrer. Er vertrat aber die Meinung, man brauche sie, um das gemeine Volk niederzuhalten. Dem musste der Richter Rechnung tragen. Er versicherte also dem Michl gegenüber, er werde den Fall prüfen, trug ihm einen schönen Gruß an den Pater Onufrius auf und entließ ihn in Gnaden. Stolz wie ein Gockel auf dem Mist kehrte der alte Michl nach Aschau zurück. Und obwohl er zunächst nichts ausgerichtet hatte, erklärte er am Abend im Burgkeller, die Dinge seien im vollen Gange. Dem Onufri berichtete er im gleichen Sinne und heimste genüsslich dessen anerkennende Worte ein. Getreu dem zweitausend Jahre alten Rechtsgrundsatz der Römer, der da lautet: »Audiatur et altera pars!« – »Man muss auch die Gegenseite hören!«, bestieg der Bannrichter etliche Tage später seine Herrschaftskutsche und fuhr im Viererzug, wie es ihm aufgrund seines Amtes zustand, nach Aschau. Unter dem Osthang des Burgberges stellte er das Gefährt im Marstall ab und schlenderte dann zu Fuß mit seinem...



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