Renner | Das Erbe der Radlmeiers | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Historische Romane

Renner Das Erbe der Radlmeiers


1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-475-54505-4
Verlag: Rosenheimer Verlagshaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Historische Romane

ISBN: 978-3-475-54505-4
Verlag: Rosenheimer Verlagshaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Benedikt Radlmeier kehrt aus dem Russland-Feldzug zurück und wird zunächst Parkaufseher im Englischen Garten. Dort begegnet er im April 1814 Max I. Joseph. Von da an geht es aufwärts. Sein Sohn Ambros verdankt dem König seine Stellung als Hofkutscher und hofft nun die Gunst der jungen Charlotte von Hagn zu gewinnen. Diese träumt jedoch von einem Leben als Schauspielerin und benötigt dafür einen Mann mit viel Einfluss. Über fünf Generationen hinweg erzählt Carl Oskar Renner das Schicksal dieser Münchner Familie, das eng mit der wechselvollen Geschichte jener Zeit verknüpft ist.

Carl Oskar Renner besaß die Gabe, geschichtliche Ereignisse meisterlich in romanhafter Form darzustellen, was ihm viele Auszeichnungen einbrachte. So wurde er unter anderem mit dem Sudetendeutschen Literaturpreis, dem Poetentaler der Münchner Turmschreiber und dem Bundesverdienstkreuz für sein literarisches Schaffen ausgezeichnet.

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Auf der Schulbank Seit dem Neujahr 1815 erfreute Ambros seine Lehrer durch Fleiß und Geist. Sie bewunderten seine Fähigkeiten im Erfassen geschichtlicher Zusammenhänge und waren erstaunt über die Klarheit, mit der er schwierige Rechenaufgaben löste. Und ein solches Talent sollte nach dem Willen Seiner Majestät Kutscher werden! Jammerschade! Beschäftigte ihn die Schule nicht, so war der Bub unten im Marstall, doch nicht mehr bloß bei den alten Stallknechten. Jetzt unterstand er einem Stallmeister, dem Herrn Baron Lupini. Der erschien allwöchentlich einmal, nahm den Ambros mit sich in das kleine Kabinett, das an den Marstall angebaut war, und unterrichtete ihn anhand von schönen Bilderbüchern über die verschiedenen Pferderassen, über höfische Karossen und Schlitten, über Sättel und Geschirre und über die hohe Kunst der Reitschulen. Ambros musste täglich eine Stunde reiten lernen, musste sich – wann immer möglich – beim Hufschmied einfinden und ihm zuschauen, wie er den Rössern die Hufe ausschnitt und sie beschlug. Selbst in Gegenwart des Veterinärarztes sollte er, wenn sich die Gelegenheit böte, um kurze Aufklärung bitten über Räude, Rotz, Dämpfigkeit und Wurmkrankheiten bei den Tieren. Denn, so meinte der Vorgesetzte, ein aufmerksamer Kutscher habe schon manches edle Pferd gerettet! Baron Lupini war vom Eifer des kleinen Radlmeier ebenso begeistert wie seine Lehrer an der Schule und berichtete – ebenso wie diese – jedes halbe Jahr darüber in die Hofkanzlei, von deren Rechnungshof sie ja teilweise besoldet wurden. Der König hielt, wenn er ab und zu mit dem Vater Radlmeier ins Gespräch kam, mit Lob für dessen Sprössling nicht hinterm Berg, was Benedikt mit Genugtuung quittierte. Jetzt war auch im Haus Nummer sieben an der Schwabinger Gasse der Friede wieder eingekehrt, was sogar das kleine Kathrinchen zu merken schien, denn es schrie weniger – zur Beruhigung der ganzen Familie. Zudem hatte der Nachbar, Herr Doktor Glas, geraten, dem Mädchen die beiden elterlichen Eheringe um den Hals zu hängen; dadurch übertrage sich viel mehr elterliche Liebe auf das Kind. Ambros genoss die Gunst, die ihm von allen Seiten erwiesen wurde, und freute sich. Diese Freude beflügelte seinen Eifer so, dass man ihn mit Beginn des Jahres 1816 bereits in die Anfangsklasse einer höheren Schule geben konnte. Auch dort war man bald von seinen Fähigkeiten angetan und erwog, dem König die Aufnahme des Knaben in die Militärakademie zu empfehlen. Jedoch stand die soldatische Laufbahn nicht in den Sternen des Knaben geschrieben – man musste diese Idee begraben, noch ehe sie so recht Gestalt angenommen hatte. Im März dieses verhängnisvollen Jahres setzte ein so ungewöhnlich regenreiches Wetter ein, dass sich im ganzen Bayernland und in allen Ländern ringsum die Frühjahrsaussaat verspätete. Als es dann schließlich vom 3. Mai bis in den August hinein regnete, dazu Gewitter, Hagelschläge und Wolkenbrüche niedergingen und eisige Kälteschauer übers Land fegten, verfaulten vielfach Getreide, Futter, Kartoffeln und Hülsenfrüchte, und taube Ähren gingen auf. Zwei Drittel der gewohnten Ernte waren vernichtet, das andere verspätete sich um zwei Monate und musste im Gebirge sogar unter dem Schnee hervorgeholt werden. Wegen des fortwährenden Regens konnten die Bauern auch die Wintersaat nicht anbauen, und wer es doch versuchte, dem fraß Ungeziefer alles auf. Dann brach der Winter ein, und mit ihm kamen Teuerung und Wucher und eine unbeschreibliche Hungersnot. Ambros und seinen Mitschülern machte der Hunger noch nicht viel zu schaffen, denn sie wurden in einer kleinen Mensa verpflegt, und die versorgte der Hof. Doch bei Radlmeiers in der Familie sah es schlecht aus. Frau Martha musste meist ohne Milch, ohne Butter, ohne Eier vom Markt nach Hause gehen. Ihr Töchterchen weinte vor Kälte, und so konnte sie in der Menge der anstehenden Frauen oft nicht warten, bis die Reihe an sie gekommen wäre; und keine der anderen besaß so viel Einsicht, sie vorzulassen – sie war ja bloß die vom Parkwächter! Kehrte Ambros abends in die Schwabinger Gasse, Haus Numero sieben, zurück, hörte er die klagende Mutter und sah den verzweifelt dasitzenden und ohnmächtig nickenden Vater. Und dann vernahm er die bösen Nachrichten, die der Vater aus der Zeitung vorlas: Da schrieb ein Posamentierer aus Feuchtwangen, die armen Leut dort lebten von Wickenbrot, von gesammelten Disteln und aus den Feldern gestochenen Milchstöcken. Der Chronist Hertel von Rehau berichtete von gekochtem Heu, von eingegangenen Pferden und eingefangenen oder gestohlenen Kettenhunden, die das armselige Volk verzehrte; auch von einem Brot, das man sich aus Bucheckern, Heidelbeeren, Rosskastanien, Baumrinden, Stroh, Ochsenhäuten und Holz bereitete. »Und gestern«, fuhr Benedikt Radlmeier fort, »nach der Beerdigung des Metzgermeisters Maier, als die Trauergäste schon gegangen und die Totengräber noch nit gekommen waren, sind zwei Kinder über das Kreuz aus Isländischem Moos hergefallen, das die Metzgersfrau mit zu den Kränzen gelegt hatte, und haben es aufgegessen.« Vater, Mutter und das zweieinhalbjährige Schwesterlein wurden von Tag zu Tag weniger, und von nirgendwoher war Hilfe zu erwarten. Am Heiligen Abend war es so schlimm, dass sie nur einen Minzentee gehabt hätten, wäre nicht der Ambros, von der Schule mit etlichen Scheiben Brot und einem halben Zopf beschenkt, wie ein Engel auf Bethlehems Feldern heimgekommen. Im neuen Jahr 1817 aber setzte der Winter erst so recht ein. Viel Schnee warf der Himmel herab, und Benedikt hatte seine liebe Not, im Englischen Garten wenigstens die Hauptwege freizuschaufeln, weil sich die Herrschaften des Hofes und die Adligen doch manchmal eine Schlittenfahrt vergönnten. Leider spürte er von Tag zu Tag mehr, wie ihm die Kräfte schwanden, wie er nach wenigen Minuten in Schweiß ausbrach und wie er sich dann auf den Schaufelstiel lehnen und verschnaufen musste. Inmitten des Februars, als der Münchner Fasching trotz der Hungersnot auf vollen Touren lief, war Benedikt so erschöpft, dass er sich um die Mittagszeit drunten beim Himmelreich an die 13. Burgfriedenssäule hinkauerte und seinen schon fast kalten Tee trank. Und weil es dabei in dichten Flocken zu schneien begann und ringsum kein Laut zu hören war als nur das leise Rieseln des Schnees in den dürren Bäumen, setzte er sich ganz nieder, neigte den Kopf zur Säule und schlief ein. Als er um die siebente Abendstunde immer noch nicht daheim war, schickte Frau Martha den Sohn zum Englischen Garten aus. Nach einer guten Stunde kehrte er, von würgenden Tränen geschüttelt, zurück: »Der Vater sitzt an der Säule und ist schon ganz kalt!« In ihrer Not fiel der armen Frau nichts anderes ein, als hinüberzugehen in die Residenz. Sie weinte dem wachhabenden Oberleutnant ihr Elend vor. Der führte sie in die danebenliegende Waffenkammer und bat sie, bis um sechs Uhr früh zu warten und dann wiederzukommen, denn zu dieser Stunde beginne Seine Majestät bereits mit den Audienzen. Als der Morgen angebrochen war, geleitete ein Kammerherr die zitternde Frau hinauf in den dritten Stock unters Dach, wo Max Joseph seine Dienstzimmer hatte. Noch ehe sie jedoch vorgelassen wurde, erschien der Staatskassierer und überreichte dem König sein tägliches Taschengeld: 1000 Gulden. Max Joseph schenkte davon gleich 100 der Parkwächtersfrau, als er von ihrem Jammer erfahren hatte, und versprach, sich um sie und die Kinder zu kümmern. Martha bat ihn, ihr eine Hilfstätigkeit in der Residenz zu vermitteln; auch dies sagte er zu. Zudem ließ er sie mit in die Liste jener 937 Personen eintragen, die aus seinen eigenen Mitteln wöchentlich eine Portion Brot erhielten. Martha Radlmeierin wurde als Putzerin der Hofküche zugeteilt und durfte das Kathrinchen bei sich haben. Das liebe Kind war so entkräftet, dass es dort ruhig sitzen blieb, wohin es die Mutter setzte; es ließ nur seine großen Augen verwundert umherschweifen, denn hier begegnete ihm immer wieder Neues. Dem Kinde fehlte nun schon fast ein Jahr jede kräftigende Nahrung, die es als Frühgeburt doppelt nötig gehabt hätte. »Du musst ihm öfter ein Ei in Butter einquirlen!«, hatte der Doktor Glas gesagt. – Der hatte gut reden! Woher sollte sie Eier nehmen? Mittlerweile kam das Frühjahr. Die Vögel kehrten über die Alpen aus dem Welschland zurück, und wilde Tauben bevölkerten wieder den Englischen Garten. Da dachte sich der Ambros: Hühnereier kann sich die Mutter nicht leisten; vielleicht tun’s aber Taubeneier auch! Darum strich er jetzt, wenn sein Dienst im Marstall beendet war, oft in dem weitläufigen Garten umher und schaute zu den Wipfeln der Bäume empor. Dort und da erkannte er ein Nest; darinnen mussten um diese Zeit die Vögel beim Eierlegen sein! Er passte also den neuen Parkwächter ab. Sobald der hinter der nächsten Hecke verschwunden war, kletterte er flink wie eine Wildkatze auf den Baum und holte sich die Eier. Der Mutter waren diese Streifzüge zwar nicht recht, aber sie bewunderte doch im Stillen den Familiensinn des Sohnes. Dann kam jener verhängnisvolle Abend im Mai. Ambros war auf eine Akazie gestiegen und gerade dabei, ein Nest zu leeren, als er den Wächter unvermutet zurückkommen sah. Vor Schreck griff er nach einem zu schwachen Ast; der brach, und der Junge fiel jämmerlich herab. Es war nur ein Glück für ihn, dass ein paar kräftigere Äste den Sturz abgeschwächt hatten. Der Parkwächter wollte kein weiteres Aufsehen machen, sondern nahm den Buben, der nicht gehen konnte, unterm Arm und brachte ihn heim. Der rasch herbeigeeilte Doktor Glas schiente das gebrochene Bein...



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