E-Book, Deutsch, 500 Seiten
Reich Jonah Fink
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-1394-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Prophezeiung der Seher
E-Book, Deutsch, 500 Seiten
ISBN: 978-3-7526-1394-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf den ersten Blick scheint Jonah Fink ein ganz normaler Junge zu sein. Er geht zur Schule, interessiert sich für Fußball, hat Freunde. Doch es gibt einen wunden Punkt in seinem Leben: Sein Vater ist von einem Tag auf den anderen verschwunden. Seitdem ist nichts mehr so wie vorher. Drachenfels am Fuße des Rhenus. In der renommieren Schule eines magischen Ordens, geht die Angst um. Der Kanzler des Landes, Gereon Ggyffel, hat die magischen Orden auf eine schwarze Liste gesetzt, um sie und ihre Kräfte kontrollieren zu können. Der Leiter der Schule Magie-Großmeister Giselherr Großefuß, lässt sich davon nicht einschüchtern und geht seinen eigenen Weg. Doch die Zeiten stehen auf Sturm. Es geschehen merkwürdige Dinge, die ihn zum Handeln zwingen, wenn er seine Welt, die Welt hinter den heiligen, schützenden Nebeln, die einstige Welt der großen Druiden und Hexen, retten will.
Michael Reich geboren und aufgewachsen in Essen, schreibt neben Kinderbüchern die erfolgreiche Thrillerreihe um die Kölner Hauptkommissarin Elise Brandt.
Autoren/Hrsg.
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EIN MANN NAMENS GARIBALDI
Der Wind heulte Furcht einflößend um die alten Mauern von Drachenstein. In dem alten Schloss herrschte seit dem Abschlussball, an dessen Anschluss die Schüler und Ordensmitglieder, mit wenigen Ausnahmen, in die Semesterferien gefahren waren, bedrückende Stille. Das machte das Heulen des Windes unerträglich. Doch er hörte noch etwas Anderes. Schritte, auf dem Flur vor seinem Zimmer. Schnelle Schritte, hastige Schritte. Dann wieder Stille. Ein deutlich vernehmbares Klopfen hallte in den dunklen, verlassenen Gängen des alten Hauses wieder. »Ja. Bitte.« Er wandte den Kopf und starrte auf die Tür, deren Klinke sich wie von Geisterhand nach unten bewegte. Die Tür öffnete sich mit leisem Quietschen in den rostigen Angeln. Ein kleiner Mann mit rundem Kopf stand im Türrahmen und fixierte Großefuß. Sein kariertes Cape, dessen Saum fast den Boden berührte, war mit funkelnden Regentropfen übersät. Magie-Magister Osbert Ohneland, trat ins Zimmer und – nieste kräftig. »Ein scheußliches Wetter«, kommentierte Großefuß. »Bitte schließen sie die Tür, Osbert. Und ziehen Sie, um Askarbans Willen, den nassen Mantel aus.« Ohneland schloss kommentarlos die Türe und entledigte sich seines Mantels, indem er ihn achtlos über die Rückenlehne eines hohen Ohrensessels warf, was Großefuß mit einem Stirnrunzeln kommentierte. »Haben Sie es?« Ihre Blicke kreuzten sich. Osberts kleine, in ein feines Spinnennetz aus zahlreichen Fältchen eingebettete helle Äuglein funkelten. »Es lag an der von Ihnen beschriebenen Stelle. Woher ...?« Der Großmeister nickte bestätigend. Und gemahnte den kleinen Osbert mit einer eindeutigen Bewegung seiner Hand zum Stillschweigen. Osbert duckte den Kopf. Dem großen Meister seine kleinen Geheimnisse entlocken zu wollen, daran waren schon ganz andere gescheitert. In letzter Zeit aber gab er sich noch geheimnisvoller als sonst. Auch wirkte er angespannt, ja, sogar erschöpft. Das war Osbert aufgefallen. Und – seit zwei Tagen trug er an der linken Hand einen schwarzen Handschuh. Osbert wagte nicht, ihn darauf anzusprechen. Der Magister zog hinter seinem Rücken ein dickes Buch mit buntem Umschlag hervor und platzierte es behutsam auf dem wuchtigen, reich verzierten Schreibtisch des Großmeisters. Der Magie-Großmeister ließ den Blick für einen Augenblick ruhen, und niemand hätte an seiner starren Miene ablesen können, was er dachte. »Sehr produktiv, die Dame«, sagte er leise. »Der sechste Band«, ergänzte Osbert. »Sie haben hineingesehen?« Der kleine Magister nickte. »Voller Unsinn und Albernheiten. Man schwenkt kleine Stöckchen durch die Luft, fliegt auf Besen und trägt komische Hüte. Die Treppen der Häuser wandern und die Bilder sprechen.« »Ihre Schlussfolgerung?« Osbert stützte die Hände auf der Schreibtischplatte ab und beugte sich vor. »Das ist keine Gefahr. Reine Fantasie. Sie weiß nichts von uns.« Osbert sah ein unruhiges Flackern in den dunklen Pupillen des Großmeisters. Er schien nicht überzeugt. Oder war da noch anderes, dass ihn beunruhigte? Er hatte den Verdacht, dass er ihm nicht alles sagte. »Was glauben Sie denn, Großmeister? Dass sie bei uns ein- und ausspaziert oder gar einen Spion hat, der das für sie tut? Die Weltenwanderer sind eine Spezies, die ausgestorben ist. Die heiligen Nebel sind sicher.« Er sah, wie sich die schmalen Lippen des Großmeisters so fest aufeinanderpressten, dass sie nur noch ein schmaler Strich waren. Er wandte sich abrupt ab und sah zu einem der hohen Fenster hinaus. Ein greller Blitz durchzuckte den nachtschwarzen Himmel. Aus einiger Entfernung war Donnergrollen zu hören. »Geben es die Götter, dass Sie Recht haben, Osbert.« Ein unangenehmes Schweigen breitete sich im Zimmer aus. Magie-Magister Ohneland nahm stillschweigend seinen Mantel und schickte sich an das Zimmer wieder zu verlassen. Die Hand schon auf dem Türgriff, wandte er sich noch einmal um. Stumm maßen sich die beiden Magier mit Blicken. Abrupt wandte sich Ohneland ab, öffnete die schwere Eichenholztüre und trat hinaus auf den dunklen Flur. Großmeister Giselherr Großefuß atmete erleichtert auf, nachdem die Türe ins Schloss gefallen und er wieder alleine war. Zweifel nagten in ihm. Sollte er sich nicht besser jemandem anvertrauen? Er ging zu seinem Schreibtisch und zog die oberste Schublade auf. Einen Augenblick zögerte er, dann holte er einige fein säuberlich mit violettem Atlasband zusammengebundene Bündel Pergamentseiten hervor. Er entfernte das Band und rollte die Seiten auseinander. Alle Schriftstücke waren mit der gleichen blassbraunen Tinte beschrieben, die Buchstaben und Sätze ordentlich, vielleicht, ein bisschen zu bemüht, niedergeschrieben. Und noch etwas war auf allen Pergamenten gleich: Es zierte sie eine Unterschrift, schwungvoll mit roter Tinte geschrieben: Garibaldi Großefuß las die letzte Nachricht, die er am Morgen dieses Tages auf seinem Schreibtisch liegend vorgefunden hatte. Es war die Vierte. Seht Ihr die Wolken am Himmel nicht? Sehr Ihr nicht Schatten, die die Sonne verdunkeln? Wenn sich die aufgepeitschte Brandung des Meeres an schwarzglänzenden Felsen bricht und die Orakel, flüsternd noch, von großem Unheil munkeln. Stehen die Zeichen der Zeit auf Sturm. Sind sie gewappnet, Großmeister? Erkennen Sie die Zeichen? Ich habe ein Geschenk für Sie, am Fuße der toten Eiche. Garibaldi Er sah hoch und ließ seine Augen durch den Raum schweifen. Alistair von Aschenbruch, die letzten Worte des Heilers aus seinen berühmten Schattengedichten. Jeder Nachricht von Garibaldi waren Auszüge aus Aschenbruchs Schattengedichten vorangegangen. Sein Blick fiel auf das dicke Buch mit dem marktschreierisch bunten Umschlag, das, wie angekündigt, am Fuße der toten Eiche gelegen hatte. Ein Geschenk ... Sogleich fiel dem Großmeister eine andere von Aschenbruchs Gedichtzeilen ein: Flieht nicht die Schatten; sie holen euch ein. Kämpft, wie ein Mann, ungeachtet der Pein. Denn die Nebel, zerfetzt, werden euer aller Untergang sein. Jonah
Die Nacht hatte sich über die Stadt gesenkt. Jonah lag mit offenen Augen in seinem Bett und starrte zur Decke, an die die Straßenbeleuchtung vor dem Haus ein helles Rechteck gemalt hatte. Immer wenn draußen etwas durch den Lichtkegel der Laterne ging oder flog, warf es einen langen Schatten an die Decke. Seit diesem Nachmittag, fühlte sich Jonah verunsichert. Irgendetwas war nicht mehr wie vorher, seit er auf dem Dachboden gewesen war. Ein leises Kratzen auf dem Flurboden vor seiner Zimmertür riss ihn aus seinen Gedanken. Er richtete sich im Bett auf. Herkules! Er strich durch das Haus. Jonah starrte auf die Ritze unter der Tür. Das Licht aus den unteren Räumen schien hindurch. Er sah den Schatten des Katers, der ohne sich zu bewegen, auf dem Flur vor seiner Tür wartete. Jonah glaubte sogar, leise den rasselnden Atem des Tieres zu hören. Was suchte er vor seiner Tür? »Verschwinde!«, rief Jonah leise. Doch der Schatten blieb. Ein einsamer Wächter auf seinem Posten. Oder ein Spion? Jonah richtete sich langsam auf und griff unter seine Matratze. Er fühlte das warme Leder des Buches und zog es langsam hervor. Herkules, vor seiner Tür, stieß ein leises Fauchen aus. Jonah sah, wie sich der Schatten langsam fortbewegte. Jonahs Finger zitterten leicht, als er das Buch öffnete. Sofort erkannte er die schöne, geschwungene Handschrift seiner Mutter ... Immer wieder versuchte Jonah sich das junge Mädchen vorzustellen, das einst über diesem Buch gehockt hatte, hörte selbst das kratzende Geräusch des Füllers auf dem weißen Papier. Ein seltsames Gefühl. Sie hatte diesem Buch ihre geheimsten Gedanken, ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte anvertraut. Durfte er es lesen? Warum hatte sie es auf den Boden verbannt? Er fühlte sich schuldig, doch seine Neugier war stärker. Er hoffte, vor allem etwas über seinen Vater zu lesen, über die Zeit, als sie sich kennen gelernt hatten. Er begann zu blättern. Immer wieder blieb er an bestimmten Stellen haften. Einiges fand er sehr mädchenhaft, über manches musste er lächeln, anderes wieder kam ihm vertraut vor. Er begann das Gefühl des Unwohlseins, bei dem Gedanken, etwas zu lesen, das sicher nicht für seine Augen bestimmt war, zu...




