Reich | Der Corona-Idiot | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Reich Der Corona-Idiot

Ein bewegender Roman über die Pandemie und die Liebe

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-7597-1749-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Doch wer ist nun dieser "Corona Idiot"? Auf den ersten Blick ist es der Schriftsteller Clemens, der in mehrerlei Hinsicht seine Heimat verliert, dann Sarah begegnet und mit ihr als Gefährtin durch eine unwirkliche Zeit wandert.« Südkurier »Hilflosigkeit, Angst und Entzweiung, aber auch Liebe und Zusammenhalt werden in knapper, genauer Sprache geschildert.« QLT »Schon zu Beginn der Lektüre hat man das eigenartige Gefühl einer Zeitreise. Wie Reich den Jahresanfang unmittelbar vor Ausbreitung des Virus nach Europa beschreibt, wirkt eigenartig vertraut und fremd zugleich.« Schwarzwälder Bote »Und plötzlich war die Grenze zu.« Konstanzer Anzeiger

Markus Reich wurde 1968 in Rastatt/Baden geboren und wuchs in der Region Stuttgart und im Schwarzwald auf. Während des Ingenieurstudiums entdeckte er die leidenschaftliche Liebe zur Literatur. Studienaufenthalten in Frankreich und Indien schloss sich eine zehnjährige berufliche Reisetätigkeit in vierundzwanzig Ländern an. Seit 2017 ist Markus Reich freier Autor und schreibt Romane, Erzählungen, Drehbücher und Theaterstücke. Buchveröffentlichungen: Zunächst erschienen sechs Erzählungen: »Tante Bella und die Grünpflanzenkommissarin«. Die Titelgeschichte wurde mit dem 1. Preis im Rahmen der LiteraTour auf dem Bodensee 2017 beim IBC-Kurzgeschichtenwettbewerb ausgezeichnet. Es folgte der abenteuerliche Reiseroman »Die Indienreise der wundersamen Begegnungen«. »Der Corona-Idiot« beschreibt eine fast unmögliche Liebe in verwirrenden Zeiten. »Liebe mich in einer neuen Zeit«. Ein ungleiches Liebespaar in gefahrvoller Auseinandersetzung mit den Mächtigen. »Der Märchenphilosoph«. Eine heitere, sentimentale Reise voller Irrtümer und Glück.
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Tigerkäfig
Schritt für Schritt trudelte das Land in den Corona-Modus, wie nach und nach die ganze Welt. Hamsternde Käufer trieben ihr panischsinnloses Unwesen, die Fernsehkanäle weiteten ihre Berichterstattung über das alles dominierende Thema massiv aus: Nach den Nachrichten ging es nahtlos weiter, eine Sondersendung jagte die nächste. Landesweit wurde gerätselt, warum die Panikkäufe vor allem auf Klopapier fixiert waren. Zufriedenstellende Antworten gab es keine. Regalbretter, in denen Nudelpackungen stehen sollten, gähnten leer geräumt und irgendwo tauchte das Bild einer weinenden und erschöpften Krankenschwester auf, die spätabends von der Arbeit kommend in einem Laden vor den nackten Regalen stand. Es wurden dringend Mitarbeiter gesucht, um Waren einzuräumen. Im Regionalradio berichtete die Leiterin eines Supermarktes, dass zwar alles täglich neu aufgefüllt würde, aber sie besorgt um jene Lebensmittel sei, die in unüblichen Mengen von Privatpersonen gekauft würden. Eine Einzelperson hätte dreißig Packungen Knäckebrot erworben, woraufhin die Interviewte die Befürchtung äußerte, dass diese früher oder später im Müll landen würden. Bisher ungewohnte Verhaltensregeln wurden rasch zur neuen Normalität. Wenn man jemanden auf der Straße traf, ging man Abstand haltend umeinander herum oder blieb zwei Meter voneinander entfernt stehen. Der Abschiedsgruß „Bleib gesund“ wurde zur Regel. Wenn Leute sich auf dem Gehsteig unterhielten, wenn auch mit ausreichendem Zwischenraum, war störend, dass sie dabei rechts und links des Weges standen. Sodass man zwischen ihnen hindurchgehen musste und dabei den Mindestabstand nicht einhalten konnte. Mich überraschte, dass ein Bekannter immer fanatischer reagierte. Er kannte kein Halten mehr und verschickte mindestens einmal täglich einen Link, der zu verschiedenen Quellen führte, die sich in gewagten, unlogischen und unhaltbaren Aussagen übertrafen. Jedoch war er damit nicht allein. Je abstruser die Theorie, desto begeisterter wurde sie scheinbar von einer gewissen Klientel aufgenommen. Erschreckend an der ganzen Sache war, dass immer mehr Freunde, die ich für vernünftige Menschen gehalten hatte, die wunderlichsten Theorien verbreiteten. Ergebnislos fragte ich mich, warum sie das taten. Das Virus war endgültig in Europa angekommen und alles änderte sich schneller als erwartet. Der große Einschnitt kam Ende März. Bund und Länder beschlossen strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Daraufhin war es Millionen von Deutschen nicht mehr möglich zu arbeiten. Manche konnten nach einer kleineren oder größeren Umstellung im Homeoffice ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Spürbar wurde die Krise für die Konstanzer durch die Sperrung der Grenzen. Die Schweizer Berge, die bei guter Sicht majestätisch hinter dem See aufragen, rückten über Nacht in unerreichbare Ferne, obwohl die Luftlinien-Distanz zwischen Konstanz und dem zweitausendfünfhundert Meter hohen Säntis weniger als fünfzig Kilometer beträgt. Cynthia musste schweren Herzens ihre Cafés schließen. Mit einem Mal gab es auch für sie nichts mehr zu tun. Dies war eine völlig neue Situation für meine erfolgsverwöhnte Lebensgefährtin, die wie ein Tiger in der Wohnung aufund ablief. Nicht aktiv zu sein, war unerträglich für Cynthia. Nachdem sie nicht mehr während des Vormittags durch ihre Cafés ging, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist, keine Anweisungen geben konnte, weder Kontakt zu Stammkunden hatte noch Macht über Angestellte, schien sie geradezu zu implodieren. Sie hatte mit einem Mal nicht mehr das Gefühl, wichtig zu sein und gebraucht zu werden. Somit wandte sich die Energie, die sie ansonsten tagtäglich versprühte, gegen sie selbst. Cynthia war so ganz und gar nicht für das dolce far niente geschaffen. Das Nichtstun war eine außerordentliche Qual für sie. Die meisten Geschäfte waren geschlossen, geöffnet hatten unter anderem die Lebensmittelläden, Bäckereien, Baumärkte, Apotheken und die Drogeriemärkte. Als Cynthia vom Einkaufen zurückkehrte – eine Tätigkeit, der sie sich jahrelang entzogen und der Köchin übertragen hatte – berichtete sie, dass im Supermarktgang ein Kunde mit einem Karton voller Reinigungsmittel an ihr vorbeigeeilt sei. Andere Einkaufende hätten empört zugeschaut. Der Mann hielt die mit grünen Flaschen gefüllte Pappschachtel umklammert, schaute an der Kasse stur geradeaus, bezahlte, lief mit seiner Beute eilig von dannen und ward nie mehr gesehen. Indessen rückte der Tag meiner ersten Lesung näher. Ich hatte mich seit Wochen darauf vorbereitet. Aber eine Lesung nach der anderen wurde abgesagt, weil entsprechende Verordnungen erlassen wurden. Der Geschäftsführer einer Kleinkunstbühne rief mich an, statt per E-Mail abzusagen. Er konnte nur darüber spekulieren, wie lange sie schließen müssten, und erwähnte nebenbei, dass ihm zwei Personen mitgeteilt hätten, dass sie ihre Tickets für meine Veranstaltung nicht zurückgeben werden. Ich wäre am liebsten zu diesen großzügigen Menschen geeilt und hätte sie umarmt. Wie viel mir das bedeutete! „Einige haben Gutscheine gekauft“, sagte der Geschäftsführer. „Obwohl wir ihnen nicht garantieren können, dass jemals wieder ein Künstler unsere Bühne betreten wird, weil wir nicht wissen, ob wir diese Krise überstehen werden. Schließlich weiß kein Mensch, wie lange das alles dauern wird.“ Somit wurde mein Vorhaben, als Autor durchzustarten, vereitelt, auf das ich im Grunde jahrelang hingearbeitet hatte. Noch vor wenigen Monaten hatte ich nicht im Traum gedacht, dass so etwas geschehen würde. Ich hatte befürchtet, dass ich krank werden könnte und mir alle möglichen und unmöglichen Szenarien ausgemalt, die meine Lesungen sabotieren könnten. Dass ein klitzekleiner Virus aus einem fernen Land meine Auftritte verhindern würde – darauf wäre ich nie gekommen. So erging es vielen. Den ersten Verboten folgten rasch weitere Bestimmungen. Die komplette Lesetournee konnte ich somit abschreiben. Ich hatte mich dazu gezwungen, Marketing zu betreiben und öffentliche Termine zu vereinbaren. Wochen hatte ich damit verbracht, fünfundzwanzig Leseabende in der Region zu vereinbaren. Um nun mit leeren Händen dazustehen. Alles brach zusammen, auf das ich mich seit Jahren, durch das Schreiben meines ersten Romans, vorbereitet hatte. Das Vorhaben, meine fanatische Liebe zur Literatur als Autor auszuleben, war gründlich gescheitert. Am Ende hätte sich wahrscheinlich sowieso kein Mensch dafür interessiert. Vielleicht war mir sogar ein Misserfolg erspart geblieben. Jedenfalls war der Versuch, eine bescheidene Bekanntheit zu erlangen, gründlich missglückt. Wenn etwas fehlschlägt, unken Ratgeber, soll man aufstehen und weitermachen. Erfolgreich sei derjenige, welcher nach einer Niederlage nicht aufgibt. Cynthia lief indessen weiterhin wie eine verärgerte Tigerin durch die Wohnung. Sie brauchte die Außenwelt viel mehr als ich. Sie hatte niemanden mehr, außer mir und unserer Köchin, dem sie Anweisungen geben konnte. Das imaginäre Klingeln der Kassen fehlte ihr. Dass ihre Cafés geschlossen bleiben mussten, trieb sie zum Wahnsinn. Jeder bestellte und bezahlte Cappuccino ließ ihr Herz höherschlagen, als ob ihr Kreislauf durch die Einnahmen des Tages befeuert wurde: Jede eingenommene Euromünze löste einen Pulsschlag aus. Außerdem musste Cynthia immer schwarze Zahlen schreiben, sie konnte gar nicht anders: All ihre Handlungen dienten der Gewinnmaximierung. Ihr Vermögen musste sich stets vermehren. Es wuchs seit Jahren unaufhaltsam an, das war gar nicht anders möglich. Sie würde auch diesmal einen Weg finden. Cynthia war bald schon damit beschäftigt, ihren Steuerberater anzurufen, der ihr die Anträge auf Soforthilfen erklären und Anträge auf Kurzarbeitergeld stellen musste. Sie überwies Geld hin und her und tätigte Investitionen, um kein verfügbares Geld zu haben, drehte an sämtlichen Stellschrauben, setzte alle Hebel in Bewegung. Es war für sie eine sportliche Aufgabe, die Staatshilfen in voller Höhe zu kassieren. Wenn diese jemand nicht nötig hatte, dann Cynthia. Sie besaß ein großes Vermögen, zudem ein Haus in bester Lage und verbuchte jährlich einen Gewinn im sechsstelligen Bereich. Wohlgemerkt: Gewinn, nicht Umsatz. Danach war meine Lebensgefährtin endgültig der Tatenlosigkeit überantwortet. Cynthia war von einer hastigen Unruhe erfüllt, die sie nicht kontrollieren konnte und der sie vollkommen ausgeliefert war. Sie brauchte die Außenwelt, die Zerstreuung durch die zahllosen Abläufe in ihren Cafés und genoss es, ihre Angestellten anzuleiten. „Ohne meine Arbeit bin ich nur ein halber Mensch“, stöhnte sie. Wenn ich mich umschaute und umhörte, war nicht zu übersehen, dass die Menschen des 21. Jahrhunderts...


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