Rehbock / Müller | Das unsichtbare Spiel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Rehbock / Müller Das unsichtbare Spiel

Die verborgene Psychologie von Verhandlungen und Kaufentscheidungen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96267-508-0
Verlag: FinanzBuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die verborgene Psychologie von Verhandlungen und Kaufentscheidungen

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-96267-508-0
Verlag: FinanzBuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Unbewusste Denkfehler verstehen und nutzen

Argumente, Zahlen und Fakten bilden die eine Seite von Geschäftsbeziehungen ab. Neben diesem sichtbaren Teil spielen auch eingefahrene Denkmuster, emotionale Einflüsse und intuitive Entscheidungen eine signifikante Rolle. Dieser unbewusste Anteil unseres Verhaltens ist größtenteils automatisiert, bestimmt aber maßgeblich den Erfolg in einer Verhandlung.

Gabriele Rehbock und Kai-Markus Müller nennen diesen Teil der Interaktion zwischen Geschäftspartnern »das unsichtbare Spiel«. Die Autoren erklären, wie man in diesem unsichtbaren Spiel geschickt defensiv spielt oder erfolgreich in die Offensive geht. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften, der Psychologie und Verhaltensökonomie dient das Buch als praktischer Leitfaden, um das eigene Verhalten besser zu steuern, andere Spieler gezielt zu beeinflussen und am Ende zu gewinnen.

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Kapitel 4
Relativität und Ankern: die Illusion der Zahlen.
Der Koffer für Ihren Winterurlaub ist gepackt. Sie haben ihn mit warmer Kleidung, mit Pullovern, Hosen, Wollsocken und Winterstiefeln vollgestopft. Obendrauf noch ein oder zwei gute Bücher und schon kann es losgehen! Sie sind spät dran, steigen ins Auto und fahren los. Während Sie auf der Autobahn zum Flughafen fahren, geht das Gedankenkino los: »Habe ich die Tür abgeschlossen? Habe ich die Heizung runtergedreht? Ja, alles gut!« Doch dann haben Sie plötzlich Schweißtropfen auf der Stirn. Mit Schrecken denken Sie an den Check-in-Schalter am Flughafen: »Was mag mein Koffer wiegen? Komme ich durch, ohne für Übergepäck zahlen zu müssen?« Unsere eigenen Koffer nutzen wir (Gaby und Kai) ab und an für folgendes Experiment: Wir bitten Teilnehmer und Teilnehmerinnen unserer Workshops, einen unserer Koffer einfach mal in die Hand zu nehmen und sein Gewicht zu schätzen - natürlich ohne eine Waage zu benutzen. Was wir da alles zu hören bekommen! Die Bandbreite der Schätzungen verblüfft uns immer wieder. Nur selten ist die Antwort tatsächlich richtig, noch seltener begegnet uns jemand, der die Aufgabe mit echtem Selbstvertrauen angeht. Es gibt einen neurobiologischen Grund dafür, warum niemand das Gewicht eines Koffers mit einem simplen Handgriff - einfach so - exakt angeben kann. Es fällt uns schwer, Gewichte richtig einzuschätzen, weil in unserem Gehirn dafür kein Zähler installiert wurde. Der Mensch denkt nicht in absoluten Zahlen. Wir sind nicht mit internen Thermometern, Waagen, Uhren oder Kilometerzählern ausgestattet. Unsere Gehirne können weder lange Entfernungen oder den Wert von etwas messen oder Erfolg auswiegen. Unsere Gehirne sind für eine qualitative Welt geschaffen, in der wir eine Verbindung zwischen zwei Bezugspunkten legen . Die Bedeutungen, die wir einzelnen Zahlen zuweisen, sind deshalb für unser Gehirn reine Theorie und eine relativ neue Erfindung. Denn die meiste Zeit unserer menschlichen Existenz spielten Quantifizierungen überhaupt keine Rolle. Aus diesem Grund wollen wir uns nun dem »Konzept der Relativität« zuwenden. Dabei handelt es sich nicht um Relativität im Sinne von Albert Einsteins berühmter Theorie, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie unser Gehirn die Welt wahrnimmt. Dazu passt eine Anekdote über die Temperaturumrechnung von Celsius in Fahrenheit. »Vergessen Sie die ganzen mathematischen Formeln«, sagte uns einmal ein erfahrener Angler. »Es ist wirklich einfach: 10 °C sind 50 °F. 20 °C sind 70 °F und 30 °C sind 90 °F.« Darauf hingewiesen, dass seine Berechnungen immer um ein paar Grad daneben lagen - und mit steigender Temperatur immer schlechter wurden -, lächelte er und antwortete: »Können Sie ohne Thermometer wirklich den Unterschied zwischen 18 und 20 Grad erkennen? Ich glaube nicht.« Für den Menschen, für sein System 1, ist nicht die absolute Information als solche wichtig, sondern der Unterschied zwischen zwei Informationen und vor allem, wie stark die Abweichung von den für uns als normal empfundenen Bedingungen ist. Aus evolutionärer Sicht ist der Unterschied zwischen 18 und 20 Grad bedeutungslos. Es ist nur ein Konstrukt von System 2 und dessen intellektuellen Versuchen, die Welt zu erklären. System 1 dagegen sorgt in dieser Welt für unser (Über-)Leben und muss dafür nur wissen, wann es zu warm wird, um sich noch wohlzufühlen, oder so heiß, dass man vor einem Feuer fliehen muss. Dieses Relativitätskonzept beeinflusst Verhandlungen in vielfältiger Art und Weise, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Situation 4.1: Der neue Einkäufer hat keinerlei Branchenerfahrung. Ich habe mit einem neuen Einkäufer zu tun, der vorher in einer ganz anderen Branche gearbeitet hat. In meinen Verkaufsverhandlungen kommt es immer wieder zu Verzögerungen, weil alle Beispiele, die er vorbringt, aus seiner früheren Branche stammen. Ihre Branche ist dem neuen Einkäufer fremd. Es gibt (noch) keine gemeinsamen Diskussions- und Entscheidungsgrundlagen. Was ist gut oder schlecht? Was wichtig oder unwichtig? Und was ist neu oder alt? In Ermangelung solch gemeinsamer Orientierungspunkte greift sein Gehirn auf Vergleiche mit seiner bisherigen Branche zurück. Es sucht nach einem geeigneten Kontext, der es ihm ermöglicht, Ihre Branche zu verstehen. Dazu sagt die Wissenschaft: Das Beispiel beschreibt eine Form der Wahrnehmungsrelativierung. Ihre Branche wird vom Gehirn des Einkäufers nach seinen bisherigen Erfahrungen, nach ihm bekannten, für Ihre Branche aber weniger relevanten Kriterien beurteilt. Je länger das Gehirn des Einkäufers in diesem Rahmen arbeitet, desto mehr wird sein Erfahrungstransfer, werden seine alten Schlussfolgerungen wieder zu seinen festen Bezugspunkten, trotz neuer Gegebenheiten in einer neuen Branche. Diese Illusion von Stabilität wird im Laufe der Zeit stärker und stabiler, sodass es ihm immer schwerer fallen wird, loszulassen. Zum jetzigen Zeitpunkt sucht der Einkäufer noch nach Orientierung und Bezugspunkten. Er versucht, (relative) Zusammenhänge zu erkennen, um sich in dem neuen Umfeld sicher zu fühlen. Daher besteht Ihre eigentliche Herausforderung darin, sich zu überlegen, wie viel Zeit und Geld Sie in die »Ausbildung« dieses Einkäufers investieren wollen, und noch wichtiger, welchen Kontext Sie setzen und welche Zusammenhänge Sie ihm erklären wollen.37 Unsere Empfehlung: Lassen Sie nicht zu, dass das Gehirn des Einkäufers seine eigenen unkontrollierten und unkontrollierbaren relativen Bezugspunkte schafft. Die Tatsache, dass er absichtlich oder unabsichtlich seine Unkenntnis über Ihre Branche offenbart, ist eine offene Einladung, dem Neuen Ihren Kontext zu vermitteln. Nutzen Sie die Gelegenheit, damit auch zukünftige Verhandlungsrahmen abzustecken. Es ist Ihre Aufgabe und Chance, das Onboarding eines neuen Einkäufers mit allgemeinen Informationen über Ihre Branche, Ihr Unternehmen und Ihre gemeinsame operative Zusammenarbeit zu relativieren, bevor die eigentliche Arbeit beginnt. Es ist in Ihrem Interesse, wenn Sie seine neue Welt mit geeigneten Maßstäben und Zahlen ausstatten, statt ihn mit branchenfremden Analogien alleinzulassen, die schlimmstenfalls zu indiskutablen Erwartungen und absurden Forderungen führen können. Daten, Fakten und alle Hinweise, die Sie aus dem Umfeld der Verhandlungen bekommen, bilden den Rahmen für jede professionelle Verkaufsverhandlung und bestimmen maßgeblich deren Ergebnis. Aber Relativität beeinflusst, wie wir die Hinweise aufnehmen und den gesamten Kontext interpretieren. Die meisten geschäftlich wichtigen Entscheidungen umfassen zu viele Aspekte, als dass ein normaler Mensch sie alle berücksichtigen könnte. Deshalb ist Fokussierung so wichtig. Um Entscheidungen treffen zu können, müssen wir uns auf die für den Gesamtkontext wichtigsten Aspekte konzentrieren und alles, was nur für uns persönlich interessant ist, außer Acht lassen. Nur so erzielen wir Fortschritte. Wer immer in einer Verhandlung entscheidet, was wichtig oder weniger wichtig ist, legt den Rahmen fest, in dem die Verhandlung abläuft. Derjenige, der diese Entscheidungen trifft, setzt nicht nur einen seinen eigenen Interessen entsprechenden Rahmen, sondern hat immer auch noch die Möglichkeit, später weitere Elemente einfließen zu lassen, die er vielleicht ganz bewusst zunächst aus der Verhandlung herausgehalten hat. Es ist wichtig, dass Sie beeinflussen, wenn nicht sogar bestimmen, welche Themen in welcher Reihenfolge besprochen werden. Sie sollten sich aber genauso im Klaren darüber sein, welche Themen für Sie nicht verhandelbar sind. Relativität und Preise: Wie Anker Wahrnehmungen verschieben
Kehren wir zum Kofferexperiment zurück, dieses Mal aber mit einem etwas anderen Ansatz. Jetzt sagen wir den Probanden, dass der Koffer 25 Kilo wiegt, und geben ihnen dann einen weiteren leichteren Gegenstand, dessen Gewicht sie wiederum schätzen sollen. Und siehe da: Die Testteilnehmer schätzen jetzt das Gewicht dieses zweiten Objekts viel besser ein, als sie das im ersten Experiment - beim Koffer ohne Referenzpunkt - konnten. Menschen können Gewichtsunterschiede also gut erkennen. Und mit ein wenig Hilfe sind sie in der Lage, ein unbekanntes Gewicht in Relation zu anderen Gegenständen zu setzen und es mit einer gewissen Genauigkeit zu bestimmen. Und jetzt wird es richtig spannend. Behaupten wir nämlich, dass der Koffer 30 und nicht 25 Kilo wiegt, werden die Teilnehmer an unserem kleinen Test ihre Zahlen entsprechend anpassen! Sie stützen ihre eigene Einschätzung des Gewichts plötzlich auf die Zahl, die wir ihnen nennen. Solange diese Zahl einigermaßen plausibel ist - natürlich würden wir nicht behaupten, dass ein 20-Kilo-Koffer 50 oder 100 Kilo wiegt - funktioniert dieses Experiment. Unser Hinweis relativiert die Wahrnehmung und wird vom Kofferträger unbewusst als Bezugspunkt akzeptiert. Dies ist ein ganz typisches System-1-Verhalten, bei dem unser System 1 mit einer uns zufriedenstellenden Antwort auf das Problem reagiert, bevor der kritische Blick von System 2 überhaupt zum Zug kommen kann. Unsere bewusste und absichtliche Nennung einer Zahl wird als »ankern« (engl. »Anchoring«) bezeichnet.38 Anker setzen Referenzpunkte, in der Regel in der Form von Zahlen, die es dem menschlichen Gehirn ermöglichen, eine relative Beziehung zu erkennen (heiß gegen kalt, schwer gegen leicht, wichtig gegen unwichtig). Diese Vorgehensweise entspricht dem präferierten Modus Operandi von System 1. Anker erleichtern dem Gehirn also die Entscheidungsfindung. Ankern hat eine so hohe...


Rehbock, Gabriele
GABRIELE REHBOCK ist ein erfolgreicher B2B-Vertriebsprofi. In ihrer Tätigkeit hatte sie P&L-Verantwortung für bedeutende multinationale Key Accounts wie z.B. Colgate-Palmolive, Henkel oder Procter & Gamble. Gemeinsam mit Professor Müller bietet sie NeuroSmart Pricing™ Workshops an und ist als Sales Strategy Coach tätig.

Müller, Kai-Markus
Prof. Dr. Kai-Markus Müller ist Neurowissenschaftler, Professor für Konsumverhalten an der Hochschule Furtwangen und Erfinder des NeuroPricing®-Konzepts. Er hat über zwölf Jahre Erfahrung im Bereich Pricing Management, ist als Berater für das Marktforschungsunternehmen Neurensics tätig, Autor von diversen Büchern und ein häufig gebuchter Redner.

Gabriele Rehbock ist Industriekauffrau mit internationaler Erfahrung. Sie war neun Jahre Geschäftsführerin bei dem Schweizer Kosmetikhersteller Firmenich und ist nun als NeuroSmart Pricing Consultant und Account Strategy Coach selbstständig tätig.

Prof. Dr. Kai-Markus Müller ist Neurowissenschaftler, Professor für Konsumverhalten an der Hochschule Furtwangen und Erfinder des NeuroPricing®-Konzepts. Er hat über 12 Jahre Erfahrung im Bereich Pricing Management, ist als Berater für das Marktforschungsunternehmen Neurensics tätig, Autor von diversen Büchern und ein häufig gebuchter Redner.



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