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E-Book, Deutsch, 138 Seiten
Eine Chronik
E-Book, Deutsch, 138 Seiten
Reihe: Chronik der Philosophischen Werke
ISBN: 978-3-7873-4694-3
Verlag: Felix Meiner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
der einzelnen Titel nach Schulen, Richtungen oder anderen
Kriterien.
Die 'Chronik' gibt für jedes aufgeführte Werk eine kurze Inhaltsangabe und gliedert sich – anders als andere Lexika, die die Werke entweder nach Autorennamen oder nach dem Titel in alphabethischer Folge auflisten – nach dem Jahr der Erstveröffentlichung im Druck. Damit wird zugleich der Blick auf das Umfeld aller bedeutenden philosophischen Publikationen eröffnet, die zeitnah oder zeitgleich oder kurz darauf hier oder dort erschienen waren und so allgemein zugänglich wurden.
Dies ermöglicht überraschende Erkenntnisse über die philosophische Publikationslandschaft eines bestimmten Zeitabschnitts und den Nachvollzug neuer, bisher unbeachtet gebliebener Querverbindungen oder wechselseitiger Einflüsse, die seit der Einführung des Buchdrucks den Diskurs sehr viel offener und umtriebiger bestimmten und belebten als in den alten Zeiten der Klosterhandschriften.
Der Band umfasst neben einer Einführung in die Epoche Hinweise auf und Kurzbeschreibungen der wichtigsten philosophischen Werke des 15. und 16. Jahrhunderts.
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I.1Quellen des Platonismus und des Aristotelismus (Plethon, Bessarion, Georg von Trapezunt, Valla)
In Italien war der von Plethon angeregte Theorievergleich Platon – Aristoteles (vgl. 1439/1523 Plethon) bereits in den Folgejahren umfassend rezipiert worden. Basilius Bessarion (1403–1472), ein Schüler der von Plethon gegründeten Philosophenschule in Mistra, wurde dagegen schon sehr früh als Verteidiger des Aristoteles gelesen (1469 Bessarion). Solange die Werkausgaben von Platon und Aristoteles noch nicht gesammelt und gedruckt vorlagen, konnten die streitenden Theoretiker sich nur auf verfügbare Einzelschriften berufen, wenn sie Argumente etwa für die Schöpfungstheologie, für die kosmische Ordnung oder für die Unsterblichkeitsthese sammelten. Im Mittelalter lagen von Platon lateinische Übersetzungen nur vom Timaios (Weltentstehungslehre durch einen Schöpfergott), vom Phaidon (Unsterblichkeitslehre für die Seele) und vom Menon (Präexistenzlehre) vor. Die differenzierteste Darstellung von Platons Seelenlehre wurde mit der lateinischen Übersetzung des Diogenes Laertius (1472 ED, Buch 3) zugänglich. Die von Platon abweichenden Positionen der aristotelischen Kosmologie von der Ewigkeit der Welt wurden zeitgleich, ebenfalls auf lateinisch, im Druck herausgebracht (vgl. 1473 ED Aristoteles, De caelo). Die Überlieferung der Seelenlehre des Aristoteles unterscheidet zwischen sterblichen und ewigen Seelenteilen und liefert damit Argumente für wie gegen den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tode. Der Streit um die Unsterblichkeit wurde mit der lateinischen Druckfassung der Schrift »Über die Seele« (1472 ED Aristoteles, De anima) erneut angefacht. Im Unterschied zu Plethon setzte sich Georg von Trapezunt (1395–1473) mit seiner Schrift Comparationes philosophorum Aristotelis et Platonis (verfasst um 1450, vgl. EA 1455 Georg v. T., ED 1523) mit der von Plethon gestifteten antiken Philosophie-Tradition auseinander. Anders als Plethon nimmt er im Philosophenstreit zwischen Aristotelikern und Platonikern Stellung für die Auffassungen des Aristoteles. Gegenstand des Streites war die Frage, welcher dieser Philosophien am ehesten die kirchliche Lehre vom Schöpfergott, von der Struktur des Kosmos und von der Unsterblichkeit der Seele berührt. Doch erst mit der Zugänglichkeit der gesammelten Werke des Platon (1482–84 ED Opera, lat.) und des Aristoteles (1483 ED Opera, lat.) verlor die Berufung auf einzelne Schriftzitate ihre Überzeugungskraft. Die Theoriegelehrten verfügten nunmehr über zahlreiche Schriften beider Autoren. Durch die Zitierbarkeit des allgemein zugänglichen Textwortlauts konnte zwar nachgewiesen werden, an welchen Stellen die Klassiker den Schöpfungsakt der Welt in der Zeit oder auch die These von der Ewigkeit des Kosmos belegt oder auch in Frage gestellt haben. Doch zeitgleich verlor die Berufung auf Klassikerzitate als vermeintliche Argumente zur Stützung einer These ihre Überzeugungskraft. Bereits in den ersten Jahrzehnten – noch vor der Publikation von klassischen Werkausgaben – bildeten sich aristotelische und platonische Schulen in der Philosophie aus. Am einflussreichsten wirkte die auf Plethon zurückgeführte Florentiner platonische Akademie für die Entwicklung einer theoretischen Schriftkultur. Die an der Universität Padua im späten 15. Jahrhundert neu begründete aristotelische Lehrtradition wirkte noch sehr viel länger. Sie schuf im 16. Jahrhundert die Grundlagen für eine neue physikalisch beeinflusste Naturbetrachtung und Medizin (vgl. unten II. 7; II. 8). Beide Richtungen trugen dazu bei, dass die Philosophie sich von ihrer Rolle zur Stützung dogmatisch verfestigter kirchlicher Lehren über Schöpfung, Weltentwicklung und Ewigkeit befreite. Ausdrücklich auf die literarischen Textvorlagen Platons beziehen sich die zentralen Schriften von Marsilio Ficino (1433–1499). Die Theorien des Eros als Weltprinzip werden von ihm nach Platons Symposium komponiert (1496 Ficino). Die Unsterblichkeitsthese Platons entwickelt Ficino in seiner ausdrücklich so titulierten Theologia platonica (1482 ders.). Als von Platon gestiftet wurden in diesen Schriften die Gemeinsamkeiten zwischen der Stufung der Seelenvermögen und der kosmischen Ordnung betrachtet – eine Lehrtradition, für die in Platons Schriften keine Belege zu finden sind. Es handelt sich hier um sog. neuplatonisches Gedankengut (vgl. 1492 ED Plotinos). Die Berufung auf die Tradition Platons war für Theorieentwürfe solange akzeptabel, wie noch keine Originalschriften der klassischen Bezugsautoren im Wortlaut verbreitet worden waren. Erst mit dem Erscheinen der lateinischen Druckfassungen von Platon (1482–84 ED) und Plotins Enneaden (1492 ED) konnte zwischen originalen Bezügen auf Platons Dialoge und den neuplatonischen Erweiterungen der Ideenlehre unterschieden werden. Die Berufung auf die Philosophie sollte auch nach Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) in keiner Weise mehr zur Stützung christlicher Traditionen dienen. Die Philosophen konnten damit ihre ursprüngliche Funktion im Mittelalter als ancilla theologiae endgültig aufgeben. In seinen Conclusiones philosophicae, cabalisticae et theologicae (1486 Pico) wird vorgeschlagen, sämtliche damals herrschenden Weltauffassungen und Weltbilder, welche von unterschiedlichen religiösen und philosophischen Richtungen mehr oder weniger akzeptiert wurden, zu vereinigen. Die Schrift diente zur Vorbereitung eines für das folgende Jahr in Rom geplanten interkulturellen und interreligiösen Philosophen- und Theologenkongresses. Nahziel der Beratung sollte ein großer Konsens über die philosophischen Grundlagen aller konkurrierenden Religionsauffassungen sein. Picos Ziel war die Stiftung einer neuen einheitlichen monotheistischen Universalreligion. Die neue Zugänglichkeit der Schriften des Aristoteles förderte den erneuten Ausbruch des mittelalterlichen Streites darum, welche von den Lehrfächern der »freien« Künste (Trivium) – die Rhetorik oder die Dialektik – als methodische Grundlegung der Philosophie zu vermitteln sei. Die Schriften zur Analytik des Organon waren als Lehrbücher der Dialektik bereits im Mittelalter kanonisiert. 1483 erschien neben der Topik auch die zweite Analytik auf dem Buchmarkt (nach undatierten Drucken erstmals in lateinischer Werkausgabe 1483 ED Aristoteles). Gerade die Topik eignete sich zur Schulung in der Kunst der Rhetorik (1481b ED Aristoteles). Damit verlor die tradierte, sich allein auf den »Philosophen« berufende Syllogistik ihr Monopol in der sprachphilosophischen Disziplin des Triviums. Die Topik eröffnete die Anerkennung auch von elliptischen Redewendungen als in sich logisch konsistent. Dass nun ausgerechnet Aristoteles als Kronzeuge gegen das Monopol der schulmäßigen Schlussverfahren aufgerufen werden konnte, hat die Debatten über die linguistische Begründung des philosophischen Denkens stark beflügelt. Zuvor hatten bereits Lorenzo Valla (1407–1457) in seinen (erst 1499 postum erschienenen) Dialecticae disputationes sowie Rudolf Agricola (1444–1485) in seinen (1479 entstandenen, erst 1515 gedruckten) drei Büchern De inventione dialectica eine Philosophie des kreativen Redens und Sprechens begründet (1515 ders.). Die Analogie als heuristisches Kriterium für neue Erkenntnisse wird damit als gleichberechtigt neben die strenge syllogistische Wahrheitstheorie gestellt. Die gedruckten Neueditionen der ars generalis (1480 ED Raimundus Lullus) – als Skript schon im 13. Jh. verbreitet – stießen in diesem Zusammenhang auf erneute Aufmerksamkeit. I.2Das Erbe der Schrifttradition und Kritik (Pico della Mirandola, Ficino, Raymund von Sabunde, Agricola, Reuchlin)
Von den spätantiken Kirchenschriftstellern waren Laktanz und Augustin wahrscheinlich die ersten, deren Hauptwerke zuerst als Druckschriften verbreitet wurden. Zuerst erschienen mit Caecilius F. Laktanz’ (3./4. Jh. n. Chr.) Werken Schriften des vermutlich ersten nicht-apologetischen christlichen Philosophen (1465a, 1465b ED ders.). Es folgte einige Jahre später der Neudruck des herrschaftskritischen Hauptwerks über den »Gottesstaat« von Aurelius Augustin (354–430) (vgl. 1467 ED Augustinus) sowie von dessen »Bekenntnissen« (Confessiones) und den »15 Büchern über die Dreieinigkeit« (De trininate – vgl. Hinweis in 1467 ED Augustinus). Fast zeitgleich wurden auch weitere Quellen aus der Literatur der Kirchenväter – als Sentenzen redigiert – in Form von Druckwerken wieder zugänglich gemacht (1468 ED Petrus Lombardus). Damit wurde auch der Streit um die zentralen philosophischen Fragen wieder lebendig, die trotz aller Dogmatisierung von Glaubenslehren auch von theologischen Lehrautoritäten nicht mit Argumenten entschieden werden konnten. Dazu zählten (i)die Frage nach der Vereinbarkeit menschlicher Willensfreiheit mit der göttlichen Prädestination und...