Rees | Die Sonnenschwestern | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Rees Die Sonnenschwestern

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8437-1826-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1826-4
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Atmosphärisch und elegant geschrieben. Die Sonnenschwestern ist eine berührende Geschichte mit vielen liebevollen, historischen Details.' Lucinda Riley London, 2006: Noras ist fast 40 und hat doch keine Ahnung, wer sie ist. Warum weiß sie so gut wie nichts über ihre Familiengeschichte? Spontan kündigt sie Job und Wohnung, lässt alles hinter sich und reist nach Tenby, einem kleinen Ort im Süden von Wales, um sich auf die Spuren ihrer Familie zu begeben. Tenby, 1956: Jedes Jahr verbringt Chloe ihre Ferien im Süden von Wales. An ihrer Seite ist stets ihr Sandkastenfreund LLew, ein kluger Junge aus armen Verhältnissen, der heimlich in Chloe verliebt ist. Doch ein dramatischer Vorfall bringt die beiden auseinander. Sie sehen sich nie wieder, vergessen können sie sich nicht. 50 Jahre später findet Nora in dem idyllischen Ort nicht nur ihren eigenen Frieden, sondern auch eine altes Familiengeheimnis, das nun endlich gelöst werden kann.

Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman 'Die Reise der Amy Snow' wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.
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NORA


Dezember

Nachdem Nora eine Weile in Therapie gewesen war, zeichneten sich Veränderungen ab. Nur traten diese Veränderungen nicht in der erwarteten Weise ein. Vor ihrer ersten Sitzung an einem scheußlichen Abend im Juni hatte sie eine Liste mit all den Punkten erstellt, für die sie sich eine Verbesserung erhoffte. Da sie bisher noch nie therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hatte, wollte sie nicht unvorbereitet sein.

Eine Weile lief das Leben in den alten Bahnen weiter, mit dem einzigen Unterschied, dass sie einmal in der Woche zum Belsize Park fuhr, um Jennifer zu treffen. Aber nach etwa drei Monaten wurden die Albträume immer hartnäckiger, ihre Angst verstärkte sich und die Beziehung zu ihrer Mutter wurde immer problematischer. Außerdem trennte sie sich von ihrem Lebensgefährten Simon, und das nur wenige Monate vor ihrem vierzigsten Geburtstag. Nichts davon hatte auf ihrer Liste gestanden.

Und jetzt, an einem frostigen Dezemberabend, stand sie in Jennifers cremefarbenem Wartezimmer am Fenster und starrte in die klare Dunkelheit einer ruhigen Straße in North London. Im Winterwind geisterten ein paar verblasste Blätter vorbei und schwebten durch den Lichtkegel einer Straßenlampe. Nora machte es nichts aus, warten zu müssen. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie sie Jennifer ihren letzten Entschluss erklären sollte.

»Ich habe heute gekündigt!«, platzte es vierzig Minuten später aus ihr heraus. Jennifer hatte angemerkt, dass sie das häufig tat – etwas wirklich Wichtiges so lange für sich zu behalten, bis sie schon fast am Ende der Sitzung angelangt waren und keine Zeit mehr blieb, angemessen darüber zu sprechen. Für gewöhnlich erkannte Nora gar nicht, wie bedeutsam es war, bis Jennifer darauf ansprang wie eine Archäologin, die ein offenbar ganz normales Steinfragment untersuchte und es zur Pfeilspitze erklärte. Aber dass wichtig war, wusste selbst Nora.

Gern hätte sie diese Enthüllung noch eine weitere Woche zurückgehalten, aber wenn sie es schon Jennifer nicht sagen konnte, die darin geübt war, mit menschlichen Launen umzugehen, wie sollte sie es dann ihren Mitarbeitern im Büro erklären? Wie sollte sie es Simon erzählen (der noch immer Kontakt zu ihr hielt, obwohl sie mit ihm Schluss gemacht hatte) und – oh Gott – wie ihrer Mutter?

»Verstehe. Möchten Sie mir dazu vielleicht noch etwas mehr sagen?«, hakte Jennifer nach, ohne jegliches Anzeichen einer Beunruhigung, die sie, dessen war Nora sich sicher, gewiss empfand. Jennifer hatte einen kastanienbraunen Haarschopf und schöne sahnige Haut. Vermutlich war sie höchstens zehn Jahre älter als Nora, schien ihr aber um Äonen voraus zu sein. Weise? Mütterlich?

»Äh, na gut, ich habe es nach der Mittagspause gesagt«, erwiderte Nora und verzog dabei das Gesicht. Das war eindeutig nicht das, worauf Jennifer abzielte. »Olivia war völlig überrascht, reagierte aber sehr freundlich. Ich weiß auch nicht, warum ich es getan habe. Ähm … ich habe einen Strand gesehen.«

»Einen Strand?«

Nora seufzte. Das zu erklären war unmöglich, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, total übergeschnappt zu sein. Vermutlich war sie das ja. Man schmiss schließlich nicht einfach seine Arbeit hin, nur weil man zum Strand wollte! »Ja. Vor meinem geistigen Auge. Ich weiß, das hört sich verrückt an. Ich … ich weiß nicht, warum ich es getan habe«, wiederholte sie. Wie sollte sie das jemals erklären? Es war doch sicherlich nur eine müßige Tagträumerei gewesen … sie jedoch wollte unbedingt eine Vision darin erkennen. Es hatte sich beinahe atemberaubend bedeutsam angefühlt. Es kam so überraschend, war kristallklar und unwiderstehlich und versetzte sie in eine ihr fremde und heitere Stimmung. Hoffnung, vielleicht. Aber jetzt würde sie zu allem anderen auch noch bald ohne Arbeit dastehen. Jennifer hatte ihr erklärt, dass sich, wenn jemand eine Therapie begann, die Dinge manchmal erst verschlimmerten, bevor eine Besserung erkennbar wurde. Das war kein Scherz gewesen!

»Wir haben nur noch ein paar Minuten, Nora …«, setzte Jennifer an. Aus unerfindlichen Gründen dauerte eine Therapiestunde fünfzig Minuten. Sie hatte nicht auf ihre Armbanduhr geschaut und die einzige Uhr im Raum befand sich über ihrem Kopf, doch Jennifer schien ein natürliches Zeitempfinden zu haben. »Ich bleibe aber gern noch etwas länger, wenn Sie dieser Entscheidung noch ein wenig mehr auf den Grund gehen möchten.«

»?« Jennifer überzog nie. Vielleicht war ihr Schock größer, als sie es sich anmerken ließ. »Danke.«

»Warum erzählen Sie mir nicht ganz genau, was heute vorgefallen ist, so, als würde es jetzt in diesem Moment passieren?«

Nora nickte. Sie schloss die Augen, wie Jennifer es ihr beigebracht hatte, und versetzte sich zurück in das, was sie von diesem Tag noch erinnerte. Als wäre sie wieder in der Arbeit: Mittagspause. Der Rest ihrer Abteilung war hinausgegangen, sie aß wie gewöhnlich an ihrem Schreibtisch. Aus dem Augenwinkel konnte sie den grau-metallischen Glanz des Aktenschranks, den weißen Schimmer des Computermonitors und den schwarzen Hefter erkennen, der ordentlich hinter der Tastatur stand.

»Es ist Mittagszeit«, begann sie. »Ich bin im Büro. Ich sage mir, dass ich mich glücklich schätzen kann, weil es zwei Fenster hat. Allerdings sehe ich durch das eine Fenster nur den Flur. Das andere geht auf den überdachten Innenhof. Was bitte bringt ein -Innenhof? Aber wenigstens gibt es dort was Grünes – ein paar Farne, die über irgendwelche Steine wachsen … Erinnern Sie sich noch, dass Sie letzte Woche sagten -«

»Konzentrieren Sie sich, Nora«, murmelte Jennifer. »Sie sind im Büro …«

»Oh ja. Ich beschließe also, mir unten in dem Innenhof die Beine zu vertreten. Ich gehe zu den Farnen und berühre sie und … sie sind aus Plastik. Ich fühle mich betrogen. Also hole ich mir einen Kit-Kat-Riegel aus dem Automaten und kehre in mein Büro zurück. Ich denke mir, kein Wunder, dass ich nie vom Schreibtisch aufblicke – ich mache am besten einfach mit meiner Arbeit weiter. Aber als ich wieder Platz nehme, sehe ich nur noch diesen vor mir …«

Und sie konnte ihn noch immer sehen. Er hatte sie den Rest des Tages nie wirklich losgelassen. Ein kühler Streifen Strand, goldener Sand, der im blassen, klaren Licht die Farbe von Austern annahm – kilometerweites Wandern unter einem silbrigen Himmel …

»Ich meine, ich kann ihn sehen, so deutlich, als wäre es das, was ich sehe, wenn ich aus meinem Fenster blicke! Und er ist wunderschön … Es ist Winter, aber der Himmel strahlt, es weht ein Lüftchen … und ich bin von dieser Sehnsucht erfüllt … Es geht nicht nur um die Schönheit, es geht um das Gefühl, das sie in mir auslöst. Ein Gefühl von Freiheit und von etwas … Realem. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dort zu sein. Und nicht einfach, weil ich irgendwo sein möchte, wo es schön ist, obwohl auch das zutrifft. Es fühlt sich an …« Nora stieß wieder einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf. »Es fühlt sich an, als wäre es mir , dort zu sein, als würde mich der Strand rufen. Mich sogar . Als läge dort der Schlüssel zu einem großen Geheimnis – obwohl ich nicht mal wusste, dass es ein Geheimnis gab! Dann kommt Nick vom Mittagessen zurück. Er ist mein Assistent«, ergänzte Nora und öffnete ein Auge, für den Fall, dass Jennifer es vergessen hatte. Aber das hatte sie natürlich nicht und gab Nora einfach ein Zeichen fortzufahren.

»Er platzt durch die Tür – die Bürotüren sind übrigens hässlich, sie haben so einen grässlichen Grünton … Ich meine, wer hat diese Lackfarbe gesehen und sich gesagt: ›Genau, die nehmen wir‹? Jedenfalls platzt Nick herein und ich sehe ihn an, ich meine, ich sehe ihn an. Seine Haare sind zerzaust, was mich darauf schließen lässt, dass es draußen windig sein muss, was ich sonst gar nicht gewusst hätte, da ich mich ja in diesem hermetisch abgeschlossenen Gebäude befinde. Ich bin nie im Freien. Ich bin entweder im Büro oder im Fitnessstudio oder in der U-Bahn oder in der Wohnung … Er hat seine abgewetzte alte Umhängetasche dabei. Die ist immer vollgestopft mit diesen schwarzen Moleskine-Notizbüchern, weil er sich an einem großen britischen Roman versucht. Und da wird mir klar, dass in meiner Tasche absolut nichts ist, woran meine Leidenschaft hängt. Nur meine Geldbörse sowie Telefon und Make-up – Unverzichtbares. Dann macht Nick sich wieder an die Arbeit, aber ich sehe noch immer den Strand, der lautstark nach mir verlangt. Also gehe ich den Flur entlang und klopfe an Olivias abscheuliche grüne Tür und sage ihr, dass ich kündige. Oh, natürlich halte ich die einmonatige Kündigungsfrist ein, ich will sie ja nicht hängen lassen. Aber danach …«

Nora öffnete die Augen. Jennifer nickte bedächtig....


Rees, Tracy
Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman "Die Reise der Amy Snow" wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.



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