Rebhandl Töpfern auf Kreta
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7076-0544-0
Verlag: Czernin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Krimi
E-Book, Deutsch, Band 4, 272 Seiten
Reihe: Rock Rockenschaub
ISBN: 978-3-7076-0544-0
Verlag: Czernin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rock Rockenschaubs vierter Fall: Der Superschnüffler steckt in einer schweren Midlife-Crisis und entdeckt ungewollt seine weichen Seiten. Kurz verliebt er sich sogar in eine Buchhändlerin, kehrt am Ende aber doch wieder in die sichere Obhut wahrer Männerfreundschaft zurück. Rock musste seinen 50. Geburtstag alleine feiern, nachdem alle seine Kumpels auf ihn vergessen haben, und wacht in einer Ausnüchterungszelle wieder auf. Guttmann, der Bulle, holt ihn dort raus und schenkt ihm nachträglich ein Hawaiihemd im dominierenden Farbton Grün, obwohl er Rot doch viel lieber hat. Von der Zelle geht es unausgeschlafen zu einer Umzugstasche, die an einer Bushalte- stelle steht. In ihr wurde die Leiche einer Frau gefunden, zusammengefaltet in der 'Schlafstellung des Yogi'. War es Mord? Und wem gehören die schmutzigen Männer- unterhosen, die auch in der Tasche sind? Rock kommt langsam wieder in die Gänge, als sich der Duke bei ihm meldet. Der Kumpel aus früheren Tagen hat sich in eine Buchhändlerin verknallt und Rock soll ihm helfen, bei ihr zu landen. Doch fühlt sich der Superschnüffler überraschend selbst zu der Lady hingezogen ...
Manfred Rebhandl, geboren 1966, lebt als Autor in Wien. Er schreibt Krimis, Drehbücher, Theaterstücke und Reportagen für Zeitungen.
Autoren/Hrsg.
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Als ich mich schon darauf einstellte, etwas früher schlafen zu gehen, kam der Toni doch noch die Treppe heruntergerannt, die Zähne strahlender als sonst, und auch die Jeans waren enger und voller als am Vortag. Ku packte gerade seine Golftasche zusammen, und so bat ich ihn, mir einen seiner Schläger zu geben, denn ich wollte die Sache mit Toni auf Gutsherrenart lösen. Als ich ausholte, um den Schmalzkopf gegen die Tür zu schießen, griff der Toni ganz lässig in seine Hosen hinein, zog einen Geldschein nach dem anderen heraus und legte sie vor uns auf den Tisch. Zwar hatte er uns vorhin enttäuscht, als er nicht da war. Aber jetzt, wo er endlich da war, überraschte er uns, denn das war eine schöne Menge Cash. Toni lächelte und erklärte uns sein System: Er hatte am Morgen den Sack mit Dope mitgenommen, das portionierte Zeug zwischen die Obdachlosenzeitungen gesteckt und die Leute angequatscht: „Seitung? Frische Seitung? Seitung?“ Und wenn sie dann alle „Nein, zisch ab du verdammter Zigeuner!“ sagten, dann sagte er, etwas leiser: „Haschisch? Frische Haschisch?“ Zwei von dreien wurden hellhörig, wie er uns versicherte, und einer von den zweien griff zu. „Und wisst ihr, was das Beste ist?“, fragte er uns. „Die Zeitung kaufen diese Idioten dann auch noch!“ Und zwar, weil sie in ihm nicht mehr den Zeitungsverkäufer sehen, auf den sie herabblicken, wie uns Kubelka erklärte, sondern ein Rädchen im Getriebe, das die Welt am Laufen hielt. „Mehr noch: einen, der sie glücklich macht!“ So hatten alle was davon! Ku war begeistert. „Wir haben ihn einfach falsch eingeschätzt. Toni ist kein Pfleger, er ist eher Betriebswirt, Logistiker, so was in der Art. Das kommt oft vor, dass einer seine Bestimmung erst finden muss. Und hör zu: Mit dem Geld können wir vielleicht sogar eine Rundum-Pflege für Lemmy organisieren!“ Ich sagte: „Vielleicht sogar zwei.“ „Ganz legal ist es natürlich nicht, was du da machst, Toni. Aber diese Art der Kriminalität hat eine andere Qualität, eine irgendwie sympathische, was meint ihr?“ Ich meinte: „Eine sehr sympathische sogar.“ „Und wenn du morgen um sieben Uhr kommst und das Zeug für den Tag und deine Kollegen portionierst und abholst“, sagte Kubelka, „dann bist du der Fixanstellung einen ganzen Schritt näher!“ Ich sagte streng: „Sechs Uhr! Wir müssen es wie die Chinesen machen. Die stehen früher auf und duschen kälter! Schlüssel gibt’s bei mir oben. Und he – den Rest legst du zurück in die Lade!“ „Okay, sechs“, sagte Ku, während Toni das Zeug zurück in die Lade legte. „Und jetzt bring ich ihn nach Hause.“ Wo immer das war. Ich sagte: „Gute Nacht, Doc. Gute Nacht, Toni.“ Und blieb mit Lemmy zurück. Drückte ihm wieder den Playboy in die Hand, blätterte nach vorne bis zu der Seite, wo sich Mandy wie ein Hündchen auf die Couch kniete, und sagte zu ihm: „Siehst du das hier? Sag Aaaaaaarsch …“ Da glaubte ich, ein leises Zucken in seinen Mundwinkeln zu sehen. Alter Doggystyler! *** Als ich schlafen gegangen war, hatte ich mich richtig darauf gefreut, endlich – endlich! – meinen Rausch auszuschlafen, aber daraus wurde wieder nichts. Die Schelle läutete um 7.15 Uhr, ich ging ran. Es war Guttmann, und er sagte: „Schon wieder einer.“ „Was?“ „Ein toter Zigeuner.“ Ich musste mich erst ein wenig sortierten: toter Zigeuner, toter Zigeuner, ah ja, die toten Zigeuner! Ab drei ist es eine Serie, sagt man, ich fragte: „Wie viele haben wir denn schon?“ Er sagte: „Vier.“ Ich war in meinem Geburtstagshemd eingeschlafen und stand in meinem Geburtstagshemd wieder auf. Die Frage war: Langsam ausnüchtern oder schnell nachkippen? Was war besser? Man verliert irgendwie die Sicherheit in den Entscheidungen, wenn man älter wird. Ich entschied mich schließlich fürs Nachkippen, kam aber nicht mehr richtig in die Gänge, seit ich fünfzig war, auch nicht mit Russenschnaps, was früher immer funktioniert hatte. Noch ein paar schräge Erlebnisse, und ich würde mir selbst nicht mehr über den Weg trauen. Ich wartete noch ein paar Minuten, denn Toni hatte bis jetzt nicht geläutet, um den Schlüssel für das Quattro Stazzione zu holen. Bei den ungelernten jungen Arbeitskräften muss man immer damit rechnen, dass sie am Schnuppertag noch Feuer und Flamme sind, während ihnen am nächsten Tag schon wieder der Kopfpolster näher ist als die Karriere in einer zukunftsträchtigen Branche! Das war ein herber Rückschlag, wenn auch keine Überraschung. Ich verzichtete auf die nächste kalte Dusche und holte Guttmann vom Gemeindebau ab. Er sah fahl und klebrig aus, noch schlechter als ich, noch schmäler als am Tag zuvor. Der graue Blouson passte immer besser zu seinem Gesicht. Bei mir war es nur das bunte Hemd, das mich fahl aussehen ließ, bei ihm war es das Teiggesicht selbst. Er fröstelte und bibberte, während ich mit Schmetterlingen im Bauch unterwegs war, und zwar gleich mit der doppelten Portion. Da fiel mir ein: „Habt ihr denn noch Kontakt zu der Mutti in der Triple-A-Zelle, unter der man mich gefunden hat?“ „Was willst du denn von ihr?“ „Weiß ich noch nicht so genau, aber wenn sie Glück hat, will ich sie heiraten.“ Guttmann zog sich beleidigt in sein Schneckenhaus auf dem Beifahrersitz zurück, wie eine Nebenbuhlerin, die nicht zum Zug kam. Er schaute beim Fenster hinaus und suchte nach etwas, aber man konnte nicht erkennen, nach was. Dabei blieb mir nicht verborgen, dass die Beule in seinem Nacken schon wieder größer geworden war. Mittlerweile sah sie aus wie ein Buckel, der langsam nach oben rutschte. Ich fragte: „Was ist denn das jetzt für eine scheiß Beule da hinten, darf ich die mal anfassen?“ Defekte an anderen Menschen interessierten mich. Ich kannte bisher niemanden, der Krebs hatte. Nun kannte ich endlich einen, also wollte ich den Krebs auch anfassen, aber er schrie: „Finger weg!“ Gähnend lenkte ich den Japaner stadteinwärts, im Tempo des noch nicht ganz Nüchternen. Nur nicht auffallen! Gegen die leise Angst, aufzufallen, rauchte ich einen zum Aufwärmen. Das Zeug lag ja jetzt wieder bei Lemmy in der Lade! So unglücklich war ich also gar nicht, dass Toni nicht mehr aufgetaucht war. Man konnte Zeug zwar verkaufen, aber besser war es, Zeug zu rauchen. Was sollte man sich für das Geld, das man für gutes Zeug bekam, auch kaufen? Noch besseres Zeug? Dagegen ist Rauchen im Straßenverkehr eine super Sache, vor allem, wenn man Lemmys Zeug raucht. Während ich rauchte, redete Guttmann gegen seine Angst an. Irgendetwas muss man ja tun, wenn man so eine Beule hat, also erklärte er mir das Problem mit den Ausländermorden: „Ich les dir mal ein paar Gosse-Schlagzeilen vor.“ „Bitte nicht!“ „BALD NICHT MEHR HERR IM EIGENEN LAND!
ZIGEUNERBARONE ÜBERSCHWEMMEN UNS!
MACHT ZIGEUNER-SCHNITZEL AUS IHNEN! Was sagst du?“ Ich sagte: „Diese Leute reisen halt gerne, anders als wir.“ Ich hatte eine gewisse Vorliebe für die reisefreudigen Schmalzköpfe. Mir gefiel es, dass sie nicht immer nur hier lebten, sondern auch mal da, und dann wieder dort. Wer länger schlief, war sowieso mein Freund, und wer nichts arbeitete, erst recht. Ich fragte: „Wo kommen die überhaupt her?“ „Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kosovo, die Gegend da unten. Sicher nicht: Norwegen, Schweden, Island, die Gegend da oben. Jedenfalls kommen immer mehr von denen, und einer tut gerade alles, damit er die Bilanz wieder ausgleicht.“ Ich fragte: „Ungarn auch?“ „Ungarn auch.“ „Erzähl mir mehr.“ Das war ungewohnt für mich. „Die Schlechtmenschen wollen, dass wir die Leichen zerstückelt und im Paket dorthin zurückschicken, wo sie herkommen, Porto zahlt Empfängerland. Die Gutmenschen wollen, dass die verdammten Menschenrechte eingehalten werden, demonstrieren dafür und legen Unterschriftenlisten auf, damit sie alle hierbleiben und betteln dürfen. Und wir haben keine Ahnung, wer der Mörder ist, es könnte jeder verdammte Irre in diesem Land sein.“ „Na ja“, sagte ich. „Ich wohl eher nicht.“ „Und dann die EU!“, regte sich Guttmann über die EU auf. „Die hat überhaupt keine Freude mit solchen Morden. Man steht dann so da, als wäre man ein bisschen ausländerfeindlich.“ „Was wir erfahrungsgemäß ja sind“, sagte ich. „Aber nicht stärker als andere!“, beharrte Gutti. „Nicht viel stärker jedenfalls.“ „Ein bisschen?“ „Okay, ein bisschen.“ Nun war auch er so weit, dass er einen Joint brauchte. Joints sind die beste Therapie gegen Krebs, hat mir Lemmy mal gesagt, man darf nur nicht zu wenig davon rauchen, das ist das Wichtigste. Guttmann lehnte sich in seinem Sitz zurück, zog kräftig, entspannte sich ein wenig und sagte: „Ich hab dieses Land so satt mit seinen ganzen verdammten Rechtsextremisten!“ „Vergiss nicht die mit ihren Kellern und Verliesen!“ „Keine Sorge. Die vergesse ich schon nicht.“ *** Wir stiegen aus und betraten die kleine Parkanlage, die ich bisher nicht kannte, gleich neben dem Rathaus, das ich bisher auch nicht kannte. Sah eigentlich ganz super aus! Wir zwängten uns durch ein paar Büsche, zwischen denen alles Mögliche herumlag: Taschentücher, Gummis, Spritzen, Hunde- und Menschenscheiße. Und dann halt auch ein Toter, auf dem Bauch...