Rauch / Gwaltinger | Schwarze Madonna | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 448 Seiten

Rauch / Gwaltinger Schwarze Madonna


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86358-594-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 448 Seiten

ISBN: 978-3-86358-594-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ohne voneinander zu wissen, bekommen es Hobbydetektiv Emil Bär im Allgäu und Privatdetektiv Philipp Marlein in Franken mit ähnlichen Fällen zu tun. Es geht um junge Frauen, verschwundene Kinder, eine geheimnisvolle Sekte - und um exzessive und erotische Marienverehrung. Ihre Ermittlungen führen sie nach Altötting, wo die weltberühmte " Schwarze Madonna" gestohlen wurde. Eine Blasphemie mit tödlichen Folgen ...

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22  Bär schwindelt Ich fuhr hinauf zur Biselalm, den engen asphaltierten Weg mit den Frostrissen, aus denen das Gras wuchs, und den hingebügelten Kröten. Ich fuhr wie ein Tourist. Langsam. Ich wollte nicht ankommen. Den blöden Hund entsorgen. Mir war jetzt schon schlecht. Ich schaltete die Alarmanlage am Haus aus. Eine überflüssige Alarmanlage. Wer sollte in ein uraltes Bauernhaus einbrechen? Da war nix zu holen außer vermieften Wolldecken und gebrauchten Klobürsten. Vielleicht mein alter Laptop. Fürs Museum. Wer auch immer den Hund vor meine Tür gelegt hatte: Er wusste, wie man die Alarmanlage überlistet. Er. Oder sie. Unten war die Gemeinschaftsküche. Es war nie Gemeinschaft da, außer mir, sie wurde nicht benutzt. Ich ging trotzdem zum Kühlschrank. Eine Flasche Sekt und eine Flasche Bodenseeobstler, halb leer, leisteten sich Gesellschaft. Ich setzte die Obstlerflasche an die Lippen und zog mir einen Schluck hinein, der für einen Ochsen gereicht hätte. »VaterunserimHimmel …« Ein Vaterunser lang ließ ich den Stoff wirken. Ich bete nur, wenn ich Schiss habe. Also relativ oft. »… Amen.« Der Stoff wirkte. Ruhe strömte durch den Magen, in den Bauch, erfüllte den Kopf. Wie autogenes Training. Ohne Sprüche. Autogenes Training ist Einbildung. Alkohol ist echt. Tief durchatmen. Ich würde den Fußabstreifer einrollen, den Kadaver einwickeln in den Fußabstreifer, dann runtertragen und in die äußerste Ecke vom Garten werfen. Mit einer Schaufel Erde drüber. Steine. Im ersten Stock machte ich eine Pause. Schaute durchs Fenster hinunter zum See. Er tat, was er immer tat, wenn die Sonne schien. Er glänzte. Ich nahm mir lange Zeit zur Naturbetrachtung. Tief Luft holen. Die letzte Stiege hinauf und … Ein Schreckensschrei. Kam aus mir. Von selber. Herzrasen. Atemstillstand. Nein! Der Hund war weg. Der Fußabstreifer lag da. Sauber. Seit drei Jahren hatte ich ihn weder gesaugt noch geklopft. Ich kniete nieder. Kein Haar. Nicht ein gotziges Hundehaar. Ich roch. Es roch nicht nach Hund. Es roch nach Obstler. Klar. Und nach Rei in der Tube. Jesus, Maria und Josef! Bin ich vielleicht übergeschnappt? Halluzinationen? Die Angst, den Verstand zu verlieren, ist die schlimmste von allen. Schlimmer als vorm Sterben. Oder vor Impotenz. Ich stürzte zurück in die Gemeinschaftsküche. Schüttete mir den Rest vom Bodenseeobstler rein. »Vaterunser …« Ging ums Haus. Kein zerbrochenes Fenster. Keine eingetretene Tür. Keine Kratzer am Türschloss. Ich ging noch mal hoch. Der Fußabstreifer war leer. War ich verrückt? Betrat meine kleine Dachwohnung. Alles in gewohnter Unordnung. Ging ins Klo. Pinkeln. Stand vor der Kloschüssel, zielte zitternd hinein. Hob den Blick. Brunzte daneben. Ein Zettel klebte über der Kloschüssel an den blassgrünen Fliesen: »MARIA WIRD BEI DIR SEIN IN DER STUNDE DEINES TODES DU ALTER WIXXER.« Der Zettel drehte sich. Mir schwindelte. Die Kloschüssel kam auf mich zu. Mein letzter Gedanke: Da stimmt was nicht mit der Schwerkraft. 23  Marlein und das unmoralische Angebot Wir tuckerten von Gößweinstein aus quer durch die Fränkische Schweiz und eine Reihe von Kuhdörfern und Touri-Nestern wie Pottenstein, bis wir schließlich auf die A 9 auffuhren. Lena Wiga steuerte ihren Wagen eine Zeit lang Richtung Berlin. Als wir ungebremst an Bayreuth vorbeirauschten, erlaubte ich mir, mich nach dem nächsten Ziel zu erkundigen. »Wohin geht’s?« »Nach Marienweiher.« »Vor oder hinter Berlin?« »Deutlich vor. Wir bleiben schon in Oberfranken, keine Angst. Marienweiher liegt im Frankenwald zwischen Kulmbach und Münchberg.« »Was gibt’s in Marienweiher zu sehen?« »Die Wallfahrtsbasilika.« Was für eine Überraschung. »Und was ist das Besondere an dieser Kirche?« »Marienweiher ist der älteste Marienwallfahrtsort in ganz Deutschland und hat deshalb natürlich eine herausragende Bedeutung für uns. Aber das allein ist es nicht, was die Faszination dieses Ortes ausmacht. Wir müssen dort sein, erst dann kann ich es dir erklären – wenn du es nicht selbst spürst.« Kurze Zeit später fuhren wir tatsächlich runter von der A 9 – bezeichnenderweise an der Ausfahrt Himmelkron. Vorbei an der futuristischen Autobahnkirche von Himmelkron ging es weiter auf der B 303 und dann auf der B 289 nach Marktleugast, und nur einen einzigen Kilometer später befanden wir uns in einem kleinen, beschaulichen Ort namens Marienweiher. Lena Wiga stellte ihre Karre auf einem Parkplatz am Fuße der auf einer Anhöhe gelegenen Wallfahrtsbasilika ab. Diese Basilika war kleiner als die in Gößweinstein, hatte auch nur einen Turm mit Zwiebelspitze, wirkte aber dennoch erhaben und stattlich, zumal sie den ganzen Ort überragte und weithin sichtbar war. Wir stiegen eine vielstufige Treppenanlage zur Wallfahrtsbasilika hoch. Wie in Gößweinstein hing auch hier über der Eingangstür das Papstwappen. Auch als wir den Innenraum der Wallfahrtsbasilika von Marienweiher betraten, drängte sich mir der Vergleich mit der von Gößweinstein auf. Das Innere der Marienweiher’schen Variante war eine Nummer kleiner, einfacher und schlichter, es gab beispielsweise weitaus weniger Seitenaltäre. Doch dafür hatte diese Kirche zwei absolute Eyecatcher zu bieten, sodass sie sich keineswegs hinter Gößweinstein verstecken musste. Der erste dieser beiden Blickfänge war die Decke, die verschnörkelter, detailverliebter und farbenfroher gestaltet war und so der Kirche eine andachtsvolle und feierliche, andererseits aber warme, ja fast familiäre Atmosphäre verlieh. Was aber noch viel mehr ins Auge stach, war der Hochaltar – genauer gesagt die darin befindliche Marienstatue. Sie stand unter einem prächtigen Baldachin mit vergoldeten, wie bei einer festlichen Enthüllung zur Seite gerafften Stuckvorhängen, hielt in ihrer Linken ein Zepter und in ihrer Rechten das Jesuskind, trug eine dreigeteilte Krone und war in ein knallrotes goldbesticktes Prunkgewand gehüllt. Sie war wesentlich größer als die Maria des Gnadenbildes in Gößweinstein und stand absolut im Mittelpunkt – man hatte das Gefühl, als wäre die ganze Kirche nur zum Schutz und zur Verehrung dieser Marienfigur um sie herum erbaut worden. Eigentlich konnte ich so langsam keine Madonnen mehr sehen, aber diese hier strahlte eine Anziehungskraft aus, der selbst ich mich nicht gänzlich erwehren konnte. Lena Wiga zog auch hier ihr Anbetungsritual durch und legte sich flach auf den Boden vor dem Altar. Als sie mit dieser Nummer fertig war, setzten wir uns auf eine der Bänke. Lena Wiga sah mich herausfordernd an. »Also, jetzt sag mal – was fällt dir hier in dieser Kirche auf? Was ist das Besondere an diesem Gotteshaus?« Ich musste nicht lange überlegen, sondern wusste genau, worauf sie hinauswollte. »Maria ist schon sehr präsent hier.« Sie war nicht wirklich zufrieden mit dieser Antwort. »Das ist ja wohl reichlich untertrieben, mein lieber Philipp. Maria ist hier nicht nur sehr präsent, Maria ist in dieser Basilika omnipräsent, sie allein ist Gegenstand der Verehrung. Du hast ja noch gar nicht alle Beweise dafür gesehen, dass Marienweiher eine Kirche der Religio Mariae ist. Bemerkt hast du sicherlich, dass der Hochaltar von einer faszinierenden Madonna dominiert wird. Dieses Marienweiher’sche Gnadenbild könnte man übrigens als Fortsetzung des Gößweinstein’schen sehen: Während dort noch Marias Krönung gefeiert wurde und Vater, Sohn und Heiliger Geist noch ganz nahe bei ihr sind, wird hier nun schon ihre Regentschaft dokumentiert: Sie steht nun ganz alleine im Zentrum der Macht. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind zwar auch bei diesem Altar figürlich dargestellt, aber weit weg in die Peripherie entrückt. Doch Maria steht nicht nur ganz vorne im Altarraum absolut im Mittelpunkt, sondern in jeder Nische und in jeder Ecke dieser Kirche. Um nur eines von vielen Beispielen zu nennen: Die sechs Fresken, die sich oben an der Decke befinden, zeigen nacheinander Mariä Verkündigung, Mariä Heimsuchung, Maria bei der Geburt Jesu, Maria bei der Darstellung Jesu im Tempel, Marias Tod sowie die Aufnahme Mariens in den Himmel.« Lena Wiga holte kurz Luft, um dann mit umso eindringlicherer Stimme fortzufahren. »Das hier ist keine gewöhnliche Kirche. Hier steht auf dem Altar kein Kreuz im Mittelpunkt, sondern eine Madonnenstatue. Hier wird an der Decke nicht der Zyklus der Passion gezeigt, sondern der Zyklus des Marienlebens. Hier in dieser Kirche wird kein junger Mann verehrt, der am Kreuz starb, und auch kein alter Mann, der einen langen weißen Bart hat, sondern eine Frau. Hier in dieser Kirche wird kein Gott angebetet, sondern eine Göttin.« Sie redete sich schon wieder in Ekstase, wie in Gößweinstein. »Es existiert also innerhalb des Christentums im Volk noch eine andere Religion, nämlich das Marientum, um diese von dir ins...


Xaver Maria Gwaltinger ist im bayerischen Schwaben aufgewachsen und lebt heute im Allgäu. Er hat Germanistik, Theologie und Psychologie studiert und lange in Frankreich und Australien gelebt.

Josef Rauch lebt seit über zwanzig Jahren in Franken, wo er im Gesundheitswesen arbeitet.



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