Buch, Deutsch, 142 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm, Gewicht: 274 g
Persönlichkeit und geistige Gestalt
Buch, Deutsch, 142 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 215 mm, Gewicht: 274 g
ISBN: 978-3-921836-63-7
Verlag: Verlag für Tiefenpsychologie
Der Tiefenpsychologe und Psychotherapeut hat viele Gründe, sich mit Goethe zu beschäftigen. Sigmund Freud etwa zitierte den Weimaraner an allen Ecken und Enden, und man meint zu spüren, dass er sich mit „dem Alten“ – wie er ihn zu nennen pflegte – mächtig identifiziert hat. Auch Alfred Adler äußerte, für seine Menschenkenntnis habe er manche Vorläufer und Anreger gehabt, wobei er namhaft machte: die Märchen, die Bibel, Shakespeare, Dostojewski und Goethe.
Abgesehen von dieser Haltung der Gründerväter gibt es zahlreiche andere Gründe für den Seelenarzt, sich an Goethes Persönlichkeit und an seinem Werk Ermutigung und Bestärkung für seinen schwierigen Beruf zu holen. In der Lebensführung und den Schriften des Dichters steckt viel Gesundheit: Da ist nichts angekränkelt von Unvernunft und Lebensverneinung, so dass man in diesem Kosmos des Humanen Freude und Heiterkeit gewinnt, die man für das psychotherapeutische Wirken benötigt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Zum Geleit 5
Der junge Goethe 7
Grundlegende Komponenten von Goethes Persönlichkeit in den Kindheits- und Jugendjahren 17
Goethes Lebensstil 26
Warum blieb Goethe in Weimar? 39
Goethe in der Mitte des Lebens 50
Die Tragik des alten Goethe 62
Werkanalyse
Goethes Italienische Reise 75
Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahre 88
Die Wahlverwandtschaften 98
Dichtung und Wahrheit und das Problem der Autobiographie 110
Goethes Faust 122
Literatur 140
Zum Geleit
Der Tiefenpsychologe und Psychotherapeut hat viele Gründe, sich mit Goethe zu beschäftigen. Sigmund Freud etwa zitierte den Weimaraner an allen Ecken und Enden, und man meint zu spüren, dass er sich mit „dem Alten“ (wie er ihn zu nennen pflegte) mächtig identifiziert hat. Der Begründer der Psychoanalyse gesteht in einer autobiographischen Schrift, dass er das Studium der Medizin wählte, weil er kurz vor dem Abitur bei einer Veranstaltung das damals Goethe zugeschriebene Fragment Die Natur (1782) rezitieren hörte. Aber auch die Lektüre von Darwins Schriften animierte ihn zur Zuwendung zum Arztberuf, weil er hoffte, in der Forschung einige Welträtsel zu lösen.
Auch Alfred Adler äußerte, für seine Menschenkenntnis habe er manche Vorläufer und Anreger gehabt, wobei er namhaft machte: die Märchen, die Bibel, Shakespeare, Dostojewski und Goethe. C.G. Jung ging noch weiter: Er unterhielt wider besseres Wissen die Legende, dass er in direkter Linie von Goethe abstamme, da eine Demoiselle Jung im Kreis um den Dichter mitagierte und eventuell sogar eine Liebschaft mit ihm hatte. Im Briefwechsel mit Freud sprach Jung vom proavus Goethe, womit er den angeblichen Urahnen in lateinischer Formulierung für sich beanspruchte. Goethe-Zitate findet man in Jungs Werken häufig, wobei die Faust-Dichtung wichtige Belege für die Archetypen-Lehre lieferte.
Abgesehen von dieser Haltung der Gründerväter gibt es zahlreiche andere Gründe für den Seelenarzt, sich an Goethes Persönlichkeit und an seinem Werk Ermutigung und Bestärkung für seinen schwierigen Beruf zu holen. In der Lebensführung und den Schriften des Dichters steckt viel Gesundheit: Da ist nichts angekränkelt von Unvernunft und Lebensverneinung, so dass man in diesem Kosmos des Humanen Freude und Heiterkeit gewinnt, die man für das psychotherapeutische Wirken benötigt.
Das vorliegende Buch ist ein Dank an Goethe. Die Beschäftigung mit seinem grandiosen Lebenswerk reicht bis in meine Jugendjahre zurück. Entsprechend meinem hohen Alter habe ich Wiederholungen im Text nicht vermeiden können, aber das Gesamtbild von Goethes Persönlichkeit und Stellung in der Geistesgeschichte ist porträtiert.
Berlin, Sommer 2017 Josef Rattner