E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Ranstrom Rätselhafte Küsse
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6947-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6947-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vom Alltag gelangweilt, ist Andrew Hunter auf der Suche nach weiblicher Abwechslung. Doch viel zu schnell erliegen die Damen der Londoner Gesellschaft seinem Charme. Es gibt für ihn keine Herausforderung mehr - bis er auf die rätselhafte Lady Lace trifft. Zwar schenkt sie ihm überraschend schnell einen leidenschaftlichen Kuss, aber dann wendet sie sich von ihm ab. Das kann er sich nicht gefallen lassen! Schon gar nicht, da Andrew zutiefst von ihrer unergründlichen Schönheit fasziniert ist. Er will ihr Geheimnis lüften - und schneller als er ahnt, ist sein eintöniges Dasein vorbei: Plötzlich sind er und Lady Lace in höchster Gefahr ...
Geboren und aufgewachsen ist Gail Ranstrom im Nordwesten der USA, in den Weiten von Montana. Schon damals hörte sie gerne Geschichten über vergangene Epochen und weit entfernte Länder, und dabei durfte natürlich auch Abenteuer, Spannung und Romantik nicht zu kurz kommen! Bevor sie jedoch selbst mit dem Schreiben anfing, machte sie alle möglichen und unmöglichen Jobs, einmal nähte sie sogar die Kellneruniformen für einen deutschen Biergarten. Erst als ihr jüngstes Kind zur Schule ging und sie etwas Zeit für sich fand, erfüllte sie sich ihren Traum, spannende Liebesromane zu schreiben, die zur Zeit des englischen Regency spielen. Zum Glück wohnt einer ihrer Brüder in London, sodass sie immer wieder zu Recherchezwecken nach England fahren kann. Und die langen Winter in Montana sind geradezu geschaffen, um ihre preisgekrönten Romane zu verfassen. Gail Ranstrom hört immer gerne von ihren Lesern und Leserinnen, sie freut sich über jede E-Mail an gail@gailranstrom.com.
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1. KAPITEL
London, 2. Juli 1821
„Warum langweilen wir uns eigentlich auf diesem Maskenball, obwohl wir uns bei einem Hexensabbat amüsieren könnten? Es ist Sommer, Hunter! Die Nächte sind kurz, aber voll wilder Vergnügungen. Da wird es doch etwas Besseres für uns zu tun geben, als die Argyle Rooms zu besuchen!“
Etwas Besseres? Was? Andrew Hunter gähnte und ließ den Blick über die Menschen gleiten, die den Ballsaal füllten. Fast alle waren verkleidet, wie es sich für einen Maskenball gehörte. Nur er und seine Freunde hatten es nicht für nötig gehalten, sich zu kostümieren. Sie trugen nicht einmal einen Domino oder eine Maske, was eigentlich ungehörig war und keineswegs den Regeln entsprach. Andererseits wusste er wahrhaftig nicht, wozu er sich die Mühe hätte machen sollen, ein Kostüm auszusuchen. Für ihn hatte das Leben seinen Reiz verloren, war uninteressant geworden, hier ebenso wie an allen anderen Orten in und außerhalb Londons.
Nun, es hatte wohl so kommen müssen. Während der letzten Monate und Jahre hatte Hunter eine Menge Dinge ausprobiert, ohne sich wirklich für etwas begeistern zu können. Jetzt blieb nicht mehr viel, das sich überhaupt auszuprobieren lohnte …
Sein Freund Henley stieß ihn noch einmal an. „Haben Sie mich überhaupt gehört, alter Knabe? In den Katakomben des Whitcombe Friedhofs findet eine Schwarze Messe statt. Aber wenn Sie eine bessere Idee haben …“
Andrew nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas, genoss das sanfte Brennen in seiner Kehle und schüttelte den Kopf. „Gehen Sie ohne mich nach Whitcombe. Ich denke, ich werde mich heute einmal früh nach Hause begeben.“
„Sie wollen früh zu Bett? Sind Sie etwa krank, Hunter?“
Krank? Konnte man einen Anfall von unüberwindlicher Langeweile und von Lebensüberdruss als Krankheit bezeichnen? Wenn ja, dann war er sehr krank. Aber darüber wollte er nicht sprechen. Also sagte er nur: „Diese Schwarzen Messen sind doch bloß ein dummes Spiel, Henley. Keiner glaubt wirklich daran. Hexen? So ein Unsinn! Unterhaltung für ein paar Stunden, mehr nicht! Ganz gleich, ob es sich um Teufelsanbetung, Hahnenkämpfe oder Weiber handelt, es langweilt mich.“
Sein Freund musterte ihn einen Moment lang nachdenklich. „In letzter Zeit blasen Sie zu oft Trübsinn. Das macht mir Kummer. Es ist an der Zeit, dass wir etwas finden, was Ihr Interesse weckt und es dann eine Weile fesselt.“
Er lachte. „Sie werden doch hoffentlich nicht vorschlagen, ich solle mir eine Geliebte suchen!“
„Nun, meiner Erfahrung nach kann nichts und niemand die Stimmung eines Mannes besser heben als ein hübsches williges Mädchen.“
Er dachte tatsächlich einen Moment lang darüber nach. Dann wurde ihm klar, dass selbst die Vorstellung, sich mit einer bezaubernden jungen Frau einzulassen, ihn nicht wirklich reizen konnte. Wie viele Frauen hatte er in den letzten Jahren besessen? Mit wie vielen hatte er geflirtet? Wie viele hatte er geküsst? Wie viele verführt? Wahrhaftig, er war selbst dieser Beschäftigung überdrüssig geworden!
Als sein älterer Bruder, der Earl of Lockwood, vor vier Monaten geheiratet hatte, war Andrew in ein kleines Stadthaus gezogen. Bis dahin hatte er mit seinen drei Brüdern unter einem Dach gewohnt. Doch nach der Eheschließung des Ältesten verspürte er keinerlei Lust, das junge Glück – so amüsant es ihm auch manchmal erschien – aus der Nähe mitzuerleben. Seinen jüngeren Brüdern James und Charles war es offensichtlich ähnlich ergangen. Sie hatten sich Wohnungen genommen, um dem frisch vermählten Paar ein ungestörtes Privatleben zu ermöglichen.
Andrew musste einen Seufzer unterdrücken. Solange es nötig gewesen war, gewisse Unternehmungen vor seinem ältesten Bruder geheim zu halten, waren sie ihm bedeutend spannender und unterhaltsamer erschienen als nun, da niemand mehr seine Handlungen mit kritischem Blick beobachtete. Ja, sein Dasein war eindeutig langweiliger geworden.
In dieser Nacht allerdings verspürte er ein seltsames Prickeln. Fast war es, als wolle ihm ein sechster Sinn sagen, dass das Leben doch noch etwas Besonderes zu bieten hatte. Irgendetwas Ungewöhnliches stand bevor. Etwas, das ihn aus seiner Lethargie reißen würde. Allerdings würde er es nicht dort finden, wo er normalerweise nach Unterhaltung suchte.
Mit einem kaum merklichen Lächeln wandte er sich an Henley. „Keine Frau heute“, erklärte er. „Wie ich schon sagte: Mir steht der Sinn nicht danach, etwas zu unternehmen. Vielleicht besuche ich noch kurz meinen Club. Mehr nicht …“
Henley verzog unwillkürlich das Gesicht. Er konnte einfach nicht glauben, was er da hörte. „Was ist los mit Ihnen, Hunter? Woher kommt diese Erschöpfung? Es ist noch nicht lange her, da sind Sie – genau wie wir anderen – nächtelang wach geblieben, ohne die geringsten Anzeichen von Ermattung zu zeigen! Was ist los? Sie machen mir Sorgen. He, schauen Sie sich um: Wir sind umgeben von Menschen, interessanten Männern und reizenden Frauen, die sich ein bisschen amüsieren wollen!“
Erneut ließ Andrew den Blick über die Anwesenden gleiten. Es stimmte, die meisten von ihnen schienen Spaß an dem Kostümball zu finden und bester Laune zu sein. Wer seine Identität hinter einer Maske verbergen konnte, fühlte sich gleich freier und scheute sich nicht, sich ein wenig unzüchtig zu benehmen. Oder reichten schon die langen warmen Sommerabende, um die Moral zu lockern? Der Mangel an Zurückhaltung war jedenfalls deutlich spürbar, hier und auch anderswo. Abenteuerlustige Männer und Frauen drängten sich auf Bällen und Soireen, auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks.
„Wir kennen das alles doch längst, Henley“, stellte Andrew mit einem Schulterzucken fest. „Nichts an all diesen Vergnügungen ist neu.“ Himmel, wie sehr er sich nach etwas Anderem, etwas Neuem sehnte! Er brauchte etwas, das ihn aus seiner dumpfen Langeweile riss!
„Unsinn! Es gibt immer wieder etwas Ungewöhnliches und Interessantes. Beispielsweise ist Lady Lace kürzlich zum ersten Mal auf der Bildfläche erschienen.“
„Lady wer?“
Henley wandte den Kopf und schaute zu einer Gruppe hin, die sich in einer Ecke des Saals versammelt hatte, aus der immer wieder lautes Gelächter zu hören war. Gentlemen und Damen schienen sich bestens zu unterhalten. Eine der Frauen fiel besonders auf, weil sie ganz in Schwarz gekleidet war. Sie trug ein tiefschwarzes Seidenkleid und dazu eine genauso dunkle, mit schwarzer Spitze besetzte Maske. Die Dame war klein, zierlich, schlanker als die Frauen, die Andrew im Allgemeinen gefielen. Dennoch hatte sie etwas an sich, das auch ihn sogleich in den Bann zog.
Jetzt bewegte sie die Hände in einer abwehrenden Geste, und zwei blonde junge Männer, die vor ihr gestanden hatten, traten einen Schritt zurück. Sogleich nahmen zwei andere deren Platz ein. Einer von ihnen war, wie Andrew bemerkte, sein Freund Conrad McPherson.
Hunter kniff die Augen zusammen, um beim flackernden Kerzenlicht besser sehen zu können. Lady Lace war wirklich schlank, aber sie war nicht so dünn, wie er zuerst gedacht hatte. Tatsächlich waren ihre Formen durchaus weiblich. Aufregend weiblich. Das schwarze Kleid betonte die Rundung ihrer Brüste, und der tiefe Ausschnitt gab den Blick frei auf ihre weiße, wie Samt schimmernde Haut. Auch ihr Haar glänzte. Die braunen Locken waren mit Hilfe eines schwarzen Bändchens hochgebunden und hätten vielleicht langweilig gewirkt, wenn da nicht dieser rötliche Glanz gewesen wäre. Bei jeder Bewegung schienen einzelne Strähnen rötlich aufzublitzen.
„Reizend …“, murmelte er. „Was können Sie mir über die Dame erzählen, Henley?“
Sein Freund lächelte zufrieden. Es gefiel ihm, dass er Hunters Interesse hatte wecken können. „Als Erstes“, begann er, „muss ich Ihnen sagen, dass Lady Lace meiner Meinung nach nicht ihr richtiger Name ist. Sie geht allen Fragen nach ihrer Herkunft geschickt aus dem Weg. Man vermutet, dass sie aus dem nördlichen England kommt, aus Yorkshire vielleicht. Es könnte aber auch ein gälischer Akzent sein, den sie gut zu verbergen versteht. Vielleicht stammt sie aus Irland oder Schottland? Jedenfalls ist sie erst kürzlich in London aufgetaucht. Seit einer Woche vielleicht besucht sie die Ballhäuser. Sie trägt stets Schwarz, woraus einige schließen, dass sie verwitwet ist. Andere behaupten, sie sei eine Kurtisane, die mit ihrer Aufmachung Aufsehen erregen will, weil sie auf der Suche nach einem neuen Liebhaber ist. Spekulationen …“
„Eine Kurtisane? Hm …“ Andrew runzelte die Stirn.
„Nun ja, sie gestattet ihren zahlreichen Verehrern gewisse Freiheiten. Das heißt, wie wir wissen, erlaubt sie – wo auch immer sie auftaucht – einem der anwesenden Gentlemen, sie zu küssen. Damit meine ich nicht, dass er ihr einen brüderlichen Kuss auf die Wange geben darf. Nein, ich spreche von einem richtigen Kuss, einem, den sie voller Leidenschaft erwidert. Wahrhaftig“, er fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar, „ich frage mich, warum ich noch nicht zu den Glücklichen gehören durfte.“
„Wer weiß, vielleicht gefallen Sie ihr einfach nicht.“ Ein paar Minuten lang beobachtete er Lady Lace aufmerksam. „Sie scheint eine kluge und geschäftstüchtige Frau zu sein. Eine Kurtisane von Format … Innerhalb weniger Tage ist es ihr gelungen, alle Welt auf sich aufmerksam zu machen. Man spricht von ihr, die Männer erwarten sehnsüchtig ihre Ankunft und sehen sich schon als Ziel ihrer leidenschaftlichen Hingabe. Zweifellos wird sie sich bald für einen wirklich wohlhabenden Gentleman als neuen Beschützer entscheiden. Und...