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E-Book

E-Book, Deutsch, 154 Seiten

Rank / Pohlmann-Rother Inklusion von Anfang an

Aufgabe der Grundschule

E-Book, Deutsch, 154 Seiten

ISBN: 978-3-17-041891-2
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Grundschule als Schule für alle Kinder ist besonders geeignet das Ziel der Inklusion zu verfolgen. Das Buch konzentriert sich darauf, wie die Grundschule gesellschaftliche Strahlkraft entwickeln und das Miteinander unterschiedlichster Menschen im gemeinsamen Handeln fördern kann. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen und aktuellen Forschungsergebnissen werden die Voraussetzungen für die Umsetzung von Inklusion in der Grundschule sowie die nötigen Schulentwicklungsprozesse dargestellt. Dabei erläutert das Buch die wichtigsten Pfeiler der Unterrichtsentwicklung, angefangen bei der Planung bis hin zur individuellen Förderung, und zeigt, wie kooperatives Arbeiten an der inklusiven Grundschule erfolgreich gestaltet werden kann. Zudem wird ein Kompetenzmodell für das Studium inklusiver Grundschulpädagogik entworfen.
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2 Inklusion in der Grundschule – Vergangenheit und Gegenwart
Wenn man sich mit dem Verlauf der Entwicklung von Inklusion beschäftigt, findet man häufig eine Darstellung, in der anhand von Punktebildern eine Entwicklung gezeigt wird: von der Exklusion über Separation/Segregation, Integration, Inklusion hin zu einer Pädagogik, die Vielfalt als Normalfall ansieht (Quante, 2021). Diese Phasen gehen v.?a. von der Teilhabe der Menschen mit Behinderung aus, können aber eigentlich in ihrer Abfolge auf andere marginalisierte Gruppen übertragen werden. Es soll aber erwähnt sein, dass diese Punktebilder ein sehr vereinfachtes Verständnis zeigen, das zudem bezogen auf Menschen verschiedener Merkmalszuweisungen und verschiedener Teilhabebereiche (Staat, Kommune...) ganz anders aussehen würde (Lindemann, 2018). Daher wird an dieser Stelle auf eine solche Abbildung verzichtet. Lindemann (2018) verweist zudem darauf, dass als sechste Form die Habilitation und Rehabilitation (eine zeitweilige Segregation mit anschließender ReIntegration) fehlt. Außerdem haben je nach Kontext alle Formen eine gewisse Berechtigung. Separation kann als eine temporäre Abgrenzung sinnvoll sein (als Beispiele nennt Lindemann, 2018 u.?a. einen Spielplatz für Kinder oder Gebetshäuser für spezifische Religionen), auch Exklusionsmechanismen, wie etwa Jugendschutzgesetze, haben an vielen Stellen ihre Berechtigungen. Dennoch zeigt diese zeitliche Abfolge bezogen auf schulische Inklusion von Menschen mit Behinderungen einen gewissen Wandel der Einstellungen und des Systems. Nach einer Zeit, in der Menschen mit Behinderungen komplett von gesellschaftlichen Einrichtungen und damit auch vom Bildungssystem ausgeschlossen waren (Exklusion), gab und gibt es eine separierte Beschulung. Wie schon erwähnt, waren diese schulischen Sondereinrichtungen zu ihrer Zeit ein Fortschritt, weil sie zum ersten Mal Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit des Schulbesuchs eröffneten. Der Ausbau des Sonderschulwesens führte zudem dazu, dass sich das Fach »Sonder?(schul)-pädagogik« an Universitäten und pädagogischen Hochschulen etablierte. 2.1 Die Diskussion um Integration
Den Beginn der Phase der Integration kann man in Westdeutschland ungefähr in die 1970er Jahre datieren. In der DDR wurde die integrative Idee hingegen von offizieller Seite abgelehnt und konnte sich erst nach der Wende etablieren. Freiburg (1990) zitiert das Ergebnis der IV. Internationalen Konferenz zur Defektologie, in der Sonderpädagoginnen und -pädagogen aus sozialistischen Staaten und der sogenannten »Dritten Welt« tagten: Das Integrationskonzept habe »Klassencharakter, weil es die dem Kapitalismus wesenseigene Benachteiligung von Schwachen und Randgruppen« kaschiere (ebd., S. 343). Insofern wurde in der DDR keine Diskussion »Sonderbeschulung« versus »Integration« geführt, da die Sonderbeschulung als fördernd und als spezielles Element im Gesamtsystem gewertet wurde (ebd., S. 344). Es gab also aufgrund staatlicher Kontrolle bis zur Wende keinen Diskurs von Eltern, Lehrkräften oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Integration, wie es ihn in der BRD gab (Geiling & Simon, 2022). Die Idee der Integration geht bei den meisten Autorinnen und Autoren von zwei Gruppen aus: Eine definierte kleinere Gruppe soll in eine Großgruppe eingegliedert werden (Hinz, 2011; Quante, 2021). Diese Gruppe wird als anders, in sich aber auch als scheinbar homogen, wahrgenommen (»Menschen mit Behinderungen«, »Menschen mit Migrationshintergrund«). Es liegt also eine Zwei-Gruppen-Theorie zugrunde. Aus Sicht verschiedener Inklusionsvertreterinnen und -vertreter, die Inklusion als eine Weiterentwicklung und Optimierung von Integration verstehen (z.?B. Hinz 2002), wird diese Idee der Integration in Frage gestellt, da sie Assimilation und Anpassung einer Gruppe an die andere Mehrheitsgruppe erfordert. Man muss aber auch hier sagen, dass Integration im Schulsystem, speziell auch im Grundschulsystem, zunächst ein enormer Fortschritt war und großes pädagogisches Ethos und Engagement mit sich brachte. 1970 berief die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrats einen Fachausschuss »Sonderpädagogik« unter dem Vorsitz von Jakob Muth ein, der damals Schulpädagogikprofessor an der Ruhr-Universität Bochum war. Von diesem Ausschuss wurden 1973 die Empfehlungen »Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher« verabschiedet, die als erstes offizielles Dokument der BRD die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung empfahlen (Eberwein, 1998). Man kann konstatieren, dass aus heutiger Sicht diese Empfehlungen eine gewisse Erfolgsgeschichte markieren, damals aber nicht der Mehrheitsmeinung entsprachen. Zu Beginn waren die integrativen Schulversuche vom Engagement einzelner Protagonisten abhängig: Schulen, Lehrkräfte, Elternverbände. Seit den 1980er Jahren gab es vermehrt systematische Untersuchungen, etwa wissenschaftlich begleitete Modellversuche in Schulen, die positive Wirkungen der Integration belegten (Heimlich, 2016). Andere Länder, wie beispielsweise Italien (Enders, 2013), machten sich auf den Weg und dienten als Vorbilder für schulische Umsetzungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt entstanden in den 1980er Jahren große Bürgerrechtsbewegungen, zu denen auch die »Krüppelbewegung« zählte (Jantzen, 1997; Schönwiese, 2016), welche sich für Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung einsetzten. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einem integrativen Schulsystem war die Salamanca-Erklärung von 1994, die schon in den ersten Sätzen auf Folgendes hinweist: »Diese Dokumente sind getragen vom Prinzip der Integration, von der Erkenntnis, dass es notwendig ist, auf eine ›Schule für alle‹ hinzuarbeiten.« (UNESCO, 1994). Bundesgesetze wie das »Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz« von 1994 und das »Behindertengleichstellungsgesetz« von 2002 folgten. Die Grundschule machte sich als »Integrationsschule« sehr früh auf den Weg, durchaus auch staatlich gestützt, wenn auch immer unter dem Zwei-Gruppen-Gedanken: Es gab schon vor der Ratifizierung der UN-BRK Kooperationsklassen von Förderschulen und Regelschulen oder mobile sonderpädagogische Dienste zur Unterstützung von Regelschulen (Schorch, 2007). Viele Grundschulen waren jahrzehntelang wie selbstverständlich im Bereich der »grauen Integration« engagiert. Damit ist gemeint, dass sie Kinder mit Behinderungen einfach aufnahmen, ohne entsprechende Unterstützung zu erhalten. Es gibt viele Erfolgsgeschichten engagierter Lehrkräfte und ihrer Kinder (eindrucksvoll zusammengefasst in Thoma & Rehle, 2009). Aber diese Einzelfälle und die enormen Mühen und Anstrengungen aller Beteiligten zeigen auch, dass es eben nicht »normal« üblich war, integrativ zu unterrichten. Das Schulsystem blieb weitgehend einer selektiven Logik verhaftet (Thoma, 2009). 2.2 Die Diskussion um Inklusion
Der Begriff »Inklusion« und das zugehörige Konzept kamen mit der Ratifizierung der UN-BRK 2009 endgültig in die deutschsprachige Diskussion. In englischsprachigen Dokumenten war auch vorher schon von »inclusion« die Rede. So beginnt oben genanntes Zitat aus der Salamanca-Erklärung von 1994 im Original mit dem Satz: »These documents are informed by the principle of inclusion« – im Deutschen übersetzt mit »Integration«. Auch in der deutschen Übersetzung der UN-BRK wird von »Integration« anstatt von »Inklusion« gesprochen. So lautet der auf Bildung bezogene Artikel 24 der UN-BRK im Original: »With a view to realizing this right without discrimination and on the basis of equal opportunity, States Parties shall ensure an inclusive education system at all levels [...]«, wobei in der deutschen Übersetzung von einem »integrativen Bildungssystem« gesprochen wird (Deutsches Institut für Menschenrechte, 2009). Gegen diese Übersetzung regte sich im Jahr 2009 Widerstand, da der Begriff der Inklusion in der deutschen Diskussion mit der Idee der unteilbaren Gruppe verbunden wird und sich somit vom Begriff der Integration unterscheidet. Es soll nicht eine Gruppe in eine andere integriert werden, sondern alle Kinder sollen ohne Aussonderung in der gemeinsamen Schule unterrichtet werden, welche wiederum entsprechende Ressourcen erhält (Hinz, 2002; Quante, 2021). In der UN-BRK wird das Konstrukt »inclusive educational system« nicht so umfassend bezogen auf alle Kinder definiert, denn der Text geht von der Gruppe der Menschen mit Behinderungen aus, wie schon der Titel »Behindertenrechtskonvention« zeigt. Es wird aber ausgesagt, dass Kinder mit Behinderungen nicht vom allgemeinen Bildungssystem oder aufgrund der Behinderung nicht vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht ausgeschlossen werden dürfen (Deutsches Institut für Menschenrechte, 2009). Ob nun Sonderschulen auch Teil des allgemeinen Bildungssystems sind und somit das deutsche System bereits inklusiv ist, da es den Kindern mit Behinderung grundsätzlich Bildung ermöglicht, im Gegensatz zu anderen Staaten, und zudem dem Gedanken der Förderung stärker verhaftet ist –...


Prof. Dr. Astrid Rank hat den Lehrstuhl für allgemeine Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der Universität Regensburg inne und leitet verschiedene Projekte zum Thema "Inklusion".


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