Rangnick / Bauer | Fürchte deinen Bruder | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Rangnick / Bauer Fürchte deinen Bruder

Ein neuer Fall für Robert Walcher
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8437-0719-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein neuer Fall für Robert Walcher

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0719-0
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Robert Walcher bekommt Besuch: Kollegin Elena möchte Urlaub im beschaulichen Allgäu machen. Walcher ist sofort hin und weg, die junge Frau ist eine Wohltat für sein Junggesellenherz. Die Idylle endet jäh, als Elena einen Anruf bekommt: Ihr Bruder, ein bekannter Keltenforscher, wurde bei einem Mordanschlag schwer verletzt. Elena bittet Walcher um Hilfe. Gemeinsam folgen sie einer blutigen Spur und decken ein Komplott auf, in dem es um Geld, Macht und gefährliche Wahrheiten geht.

Joachim Rangnick, geboren 1947, ist studierter Grafiker und lebt in Weingarten. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben. In seinen Kriminalromanen bringt sich Journalist Robert Walcher im beschaulichen Allgäu immer wieder in höchste Gefahr.
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PROLOG

Da war er wieder, dieser Schwindel, der den Blick trübte und das Herz schlagen ließ wie eine hart gespannte Trommel. Sogar Schweißperlen bildeten sich auf der pergamentenen Stirnhaut des Monsignore, kullerten über seine Wangen und tropften vom Kinn auf den Brief, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Einer der Tropfen traf die Unterschrift, löste bei vier Buchstaben das dunkle Filzblau an und verdünnte es zu einem kleinen runden See aus wässrigem Himmelblau. Der altmodische Löschpapierroller, den Monsignore Bracheso aus der Schublade kramte, kam zu spät zum Einsatz. Von der linken Hand etwas umständlich über den Brief gerollt, saugte die Rolle zwar die Flüssigkeit auf, hinterließ aber in der Unterschrift eine hellblaue Leerstelle. Etwas verblüfft guckte er auf das Löschpapier, stutzte und kramte aus derselben Schublade sein Vergrößerungsglas heraus. Monsignore Bracheso machte das ganz automatisch, denn zu erkennen wäre in der Schublade ohnehin nichts. Die Lampe auf dem Schreibtisch erhellte nur einen kleinen Kreis, der Rest lag in dämmriger Dunkelheit, wie auch der ganze Raum. Ein großer, langgestreckter Raum, ein ehemaliges Skriptorium in den unergründlichen Gebäuden der Vatikanischen Bibliothek. Nur die Notbeleuchtung war eingeschaltet und ließ zwei Reihen von Schreibtischen erkennen, sechs auf jeder Seite. Der Schreibtisch des Monsignore stand am Ende des Saals und setzte sich durch seine Größe gegenüber den übrigen Schreibtischen deutlich ab. Zwei Jahrzehnte hatte es gedauert, bis er vom Eingang des Skriptoriums in die jetzige Position aufgerückt war. Dass er aber um diese Nachtstunde noch am Schreibtisch saß, hatte damit nichts zu tun, Monsignore Bracheso zählte sich immer schon zu den Nachtarbeitern. Er genoss die Ruhe, die tagsüber eher selten herrschte, auch waren manche seiner Studien nicht für neugierige Augen bestimmt.

Mit einem leichten Seufzer beugte er sich vor und brachte die Lupe in die richtige Position. Deutlich war nun sichtbar, welche Buchstaben seine Schweißtropfen gelöscht hatten: i-n-r-i.

Obwohl eine ganze Hand zwischen seinen Schildkrötenhals und den Kragen gepasst hätte, schien der Stoff mit einem Mal zu eng geworden, und er zerrte heftig an seinem Kollar. Erst als der Faden den Knopf am weißen Kragen freigab, bekam der alte Mann Luft und beruhigte sich allmählich. Er zog aus seinem Jackett ein Taschentuch, griff gleichzeitig zum Wasserglas und tupfte sich die Stirn trocken. Erst dann trank er etwas. Das kühle Wasser half aber wenig gegen den Druck, der ihm dumpf-brennend die Brust zusammenpresste und den Atem nahm. Trotzdem griff er sich noch einmal die Lupe, besah sich die Buchstaben auf dem Löschpapier und schwenkte mit der Lupe zum Brief. Unter der handschriftlichen Signatur stand der ausgedruckte Name: Georg Hinrichsen.

Monsignore Bracheso sah sich um. Außer der vertrauten Holztäfelung war nichts hinter ihm. Aber die dunkle Stille des Raums wirkte mit einem Mal bedrohlich. Mit abwesendem Blick schüttelte er den Kopf. »INRI«, flüsterte er versonnen und schüttelte den Kopf. Ein Zufall? Ein Zeichen?

Ein anderes Zeichen meldete sich wieder, der Druck in seiner Brust wurde stärker. Nach dem Infarkt vergangener Woche – ein leichter nur und von ihm verstanden als ein Zeichen, in Frieden dem Ruf seines Schöpfers zu folgen – steckte in seiner Jackentasche ein Nitrospray. Der Doktor hatte es ihm regelrecht aufgedrängt. Nun fingerte er den nur daumengroßen Behälter zittrig aus der Tasche. Die Situation hatte sich geändert, er konnte nicht mehr so einfach gehen. Noch nicht! Immer hatte er gehofft, hatte gebetet, niemals seinen Schwur erfüllen zu müssen. Er war Wissenschaftler, kein verbiesterter Dogmatiker und schon gar kein Religionspolizist.

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, die Medizin zu benutzen, er wollte den Weg gehen, den der Herr vorgab … Aber nun war das eingetreten, was ihn bis in seine dunkelsten Träume verfolgt hatte. Wie eine Waffe gegen die Angriffe der finsteren Mächte hielt er die kleine Dose in der Hand. Nur ein kleiner Druck auf den Zerstäuber, und der Schmerz würde nachlassen, hatte der Doktor erklärt. Das Gas strömte in den Hals, reizte die vertrockneten Bronchien und entfachte einen heftigen Hustenreiz. Ein zweites Mal ließ er das Gas zischen. Keuchend zwar, aber mit einem deutlichen Gefühl der Erleichterung, lehnte er sich zurück. Er hielt seine Augen geschlossen, als könnte er so die Bilder erfassen, die nun auf einer imaginären Leinwand im Zeitraffer vorbeiflatterten. Bilder aus längst vergangenen sonnigen Zeiten, die sich wie eine Geheimwaffe gegen die harte Realität stemmten. In warmen Farbtönen leuchteten sie chronologisch auf, wie es seinem ausgeprägten Ordnungssinn entsprach. Die kleine Ziegenherde, neun Geißen an der Zahl, die er als Kind hüten musste, sie zog vorüber, und er hörte das helle Bimmeln der Glöckchen an den dürren Hälsen, spürte förmlich die flirrende Hitze, wenn er die störrischen Viecher täglich zum Tempel der Hera getrieben hatte. Anfangs, weil der Tempel oder besser gesagt dessen spärliche Reste in der Nähe des heimischen Hofes lagen, und später, weil er gehört hatte, dass dort das Grab von Pythagoras vermutet wurde. Die Studienjahre in Rom, begleitet vom stolzen Lächeln der Mutter und ihrem köstlichen Brot, das jeden Monat mit der Post in seine trostlose Wohnkammer kam, wie ein Segen. Dann die ersten Jahre in der Bibliothek der Congregatio Sancti Officii, die wissenschaftliche Anlaufstelle für Anfragen aus aller Welt.

Eine interessante Zeit, in der er sich als Vertrauter qualifiziert und Zutritt in das Innerste der Vatikanischen Archive erhalten hatte, dort wo die Essenz der Organisation Kirche lagerte. Über heidnische Götter, die unbefleckte Empfängnis, das Grabtuch von Turin, die Inquisition, über die Päpste gab er Auskünfte oder Hinweise auf die erbetenen Quellen. Dreißig Jahre reihten sich aneinander wie Tautropfen an Leimruten, die nur am Morgen sichtbar, im Laufe des Tages jedoch in Vergessenheit gerieten, wie auch sein romantisches Ziel, eine besondere Leistung für den Herrn zu erbringen. Jeder Gedanke daran wurde geschluckt von all diesen Anfragen über Recht und Unrecht, über die Wiedergeburt oder ob es ein Jenseits gab, wo Gott saß und ob Jesu Tod ein Sühneopfer war und Darwin mit dem Teufel im Bund stand, ob die Freimaurer eine geduldete Unterorganisation der Kirche waren oder ob es Listen der Wanderer auf den Klosterrouten gab. Erstaunlich, aber selbst von namhaften Historikern kamen ähnlich unsinnige Anfragen, wenngleich auf einem anderen Niveau. Da drehte es sich zum Beispiel schon mal um die weltbewegende Klärung der Frage, ob Cyprian von Karthago durch seine vehemente Abrede der Gültigkeit der von Häretikern vorgenommenen Taufe faktisch die Wiedertäufer unterstützt hatte. Immerhin, solche Anfragen belegten die Wichtigkeit des Archivdienstes – und waren angelegt, heftige Dispute unter Wissenschaftskollegen zu entfachen. Wie das Quaken der Frösche klang es dann in den Publikationen, mit denen sich die Fachleute gegenseitig der oberflächlichen Sichtweise, manchmal gar der Dummheit bezichtigten. Das war gut so und hatte über Jahrhunderte funktioniert, hielt es sie doch von jenen Themen ab, die wirklich wichtige Rätsel aufgaben.

Im Alter von fünfzig Jahren erhielt er dann vom Präfekten der Glaubenskongregation den Auftrag, die Rätsel der Pseudoisidorischen Dekretalen zu lösen, und fraß sich folgsam durch die Archive. Die Suche nach dem wirklichen Umfang der großangelegten Fälschungen, die in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts im heutigen Ostfrankreich begonnen hatten, beschäftigte ihn bis auf den heutigen Tag, etwa 26 Jahre. Mehr als den dritten Teil eines durchschnittlichen Lebensalters. Niemanden, auch ihn selbst nicht, wunderte es, dass er in dieser Zeit all dem ihn umgebenden Pergament immer ähnlicher geworden war: blass, ausgetrocknet und verstaubt. Einzig die Unterbrechungen seiner Recherche – besonders sensible Anfragen an die Glaubenskongregation wurden trotz seines wichtigen Hauptauftrags immer noch an ihn weitergereicht, auch in den Archiven dünnte qualifizierter Nachwuchs stetig aus – hatten wohl den längst fälligen Infarkt hinausgezögert. Aber nun war er gekommen, zwar erträglich schmerzhaft und von ihm aufgefasst als ein Zeichen, dass der Herr ein Einsehen mit ihm hatte, aber immerhin deutlich genug. Vielleicht hatte der Herr ja etwas gegen seinen Wunsch, die Auftraggeber dieser so außergewöhnlichen Fälschungen zu entdecken und dazu noch das eine oder andere Pergament zu glätten. Aber vermutlich gab es ja wirklich etwas Wichtigeres als gefälschte Dekretalen, zum Beispiel der Brief vor ihm. Gut, immer wieder war mal einer gekommen, hatte nach dem Auge des Herrn gefragt, nach der Bedeutung des heiligen Dreiecks oder nach den göttlichen Strahlen der Monstranzen, aber nun stellte einer gleich eine ganze Liste von Fragen, gefährliche Fragen, wie sie nur jemand stellen konnte, der die Zusammenhänge erkannt hatte. Ob in den Vatikanischen Archiven etwas über die Mathematik der frühen Kelten vorhanden sei, über den Satz des Pythagoras, das gleichseitige Dreieck, die heilige Lanze im Zusammenhang mit dem Äskulapstab, den Bischofsstäben und jenen Stäben der Pharaonen. Ob in alten Schriften speziell der Bereich des 48. Breitengrades erwähnt werde, ob es sein könne, dass man Apollon als Mathematiker verehrt hatte und sein Winkelmessgerät fälschlich als Pfeil und Bogen interpretiert wurde … und noch ein paar ketzerische Fragen mehr, die in der Summe einen Angriff auf die Unfehlbarkeit des Papstes, ja der heiligen Kirche in ihrer Ganzheit...


Bauer, Jörg
Jörg Bauer, Inhaber des Unternehmens „Bauer-Innovation“, ist seit über 20 Jahren als Ratgeber und Entwicklungspartner der Industrie tätig. In seiner Freizeit betreibt er wissenschaftliche Archäologie über die Kelten und die Entstehung der Mathematik.

Rangnick, Joachim
Joachim Rangnick, geboren 1947, ist studierter Grafiker und lebt in Weingarten. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben. In seinen Kriminalromanen bringt sich Journalist Robert Walcher im beschaulichen Allgäu immer wieder in höchste Gefahr.

Joachim Rangnick, geboren 1947, ist studierter Grafi ker und lebt in Weingarten. Heute widmeter sich ganz dem Schreiben. In seinen Kriminalromanen bringt sich Journalist Robert Walcher im beschaulichen Allgäu immer wieder in höchste Gefahr.



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