E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Paris Love
Raisin Mein wundervoller Antikladen im Schatten des Eiffelturms
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8412-1502-4
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Paris Love
ISBN: 978-3-8412-1502-4
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wo findet man die Liebe, wenn nicht im Frühling in Paris?
Anouk hat der Liebe abschworen, seit sie von ihrem Exfreund übel hinters Licht geführt wurde. Sie will sich nur noch um ihren kleinen Antikladen kümmern und den Menschen helfen, das zu ihnen passende Schmuckstück zu finden - denn jeder ihrer Schätze hat eine eigene Geschichte zu erzählen. Dann begegnet sie auf ihrer Suche nach Antiquitäten dem mysteriösen Tristan, und schon bald merkt Anouk, dass seinem Herzen zu folgen ein bisschen so ist, wie sich in den Straßen von Paris zu verlieren - manchmal verwirrend und voller Irrwege, aber immer aufregend und voller einzigartiger Momente ...
Rebecca Raisin war schon immer verrückt nach Büchern, und aus der Freude am Lesen erwuchs schon bald der Drang, selbst zu schreiben. Ihre Figuren liegen ihr alle am Herzen, doch am liebsten sind ihr jene, die sie die eine, große Liebe erfahren lassen kann.
Im Aufbau Taschenbuch liegen die ersten beiden Bände ihrer Reihe romantischer Paris-Romane 'Mein zauberhafter Buchladen am Ufer der Seine' und 'Mein wundervoller Antikladen im Schatten des Eiffelturms' vor, der dritte Teil 'Die kleine Parfümerie der Liebe' bei Rütten & Loening.
Mehr Informationen zur Autorin unter www.rebeccaraisin.com.
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Kapitel 1
Der Duft von Vergissmeinnicht wehte mir in die Nase, als ein Windstoß durch meine Zeitung fuhr und die Seiten umknickte, so dass ich die Schlagzeile, die mir eben aufgefallen war, nicht weiterlesen konnte. Vom Balkon über mir rieselten ein paar himmelblaue Blüten aus den Blumenkästen. Ungeduldig schlug ich die Seiten aus, um das Papier wieder zu straffen, und hoffte, ich hätte mich verlesen, denn sonst wären es überaus schlechte Nachrichten.
»Was ist denn?«, fragte Madame Dupont, während sie eine Mokkatasse mit schwarzem Kaffee an ihre scharlachrot geschminkten Lippen hob. »Wenn Sie nicht aufpassen, färbt die Druckerschwärze ab, und dann laufen Sie den ganzen Tag mit einem spiegelverkehrten Artikel des French Enquirer im Gesicht herum.«
Amüsiert schüttelte ich den Kopf. So etwas konnte nur Madame Dupont einfallen. Sie war eine lebenslustige Mittsiebzigerin, die sich immer noch ausgiebig schminkte und so viel Rouge auftrug, dass ihre Wangen fast lila glänzten. Ihre dunkelbraunen Augen waren dick mit Kajal umrandet und von falschen Wimpern gesäumt, die wie schwarze Fächer auf und zu klappten. Dem Strahlen in ihren Augen nach wirkte sie jedoch nur halb so alt, und mit ihrer Energie und Dynamik war nur schwer mitzuhalten. Feine Rauchschwaden wirbelten um ihr sorgsam frisiertes graues Haar, das sie absichtlich nicht färbte, weil sie der Meinung war, die silberfarbenen Strähnen schmeichelten ihrem Teint. Man sah sie nie ohne eine Zigarette, die sie stets in einer Spitze aus Elfenbein hielt, dem Relikt aus einer anderen Ära. Ich hatte das gute Stück auf einem der Flohmärkte am Seineufer gefunden, und Madame hielt es in Ehren.
Wenn ich sie wegen ihrer Zigarettensucht tadelte, lachte sie nur und erklärte, ihre Laster hielten sie jung. Madame Dupont genoss das Leben in vollen Zügen, sprühte nur so vor Charme und Esprit. Sie war früher eine berühmte Chansonnette gewesen, hatte mit Künstlern aus der ganzen Welt verkehrt, und dieser Glanz haftete ihr noch immer an. Männer wie Frauen suchten ihre Gesellschaft und brannten darauf, ihre Geheimnisse zu ergründen. Ich fand es immer höchst amüsant, wie die Leute um ihre Aufmerksamkeit buhlten. Unsere morgendlichen Treffen hingegen fanden in einer ruhigen Pariser Seitenstraße statt, so dass wir uns ungestört austauschen konnten.
Die schwarz-weißen Zeitungsseiten raschelten im Wind, als wollten sie mich an den Artikel mit seiner beunruhigenden Überschrift erinnern. »Es hat eine Einbruchserie in Sorrent gegeben, in Italien«, sagte ich und reichte Madame Dupont die Zeitung. »Die Auktionshäuser Dolce und Rocher sind betroffen.«
»Was? Aber wir sind doch gerade erst dort gewesen!« Madame Dupont schob sich die diamantbesetzte Lesebrille auf die Nase und überflog den Artikel.
»Oui«, sagte ich. »Können Sie sich das vorstellen?« Über unsere italienischen Kollegen mit ihrem Angebot an Antiquitäten waren wir gut informiert. Ich begleitete Madame Dupont häufig auf Geschäftsreisen, denn dem Erlebnis, fremden Boden zu betreten, andere Luft zu atmen und den Sternenhimmel aus neuer Perspektive zu sehen, konnte ich einfach nicht widerstehen. Als Inhaberin des Time Emporium handelte Madame Dupont mit Uhren und suchte an allen Enden der Welt nach einzigartigen Exemplaren. Ich war auf französische Antiquitäten spezialisiert und bot bei Auktionen nur auf Stücke aus meinem Heimatland. Durch Nachlassverkäufe, Flohmärkte und andere Quellen hatte ich in Paris ausreichend zu tun, aber wenn mich die Abenteuerlust packte, zog es mich hin und wieder auch in die Ferne.
Madame Dupont hatte mich auf eine zweitägige Reise nach Sorrent, südlich von Neapel, mitgenommen. Ihre Ausdauer und Unternehmungslust waren zwar beeindruckend, aber so strapazierend, dass ich mir nachmittags lieber eine Auszeit genommen und Siesta gehalten hatte, um für den Abend wieder bei Kräften zu sein. Vormittags hatten wir die Antiquitäten in den erwähnten Auktionshäusern bewundert, und Madame Dupont hatte erfolgreich auf ein paar der wunderbaren Uhren geboten. Französische Antiquitäten waren nicht dabei gewesen, so dass ich nur herumgestöbert und mein Einkaufsbudget nicht strapaziert hatte.
Nun runzelte sie besorgt die Stirn. »O nein«, sagte sie und bewegte beim Weiterlesen stumm die Lippen. »Wie schrecklich, dass sie die Sammlungen L’amore di uno und L’arte di romanticismo verloren haben!« Die kostbaren Juwelen waren unter Händlern gut bekannt – bei den rosafarbenen Diamanten dachte jeder sofort an Coco Salvatore, die bekannte Sopranistin, die bis zu ihrem Tod vor einigen Jahren das Haus nie ohne eines dieser Schmuckstücke verlassen hatte.
Als wir die Juwelen in Sorrent dann mit eigenen Augen sahen, stockte uns fast der Atem. Sie schienen regelrecht zu pulsieren, als hätten sie einen Teil der Kraft und der Stimme der Sängerin in sich aufgenommen.
Madame Dupont legte sich eine Hand auf die Brust. »Schockierend! Was, wenn der Dieb direkt an uns vorbeigelaufen ist, ohne dass wir ihn bemerkt haben?«
Ich nickte und trank einen Schluck Café au lait. »Das wäre durchaus vorstellbar. Und wir hatten keine Ahnung.«
Madame Dupont strich ihren Rock glatt und schwieg einen Moment. Dann sagte sie: »Aber wie diese Diebe die Technik überlisten konnten, die doch beim feinsten Flüstern anschlägt, ist mir ein Rätsel. Sie müssen sich ausgezeichnet mit den heutigen Sicherheitssystemen auskennen. Da ich gerade mal in der Lage bin, eine E-Mail zu verschicken, empfinde ich beinahe Respekt vor dieser Leistung.«
»Madame Dupont! Sie dürfen doch keinen Respekt vor Dieben haben!« Ein Auto, das in eine winzige Parklücke manövrierte, zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Minis wie diesen gab es in Paris zuhauf, und geübte Fahrer schafften es in jeden noch so kleinen Zwischenraum.
»Warum nicht? Immerhin ist er ein Dieb mit sehr viel Intelligenz.«
»Er?«, fragte ich nach.
Sie verdrehte die Augen. »Natürlich ist es ein Er. Oder vielleicht ein Team von Ers. Frauen schätzen Diamanten viel zu sehr, als dass sie sie stehlen würden. Nun gut, einfacher wäre es natürlich, wenn der Täter nur eine Person wäre. Je mehr Menschen an einem Geheimnis teilhaben, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie geschnappt werden.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Sie klingen ja, als sprächen Sie aus Erfahrung, Madame.«
Ich musste sie einfach ein wenig aufziehen. Madames Vergangenheit strotzte nur so von wilden Episoden, auch wenn sie selbst darüber Stillschweigen bewahrte. Um ihre glorreichen Tage rankten sich die abenteuerlichsten Geschichten. Die berüchtigste war, sie sei in den Sechzigern die Geliebte des umschwärmten Marquis Laurent gewesen, eines Mannes mit flamboyantem Lebensstil, fast unanständigem Reichtum und engen Verbindungen zu den höchsten europäischen Adelshäusern. Eine Affäre wäre aus diversen Gründen skandalös gewesen, noch skandalöser jedoch war das Gerücht um ihre Trennung – angeblich war Madame die erste Frau, die je sein Herz gebrochen hatte. Niemand trennte sich vom Marquis, wenn er es nicht wollte, aber Madame Dupont hatte es getan, weil sie keine Lust hatte, sich fest zu binden. Sie hatte es damals nicht gewollt und wollte es heute genauso wenig. Sie liebte ihre Freiheit und Unabhängigkeit, ob nun von Männern, Kindern oder anderen Verwandten.
»Wollen Sie damit andeuten, ich könnte im Laufe meines langen und erfüllten Lebens jemals auf irgendeine Weise kriminell gewesen sein?« Sie kicherte wie ein junges Mädchen.
»Ich traue Ihnen sogar das zu, auch wenn Sie es natürlich niemals eingestehen würden.« So war das nämlich mit ihrer Vergangenheit: Madame selbst schwieg wie ein Grab.
»Oui, meine Geheimnisse sind sicher verwahrt.« Sie schmunzelte. Ihr Blick schweifte in die Ferne, als würde sie überlegen. »Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Anouk, was für Aufgaben ein Krimineller heute bewältigen muss? Allein, was man können muss, um irgendwo nur hinein- und wieder herauszugelangen, ist unvorstellbar. Und erst der Verkauf! Diese Juwelen kann niemals jemand tragen, weil man sie sofort wiedererkennen würde.«
Ich brach ein Stück von meinem Croissant ab. Auf dem Tisch verteilten sich Krümel von Blätterteig. »Eine Schande, dass diese wunderbaren Schmuckstücke verschwunden sind. Es geht nicht nur um ihren materiellen Wert – es hängen so viele Geschichten an ihnen, die nun für immer verloren sind. Und wozu? Damit sie von der Öffentlichkeit ungesehen in irgendeinem Tresor verstauben.« Ich kaute bedächtig, lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und warf einen Blick auf den Eiffelturm, der von der Boulangerie Fret-Co abseits der Avenue de la Bourdonnais zu sehen war. Schon seit Jahren gingen Madame Dupont und ich hier gemeinsam frühstücken.
Hier änderte sich nichts: Stammgäste betraten die Bäckerei und kamen mit frischen Baguettes unter dem Arm wieder heraus. Der Kaffee war immer stark und gut, die Croissants weich und buttrig und die Sicht auf den Eiffelturm wunderschön und heute teils vom Blätterdach der Bäume verdeckt, das immer wieder aufriss, wenn der Wind hineinfuhr. Am Morgen war es hier zumeist ruhig, nur der bucklige Mann von nebenan schob pfeifend seine Postkartenständer herum und staubte sie gelegentlich ab.
Madame Dupont wohnte eine Straße weiter in einem Penthouse-Apartment an der Avenue Élisée-Reclus, nur einen Katzensprung vom Eiffelturm entfernt. Auch mein kleines Antiquitätengeschäft lag ganz in der Nähe, etwas dichter noch an der Avenue Gustave...