Raffay | Die Gewissensfrage in Psychoanalyse und Analytischer Psychologie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 21, 227 Seiten

Reihe: Jahrbuch der Psychoanalyse. Beihefte

Raffay Die Gewissensfrage in Psychoanalyse und Analytischer Psychologie

Neue Untersuchung einer alten Wunde

E-Book, Deutsch, Band 21, 227 Seiten

Reihe: Jahrbuch der Psychoanalyse. Beihefte

ISBN: 978-3-7728-3016-7
Verlag: frommann-holzboog
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Die zwei großen analytischen Traditionen, die Psychoanalyse Sigmund Freuds und die analytische Psychologie C. G. Jungs, haben stark voneinander abweichende Konzepte des Gewissens und der Moral entwickelt. Das vorliegende Buch untersucht diese Entwürfe im Hinblick auf ihre Entstehung, ihre Unterschiede und ihre jeweilige Bedeutung für Theorie und therapeutische Praxis. Darüber hinaus geht die Autorin den Folgen dieser verschiedenen Konzepte bis in die gesellschaftliche und politische Realität hinein nach. Dabei spielt die Auseinandersetzung mit dem Judentum, Antisemitismus und Nationalsozialismus eine wichtige Rolle.

The two great analytic traditions, Sigmund Freud’s psychoanalysis and C.G. Jung’s analytical psychology, developed concepts of conscience and morals which differ strongly from each other. The author of this book studies these concepts with regard to their origins, their differences and the significance of each for theory and therapeutic practice. In addition, the author looks into the implications of these differing concepts, even including their implications for social and political reality. In this context, her study of Judaism, anti-Semitism and National Socialism are of considerable significance.
Raffay Die Gewissensfrage in Psychoanalyse und Analytischer Psychologie jetzt bestellen!

Zielgruppe


Psychoanalytiker, Analytische Psychologen, Psychodynamische Psychotherapeuten, Literaturkritiker

Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Vorwort;10
3;Vorbemerkung;14
4;Einleitung;16
5;A Freud und seine Nachfolger Das Gewissenskonzept in der Psychoanalyse;20
5.1;1. Sigmund Freud: Das Überich;22
5.2;2. Heinz Hartmann: Psychoanalyse;34
5.3;3. Heinz Hartmann und Rudolph Loewenstein: Das Überich;38
5.4;4. Edith Jacobson: Stufen der Überichentwicklung;40
5.5;5. Annie Reich: Überich und Ichideal;44
5.6;6. Roy Schafer: Das Überich ist nicht nur streng;46
5.7;7. Joseph und Anne-Marie Sandler: Das unterstützende Überich;49
5.8;8. Robert Emde: Das Kind;51
5.9;9. Melanie Klein: Archaische Ursprünge des Überichs;53
5.10;10. Donald W. Winnicott: Besorgnis;60
5.11;11. Roger Money-Kyrle: Selbsterkenntnis und Freiheit;62
5.12;12. John Steiner: Die Schuld des Ödipus;65
5.13;13. Eric Rayner: Gerechtigkeit;70
5.14;14. André Green: Das Böse;73
5.15;15. Daniel Lagache: Ichideal und Idealich;77
5.16;16. Janine Chasseguet-Smirgel: Das Ichideal;80
5.17;17. Otto F. Kernberg: Überich-Pathologien und die Funktion des Überichs in Paarbeziehungen und in Gruppen;84
5.18;18. Exkurs: Objektbeziehungen – Entstehung und Bedeutung;90
6;B C.G. Jung und seine Nachfolger Das Gewissenskonzept in der Analytischen Psychologie;94
6.1;1. C.G. Jung: Das Gewissen;96
6.2;2. Moraltheorien von Jungs Nachfolgern;122
6.2.1;2.1 Erich Neumann: Ethik;122
6.2.2;2.2 Murray Stein: Solare und Lunare Moral;127
6.2.3;2.3 John Beebe: Integrität;132
6.2.4;2.4 Andrew Samuels: Zwei Arten von Moral;136
7;C Das Überich in literarischen Beispielen;142
7.1;1. Eugene O’Neill: Der Eismann kommt;144
7.2;2. Hugo von Hofmannsthal: Der Schwierige;150
7.3;3. Henrik Ibsen: Ein Volksfeind;160
7.4;4. Thomas Bernhard: Vor dem Ruhestand;167
8;D Reflexionen – ein Vergleich;176
8.1;1. Das angeborene Gewissen;178
8.2;2. Die kindliche Gewissensentwicklung;179
8.3;3. Die Bedeutung der Objektbeziehungen für das Gewissen;180
8.4;4. Konvention und Moral – gibt es zweierlei Moralsysteme?;181
8.5;5. Das Konzept des Unbewußten;185
8.6;6. Romantik und Religiosität;188
8.7;7. Prophetentum;191
8.8;8. Die Suche nach dem Selbst;194
8.9;9. Konflikttheorie;196
8.10;10. Schuldgefühle;199
8.11;11. Politische Implikationen;200
8.12;12. Ziele der Psychotherapie;202
8.13;13. Abschließende Gedanken: Aufbruch oder Rückkehr – Verantwortung oder Erlösung;207
9;Literatur;211
10;Namenregister;223
11;Sachregister;225


D Reflexionen – ein Vergleich (S. 175-177)

Die Ethik ist eine Art Fahrordnung für den Verkehr unter den Menschen.
Brief Freuds an O. Pfister

Die Analytische Psychologie unterscheidet sich im Hinblick auf die Moral- und Gewissenstheorie deutlich von der Psychoanalyse. Ich werde die Unterschiede unter folgenden Aspekten darstellen und diskutieren: 1. Das angeborene Gewissen, 2. Die kindliche Gewissensentwicklung, 3. Die Bedeutung der Objektbeziehungen für das Gewissen, 4. Konvention und Moral – gibt es zweierlei Moralsysteme?, 5. Das Konzept des Unbewußten, 6. Romantik und Religiosität, 7. Prophetentum, 8. Die Suche nach dem Selbst, 9. Konflikttheorie, 10. Schuldgefühle, 11. Politische Implikationen, 12. Ziele der Psychotherapie. Wie schon gesagt, stand die Frage nach dem Gewissen nicht so sehr im Mittelpunkt der Theorie der Analytischen Psychologie, wohingegen die Psychoanalyse dieses Thema immer wieder neu aktualisiert hat, nicht zuletzt, weil es sowohl von theoretischem Interesse ist als auch ein wichtiges klinisches Kriterium für Diagnose, Prognose und Behandlung darstellt.

1. Das angeborene Gewissen

Nach allem, was Jung und seine Nachfolger über das Gewissen geschrieben haben, wird ersichtlich, daß Gewissen und Moral von ihnen als angeboren angesehen werden, genauso wie der Trieb zur Selbst-Synthese, den Jung als Individuation beschrieben hat. Es wird nicht in Betracht gezogen, daß nur die Fähigkeit, ein moralisches Bewußtsein zu entwickeln, angeboren ist.

Dies hängt einerseits mit der Archetypentheorie zusammen, die angeborene Verhaltensmuster voraussetzt, aber auch mit der Tatsache, daß Jung generell die kindliche Entwicklung in seine Theorien nicht miteinbezogen und die Freudsche Theorie als »reduktiv« verworfen hat. Es wird übersehen, daß das in der Kindheit »erlernte« Gewissen mit der Zeit durch eigene Ideale, Wertmaßstäbe und Idealisierungen bewunderter 178 Personen heranreift, wodurch eine eigene individuelle Gewissensfunktion entsteht.

Daraus ergibt sich, daß die analytischen Psychologen, um den Unterschied zwischen primitiver und reifer Moral zu erklären, zwei verschiedene Moralsysteme annehmen müssen, ein angeborenes und ein angelerntes, wobei sie ersteres der reifen und letzteres der primitiven Moral zuordnen.

2. Die kindliche Gewissensentwicklung

Die heutigen Analytischen Psychologen haben, Jung darin nachfolgend, die komplizierten Entwicklungsstadien, die das Kind bei der Entstehung des Gewissens durchläuft, nicht im Blickfeld. Viele Kritiker haben das Fehlen der kindlichen Entwicklung in Jungs Werk beanstandet: »Jung ist anscheinend blind für die fast übermenschlichen Anstrengungen, die das Kind aufbringen muß, um zu einem Kompromiß zu kommen zwischen den zwingenden Mächten seiner primitiven Triebe und der wachsenden Härte der Realität«, schreibt Glover (Glover 1950, p. 67, Übersetzung AR. Siehe auch Winnicott 1964, P. Stern 1977, Homans 1979, Satinover 1986, Smith 1996, McLynn 1996 u. a.).

Im heutigen psychologischen und psychoanalytischen Verständnis dagegen entsteht das Überich, das eine Objektbeziehungs-Struktur ist, im Dialog des Individuums mit äußeren Objekten und später mit inneren Objektrepräsentanzen (siehe auch den Exkurs »Objektbeziehungen«). Die moderne Objektbeziehungstheorie umfaßt sowohl die Art, wie Individuen sich zu anderen verhalten (interpersonal), als auch das intrapsychische Beziehungssystem. Die ersten internalisierten Beziehungen bilden dementsprechend Teile des kindlichen primitiven Überichs.

In der analytischen Behandlung werden internalisierte Objektbeziehungen in der Übertragung / Gegenübertragung zusammen mit den dazugehörigen Affekten reaktiviert, und zwar jeweils mit einer Selbstrepräsentanz und der dazugehörigen Objektrepräsentanz. Durch diese Wiederholung im therapeutischen Setting können primitive Objektbeziehungen und deren Abwehr exploriert und bewußt gemacht werden.


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.