Radinger | Minnesota Winter | E-Book | www2.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Radinger Minnesota Winter

Eine Liebe in der Wildnis
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8412-0676-3
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Liebe in der Wildnis

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-8412-0676-3
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Aussteiger Greg Howard ist die Erfüllung ihres Traums vom Leben in der Einsamkeit inmitten wilder Tiere. Spontan bricht Elli Radinger alle Brücken in Deutschland ab und zieht nach Minnesota zu einem Mann, den sie kaum kennt. Sie lebt mit ihm in einer Blockhütte im Revier von Wölfen und Bären und stürzt sich in Abenteuer, die sie an ihre Grenzen bringen - körperlich und emotional. Sie lernt das Überleben bei bis zu minus 30 Grad, baut Kanus und geht mit ihrem Traummann auf Entdeckungsreise in ein unbekanntes Amerika. Aber das Leben in der Wildnis ist hart und hinterlässt bald tiefe Risse im romantischen Lebenskonzept. Nach einem gewalttätigen Ausbruch von Greg nutzt Elli die Gelegenheit zur Flucht ...



Elli H. Radinger, geboren 1951, absolvierte 1990 ein Ethologiepraktikum in Wolf Park und gründete gemeinsam mit Günther Bloch die 'Gesellschaft zum Schutz der Wölfe'. Zahlreiche Publikationen zum Thema Wölfe. Einen Großteil des Jahres lebt und arbeitet die Wolfsexpertin im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark in Wyoming. 2017 erschien ihr Bestseller 'Die Weisheit der Wölfe'.

Im Aufbau Taschenbuch liegen ihre Romane 'Wolfsküsse', 'Minnesota Winter' und 'Der Wolf am Fenster. Eine Weihnachtsgeschichte' vor.

Mehr zur Autorin unter www.elli-radinger.de.

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Ankunft


Am nächsten Morgen weckten mich die Strahlen der aufgehenden Sonne und Gregs zärtliche Küsse. Während ich den letzten lauwarmen Tee aus der Thermoskanne trank, konnte ich meine Augen nicht von dem riesigen See losreißen, der gefroren in Zeit und Raum vor mir lag. Ich war unsicher. War es richtig, was ich getan hatte? Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und fragte betont forsch: »Wann fahren wir weiter?«

Zum Frühstücken war ich zu müde. Zu viel hatte ich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden erlebt, das ich erst noch verarbeiten musste. Das kalte Wasser, das ich mir im eisigen Badezimmer ins Gesicht warf, machte mich hellwach. Wir schüttelten die Krümel aus Wolldecke und Schlafsack. Als wir das Betttuch glattstrichen, berührten sich unsere Hände. Gregs Grinsen war ansteckend und ließ mich erröten.

»Lass uns fahren. Sonst kommen wir hier nie raus«, unterbrach mein romantischer Liebhaber alle erneut aufkeimenden Lustgefühle.

Am Lake Superior entlang, vorbei an Silver Bay schlichen wir vorsichtig auf dem schneebedeckten Highway One nach Norden mitten durch die unberührte Wildnis von Minnesota. Es war Weihnachtsmorgen. In den festlich geschmückten Häusern Amerikas war in der Nacht Santa Claus durch den Kamin gekommen und hatte die Geschenke unterm Weihnachtsbaum verteilt. Jubelnde Kinder in Schlafanzügen rissen Päckchen auf, während die Eltern engumschlungen den Lieben zuschauten. Kinophantasie! Ob es bei meinem Wildnismann auch so gemütlich sein würde wie in meiner Vorstellung?

Eingehüllt in den Schlafsack, war ich fest eingeschlafen, als mich Greg nach zweieinhalb Stunden Fahrt weckte.

»Wir sind gleich da«, sagte er und zeigte auf das hölzerne Ortsschild von Ely, das zwischen mächtigen Rundhölzern hing: »Ely, Minnesota, founded 1888, historically rich – naturally pure«, stand auf dem ovalen Schild. Im Hintergrund waren die Wahrzeichen des Ortes eingeschnitzt: ein See mit Kanu und ein Bergwerksturm.

Aber wir fuhren nicht in die Stadt, sondern bogen kurz vorher auf den Pine Tree Trail ab und schlitterten eine halbe Stunde später auf den tiefverschneiten, kleinen Parkplatz von Gregs Cabin. Ich war hellwach und hielt Ausschau nach der Blockhütte, von der er mir so viel erzählt hatte.

»Wo ist dein Haus?«, fragte ich.

»Hinten im Wald«, antwortete er. »Noch etwa fünf Meilen zu Fuß!«

Während Greg ausstieg, blieb ich fassungslos sitzen und rechnete mir schnell aus: Fünf Meilen, das waren etwa acht Kilometer … zu Fuß … im tiefen Schnee …

Aus einem versteckt liegenden Geräteschuppen winkte mich Greg zu sich.

»Hilf mir mal.« Er zog er zwei große kufenlose Schlitten hervor. »Das sind Toboggans. Hier kannst du deine Ausrüstung draufladen.« Er drückte mir das Zugseil für einen der Schlitten in die Hand, während er schon dabei war, auf den anderen jede Menge prall gefüllter Kartons mit Lebensmitteln und Werkzeugen zu stapeln.

Ich zog meinen Koffer aus dem Van und legte ihn auf die Ladefläche des Toboggans. Obenauf packte Greg weitere Kisten und band schließlich alles fest. Hilflos und frierend stand ich dabei und schaute zu. Wie sollte ich dieses Gerät acht Kilometer durch den Schnee schleppen?

»Hier, zieh die an!« Greg zog aus dem Schuppen ein Paar Schneeschuhe und warf sie mir zu. Ratlos schaute ich auf die beiden ovalen, mit Tiersehnen bespannten Holzrahmen, die hinten spitz zuliefen. So etwas kannte ich bisher nur aus Jack-London-Filmen.

Greg sah meinen verzweifelten Blick.

»Bist du noch nie mit Schneeschuhen gelaufen?«, fragte er verwundert.

»Nein! Wo denn auch?«, schleuderte ich ihm ärgerlich entgegen. In meinen Briefen hatte ich ihm zwar erzählt, dass ich drei Jahre in Tirol gelebt und dort Skilaufen und Langlaufen gelernt hatte. Aber Schneeschuhe waren mir fremd. Ich schaute auf die Holzgestelle, den beladenen Schlitten und den Weg, der tiefverschneit in den dunklen Tannenwald führte. Worauf hatte ich mich da eingelassen?

Greg seufzte, warf die Augen zum Himmel und half mir beim Anziehen. Zum Schluss schnallte er mir einen Gurt um den Bauch und befestigte an ihm die Seile, die den Schlitten zogen. Dann drückte er mir zwei Skistöcke in die Hand. Total überrumpelt stand ich im Schnee, eingespannt wie ein Schlittenhund mit überdimensionalen Pfoten, der auf einen ersten Testlauf geschickt wird. Greg hatte sich inzwischen in Windeseile ebenfalls die Schneeschuhe angezogen und den Schlitten angeschnallt. Er warf mir einen Blick zu: »Du siehst toll aus!«, und fuhr fort: »Hier in der Wildnis muss jeder mit anpacken. Der Wintertrail ist noch nicht gespurt, also nehmen wir den Sommertrail zur Hütte. Das könnte schwierig werden. Pass gut auf, wo du hintrittst, und bleib dicht hinter mir.« Sprach’s und war innerhalb kürzester Zeit im Schneetreiben verschwunden. Verdutzt schaute ich ihm nach. Ich hatte zwölf Stunden Flug, sechs Stunden Autofahrt und eine leidenschaftliche Liebesnacht in einer eiskalten Wohnung hinter mir und litt außerdem unter massivem Jetlag. Mir blieb keine Kraft mehr, um zu protestieren. Bei wem auch? Mein einfühlsamer Wildnismann war längst verschwunden. Ich holte tief Luft, zog an und stolperte seinen Spuren hinterher. Meine Entscheidung, hierherzukommen, verfluchend, schleppte ich mich mit der schweren Last vorwärts. Fünf Schritte … Stopp. Vier Schritte … Stopp. Noch einmal vier Schritte … Luft holen. Trotz der Ausrüstung sank ich tief in den weichen Schnee ein. Hin und wieder stieß ich an einen schneebedeckten Zweig und hatte die feuchte Masse im Nacken.

Mit jedem Schritt schien der Schlitten schwerer zu werden. Wenn ich stehen blieb, um Kraft zu sammeln, klopfte mir das Herz bis zum Hals. Immer wieder stürzte ich, weil ich mir selbst auf die Schneeschuhe stieg. In ein paar Stunden würde es dunkel werden. Was, wenn ich mich verlief ? Greg hatte mir von einem Wolfsrudel erzählt, das hier sein Revier hat. Natürlich greifen Wölfe keine Menschen an. Aber das theoretisch zu wissen, und mitten im Wolfsrevier vor Erschöpfung ständig hinzufallen, waren zwei Paar Schuhe. Ich schluchzte vor Müdigkeit und Wut.

Meine Füße waren eiskalt. An diesem Tag lernte ich meine erste Wildnislektion: Es gibt nichts Wichtigeres als warme, trockene Schuhe. Meine Stiefel mochten zwar für einen Winterspaziergang in der Stadt geeignet sein, aber nicht für ein derartiges Abenteuer und ganz sicher nicht für das Laufen in Schneeschuhen. Zum Glück waren es »nur« minus zehn Grad, also relativ mild für diese Jahreszeit.

Greg war weit und breit nicht zu sehen. Mir blieb nur, seinen Fuß- und Schlittenspuren zu folgen. Wieder landete ich in einer Schneewehe, weil ich meine Schritte nicht weit genug auseinander gesetzt hatte und mir selbst auf die Rahmen der Schneeschuhe getreten war. Meine Stöcke waren irgendwo eingetaucht, und ich lag wie ein Maikäfer auf dem Rücken. Wütend riss ich am Bauchgurt, um ihn zu öffnen. Schwer keuchend ließ ich mich in den Schnee zurücksinken. Dann würde ich eben hier sterben. Das hätte Greg dann davon. Geschah ihm recht. Sollte er doch sehen, wie er meine Leiche hier raustransportierte. Mit einem Mal wurde ich ganz still. Ich dachte an Lady, die zu Hause auf mich wartete, und an meine Familie, die nie erfahren würde, was geschehen war. Ich schaute durch die Gipfel der Tannenbäume nach oben. Die Schneewolken hatten sich verzogen und machten einem tiefblauen Himmel Platz. Eine gewaltige, weiße Stille hüllte mich ein – ungewohnt, unheimlich, überwältigend, nur übertönt vom lauten Trommeln meines Herzens. Nein, so einfach würde ich nicht aufgeben. Ich hatte gerade erst begonnen, »gefährlich« zu leben. Jetzt musste ich auch sehen, wie es weiterging. Entschlossen rollte ich mich auf den Bauch und die Knie, fand in der Schneewehe meine Stöcke und stützte mich mit deren Hilfe auf. Ich klopfte mir den Schnee aus Haar und Kleidung, schnallte den Toboggan um und startete mit neuer Kraft, immer Gregs Spuren nach.

Fünf Schritte … Stopp. Sieben Schritte … Stopp. Zehn Schritte … Stopp.

Nach etwa zwei Stunden tauchte eine Blockhütte zwischen den Bäumen auf. Postkartenidylle: eine Cabin aus massiven Fichtenstämmen im tiefverschneiten Wald, die Fenster hellerleuchtet und Rauch, der sich aus dem Kamin kräuselte. Schwer atmend blieb ich einen Moment stehen, um den Anblick in mich aufzunehmen. Das würde mein zukünftiges Zuhause sein; ich war angekommen.

Greg kam mir entgegen.

»Wo bleibst du denn?«, fragte er ungeduldig. Weitere Kommentare ersparte er sich beim Anblick meiner wütend blitzenden Augen und half mir stattdessen, den Schlitten und die Schneeschuhe abzuschnallen. Dann nahm er meine Hand und führte mich mit einem »Welcome home« ins Innere der Cabin, wo im Ofen lodernde Holzscheite die dringend benötigte Wärme verbreiteten.

Da ich an der vollbehängten Garderobe keinen freien Platz fand, ließ ich meinen Anorak einfach zu Boden gleiten und dort liegen. Greg räumte einen Stapel Zeitschriften von einem Stuhl und führte mich dorthin. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.

»Zeig mal deine Füße«, sagte mein Wildnisbursche, zog sich einen zweiten Stuhl heran und setzte sich vor mich.

»Es tut so weh«, konnte ich nur stammeln. Ich hatte kein Gefühl mehr in den Füßen. Als Greg mich aus den nassen, unbrauchbaren Schuhen schälte und vorsichtig die Socken auszog, erschrak ich über meine weißen Zehen. Mit Kennerblick knöpfte Greg sein Flanellhemd auf, schob das Unterhemd hoch und legte meine Füße an...



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