E-Book, Deutsch, Band 6, 336 Seiten
Reihe: Der Metzger
Raab Der Metzger kommt ins Paradies
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7099-8454-3
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 6, 336 Seiten
Reihe: Der Metzger
ISBN: 978-3-7099-8454-3
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Oje, oje, oh Jesolo! Der Metzger schmort in der Urlaubshölle.
Jesolo, Caorle, Bibione – das Paradies auf Erden?
Der Metzger wurde entführt! Hinterrücks! Und zwar von seiner Danjela. Die nämlich hat sich in den Kopf gesetzt, dass Willibald Adrian sich erholen soll. Schließlich steckt Adria in Adrian. Und nun sitzt er da zwischen öligen Sonnenanbetern und schreienden Kindern in einem Meer von Schirmen und Liegen. Und soll auch noch in jenes Gemeinschaftsurinal gehen, das sich Meer nennt. Entspannung? Pah!
Die Lautstärke steigert sich, als beim Sandburgenbau ein totes Hündchen ausgegraben wird – und wenig später ein menschlicher Toter aus einem Spind kippt. Zeitgleich beobachtet der Metzger dubiose Typen am Strand, die in ihrer Kühlbox offenbar nicht nur Dosenbier, sondern auch allerhand verdächtiges Material aufbewahren. Ein Glück, dass die Abreise bevorsteht!
Doch das Verbrechen will ebenfalls nicht am Strand bleiben: Es folgt Danjela und dem Metzger zurück nach Wien.
Der Metzger – ein Original
Der Metzger, das ist einer, der alte Dinge liebt. Die Ruhe seiner Werkstatt, nicht das touristische Tosen am Strand. Er ist einer, der gerne allein ist, manchmal allerdings war er auch einsam, bevor Danjela in sein Leben trat und es heller und schöner machte. Er ist einer, der in der Schule gemobbt wurde, weil er zu klug und zu weich war für die wilden Bubenspiele am Pausenhof. Einer, der gerne Rotwein trinkt, mitunter viel zu viel. Doch auch, wenn mit dem Wein manchmal die Melancholie kommt, weiß er um die schönen Seiten des Lebens. Und um die lustigen. Vor allem aber ist der Metzger einer, dem das Verbrechen immer wieder vor die Füße fällt, manchmal stolpert er sogar mitten hinein.
Was für den Metzger alles andere als vergnüglich ist, ist es für die Leser*innen umso mehr: Der sechste Band um den Restaurator Willibald Adrian Metzger sprudelt vor Spannung, Tempo und Kapriolen. Molto bello!
Der Raab – ein Kultautor
Der Raab, das ist einer, der einen unverwechselbaren Stil hat. Schräger Humor, authentische Charaktere, Wortwitz, feine Gesellschaftskritik; vor allem eine sehr gute Beobachtungsgabe und zugleich die Fähigkeit, die Beobachtungen treffend-komisch aufs Papier zu bannen, das ist die Mischung, die ihn so erfolgreich gemacht hat. Beim Lesen ist es zuweilen schwer zu entscheiden, ob man gespannt der Auflösung entgegenfiebern oder sich lieber doch möglichst viel Zeit lassen möchte, um das Lesevergnügen voll auszukosten. Und vielseitig ist er, der Raab – er schreibt nicht nur verschiedene Kriminalromane, sondern auch Drehbücher.
Autoren/Hrsg.
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Presto
Etappe 2
Dio ci manda il cibo, il diavolo i cuochi.
Italienisches Sprichwort: Gott gibt uns das Essen, der Teufel die Köche. Affen und Adler
Es ist der immer wiederkehrende Rhythmus, der aus dem Chaos ein Pendeln macht, der alle Hektik zur Ruhe kommen lässt. Tack-tack, tack-tack, dringt es an ihr Ohr, leise, kaum vernehmbar, kaum fühlbar, und doch hat es sie erfasst. Dolly Poppe ist müde, hundemüde. Tage wie diese schreien eben förmlich nach einer Kündigung. Eine großteils weibliche Touristengruppe, bestehend aus 14 Personen, begleiten zu müssen, von denen einige in Gegenwart der jungen, einheimischen Reiseführerin Maria Giuliani unverblümt erkennen lassen, den gedruckten Reiseführer der besuchten Stadt bereits zu beherrschen, „… da hat …“, wortwörtlich: „… die Giuliani Bella-Marie noch ganz gewaltig in ihre Windeln gschissen“, für so einen Kreuzweg ist kein noch so gutes Trink- als adäquates Schmerzensgeld anzusehen – und nicht einmal von gut konnte dann die Rede sein. Der einzige Trost war die kollektive, besserwisserische Verweigerung der von ihr und Maria Giuliani in Gewissheit des drohenden Unwetters vorgeschlagenen vorzeitigen Heimfahrt und die anschließende komplette Durchspülung dieser 14-köpfigen Idiotenpartie. Die Party dabei allerdings hatten allein Maria und Dolly. Die Lidschatten der Damenriege glichen einem Schüttbild, die zumeist künstlich erblondete Haarpracht einer an der Zange baumelnden Ladung tropfender Nudeln al dente, und beim Anblick der plötzlich in Kontur und Masse offenbarten klitschnassen Gestalten wollte man ans Essen erst gar nicht mehr denken müssen, von den drei anwesenden Männern ganz zu schweigen. „La scimmia è sempre scimmia, anche vestita di seta“, entkam es Maria lächelnd zum Himmel gerichtet, und allein Dolly gewährte sie flüsternd die Übersetzung: „Auck in Seide gekleidet bleibt die Affe immer eine Affe!“ „Stimmt, schön ist er nicht, der Mensch“, tuschelte Dolly zurück, nur um in weiterer Folge einmal mehr zu erfahren, dass dies nicht nur für das Äußerliche Gültigkeit hat. Sicher, alle über einen Kamm zu scheren ist nicht zulässig, dennoch, und das weiß sie dank ihrer vielen Besuche in dieser durchwegs beschissenen, überbewerteten Vogelstadt sogar ohne Maria Giuliani: D’aquila non nasce colomba – Aus einem Adler wird keine Taube. Vor den Krallen, dem gefährlichen Schnabel und der großen Spannweite eines Menschen kann man gar nicht genug auf der Hut sein. Die Rache also ließ nicht lange auf sich warten, denn natürlich wurde die Belustigung der beiden Damen von der bis auf die Haut durchnässten Truppe registriert, und natürlich war ein weiblicher Stammgast darunter, der Maria Giulianis Sprache bereits beherrscht, da hat die Giuliani Bella-Marie noch ganz gewaltig eh schon wissen … Kaum im Hotel angekommen, wurde Dolores Poppe also von der diensthabenden Rezeptionistin Fabiana zur Hotelmanagerin Margit Becker gebeten. Und wenn Dolly eines kennt, dann den im Fall eines ehemals gegenseitig ausgespannten Mannes auf Lebzeiten garantierten Zickenterror. Eine jederzeit drohende frontale, seitliche oder hinterrücks ausgeübte Stutenbissigkeit ist ihr also sicher. Wie gesagt, sie ist eben keine Brave, die liebe Dolly, und sie war einst dem Kinderanimateur und Schweinigl Jürgen Schmidts erlegen, und zwar genau zu jenem Zeitpunkt, an dem sich auch der liebe Jürgen Schmidts erlegen hat lassen: von Margit Becker. „Na, Frau Poppe, da trau ich ja wohl meinen Ohren nicht!“, lautet Frau Beckers Begrüßung. „Haben wir es heute also lustig gehabt?“ „Ob Sie es lustig gehabt haben, Frau Becker, das weiß ich nicht. Mein Tag jedenfalls war recht okay.“ „Okay! Okay sagen Sie!“ Und dann entlud sich an diesem denkwürdigen Tag gleich das nächste Gewitter. Sosehr Donner und Blitz auch auf Dolly niedergingen, sie war doch erfüllt von einer unaussprechbaren Seligkeit, denn eines stand bereits vor Betreten des Büros für sie fest: Dieser unsägliche Becker-Trampel samt der ganzen Bagage hier, am besten gleich inklusive ihrer eigenen Mutter, kann ihr in Zukunft den Buckel runterrutschen. Es gibt Tausende andere Orte auf dieser weiten Welt, die ihre Dienste mit Handkuss in Anspruch nehmen, und unter all diesen Orten gibt es zurzeit auch einen, zu dem es sie tatsächlich hinzieht. Fabiana nämlich hatte nicht nur die Einladung in Frau Beckers Büro für sie bereitliegen, sondern auch Rudi Szepanskys an sie gerichteten Brief. Umgehend öffnete sie das Kuvert, entnahm einen fein säuberlich, Ecke an Ecke zusammengelegten Bogen Papier, ein 500-Euro-Schein flatterte in ihre Hand, gefolgt von einem einzelnen Kalenderblatt, schließlich entfaltete sie den Brief, und da stand er wieder, dieser eine vollkommene Satz: Wenn das Universum bestimmt hat, dass ich der eine bin für dir, und du die eine bist für mir, dann gibt es auch ein Uns. Dolly musste lachen, mit Tränen in den Augen: „Für dich, Rudi, ich bin die eine für dich.“ Auf dem 500-Euro-Schein klebte ein kleiner Zettel, beschriftet mit dem Hinweis, das Geld am besten für die sofortige Heimreise zu verwenden, denn dem Universum könne zumindest räumlich schon etwas nachgeholfen werden. Auf der Rückseite war eine als geheim definierte Telefonnummer notiert mit dem Hinweis, keinesfalls anzurufen, bevor er sich melde, was definitiv die nächsten Tage sein werde – außer natürlich, es passiere ihr etwas. Dollys erster Gedanke war, obwohl ihr Rudi versichert hatte, dem wäre nicht so, der an eine möglicherweise vorhandene Ehefrau, an Kinder, an eine nach außen hin traute Familienwelt. Wurde sie wie schon so oft belogen, nur für das Spiel einer flüchtigen Nacht? Sie wollte es nicht glauben, auch weil da eben noch in geschwungener Handschrift stand: Ich bin da, in der Hoffnung, Du bist es auch bald … Voll Liebe, Dein Rudi „Liebe Frau Becker“, nutzte Dolly eine Atempause ihrer in Fahrt gekommenen Chefin, erklärte strahlend: „auch Ihnen noch ein schönes Leben. Ich kündige“, drehte sich um, verließ unter Schweigen das Büro und ging erneut schnurstracks zu Fabiana: „Wann geht der nächste Zug?“ Gleichmäßig rattert es, als würde sie jemand sanft ins Land der Träume führen wollen. Morgen, wenn die liebe Frau Mama erwacht, wird für sie nicht nur Tino über alle Berge sein. Dolly lächelt, wenn auch mit einem Hauch schlechten Gewissens, dann schläft sie ein. Das Salz und die Wunde
Es wurde dann trotz der besorgniserregenden Fantasiegestalt Hans-Peter Weibl ein doch noch überraschend schöner letzter Abend. Im Rücken die untergehende Sonne, standen Willibald Adrian Metzger und Danjela Djurkovic ein Weilchen eingehängt vor der ruhig gewordenen Adria, unternahmen sogar im Anschluss einen kleinen Spaziergang und versprachen einander, nie wieder länger als laut Metzger: „Maximal eine Stunde!“, und korrigiert von Danjela: „Na, in schwierige Fälle brauch ich schon bisserl Spielraum nach oben!“, aufeinander böse zu sein. Es folgten ein ausgedehntes Abendmahl, eine rührige Verabschiedung von der verzweifelt nach ihrer Tochter Ausschau haltenden Frau Würtmann, schließlich gab man einander die Kontaktdaten und das Versprechen, sobald für Tino ein Ersatz gefunden wäre, gemeinsam mit dem Hündchen Edgar spazieren zu gehen. Dann war es endlich so weit, der Urlaub nahm sein Ende. „Schnell ist er vergangen. Und was hab ich eigentlich die ganze Zeit gemacht?“, stellte sich der Metzger die Frage, was kein Wunder ist. Egal, ob Leben oder Lebensflucht, die Lebenszeit läuft ab, und hier läuft sie besonders hurtig. Man frisst sich durch den Urlaub und hat trotzdem Hunger, der unbändige Appetit ersetzt die Tatenlosigkeit. Der Gleichklang, bestehend aus essen, schwitzen, liegen, schauen, verdauen, essen, schwitzen, liegen, schauen, verdauen, zwischendurch schlafen, lesen, vielleicht ein bisserl planschen und Beine vertreten, dann aber wieder essen, schwitzen, liegen, schauen, verdauen und schlafen, wirkt zwar, als würde nichts geschehen, aber gerade diese Ereignislosigkeit legt eine derart hinterfotzige, verdeckte Beschleunigung an den Tag, da kann keine Amazonas-Kreuzfahrt, kein Mount-Everest-Massenaufstieg dieser Welt mithalten. So brachten die beiden Abreisenden also ihren Kreislauf in Schwung, bestiegen zuerst den Transfer zum Bahnhof, eine knappe Stunde später den Regionalzug. Ab jetzt hieß es, sich erneut der Willkür der Vergänglichkeit hinzugeben, zu akzeptieren, dass im Moment des Erlebens ein und dieselbe Zeitdauer vergehen kann entweder wie im Flug oder wie das Ermittlungsverfahren gegen hochrangige Staatsbedienstete. „Wird sich ziehen wie ein Strudelteig!“, stöhnte Danjela Djurkovic also am Beginn der mit dem Umstieg vom Regionalzug in den Nachtexpress verbundenen fast 90-minütigen Wartezeit und erhielt in...