E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Der Metzger
Raab Der Metzger geht fremd
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7099-3943-7
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Der Metzger
ISBN: 978-3-7099-3943-7
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gesundheitszustand während Kur rapide verschlechtert: Ein Toter schwimmt am Beckengrund!
Der Sonnhof – ein Ort der Entspannung?
Das Kurbad: ein Ort, an dem man sich so richtig treiben lassen kann. So auch der Plan von Danjela Djurkovic, die sich bei gutem Essen, Physiotherapie und Massagen von einer Verletzung erholt. Richtig treiben lässt sich allerdings ein Toter, der am Grund eines Beckens umherdümpelt. Nackt! Sofort ruft sie ihren Willibald Adrian Metzger zu Hilfe. Der entfernt sich zwar ungern von seiner Werkstatt und noch unwilliger von der Stadt, seiner Danjela aber kann er nichts abschlagen.
Der Metzger hat es eigentlich schon geahnt: Die Familien hier am Land verstecken Leichen nicht nur im Keller. Und auch nicht immer im Ganzen. Als ein Ring samt Finger auftaucht, ist endgültig klar: Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Und dann gibt es da auch noch ein Haifischbecken …
Der Metzger – ein Original
Der Metzger, das ist einer, der alte Dinge liebt und den auch du liebgewinnen wirst, weil er selbst ein bisschen was von einem schrulligen, aber sehr besonderen Möbel hat. Als Restaurator kennt er die Schönheit eines Gegenstands, wenn dessen abgenutzte Oberfläche eine Geschichte erzählt. Er ist einer, der gerne allein ist, manchmal allerdings war er auch einsam, bevor Danjela in sein Leben trat und es heller und schöner machte. Er ist einer, der in der Schule gemobbt wurde, weil er zu klug und zu weich war für die wilden Bubenspiele am Pausenhof. Einer, der gerne Rotwein trinkt, mitunter viel zu viel. Doch auch, wenn mit dem Wein manchmal die Melancholie kommt, weiß er um die schönen Seiten des Lebens. Und um die lustigen.
Vor allem aber ist der Metzger einer, dem das Verbrechen immer wieder vor die Füße fällt, manchmal stolpert er sogar mitten hinein. Und dann muss er, sehr zu seinem Leidwesen, aber zur Freude einer großen Leserschaft, die gemütliche Werkstatt verlassen und Nachforschungen anstellen …
Der Raab – ein Kultautor
Der Raab, das ist einer, der einen unverwechselbaren Stil hat, den du sofort wiedererkennst. Schräger Humor, authentische Charaktere, Wortwitz, feine Gesellschaftskritik; vor allem eine extrem gute Beobachtungsgabe und zugleich die Fähigkeit, die Beobachtungen treffend-komisch aufs Papier zu bannen, das ist die Mischung, die ihn so erfolgreich gemacht hat. Beim Lesen wirst du es manchmal schwer haben, zu entscheiden, ob du gespannt der Auflösung entgegenfiebern oder dir lieber doch möglichst viel Zeit lassen möchtest, um das Lesevergnügen voll auszukosten.
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Prof. Dr. Winfried Berthold hat sie alle nach dem Frühstück im Speisesaal antreten lassen, hinter sich das gesamte Personal, vor sich die Kurgäste. Streng erhebt er, natürlich nach mehrmaligem Räuspern, seine Stimme: „Meine Damen und Herren – mhhhmh –, ich weiß, dass hier viele von Ihnen glauben, Sie seien zum Vergnügen in dieser Kuranstalt – mhhhmh. Und vergnügen sollen Sie sich ja auch!“ Einer kurzen Gedankenpause folgt die deutlich lautere Fortsetzung der Ansprache: „Aber Grundlage dieses Vergnügens ist immer noch die Einhaltung der vorgeschriebenen Therapie, der festgelegten Termine und vor allem der Hausordnung!“ Stumm werden erstaunte Blicke der Sorte „Ich doch nicht!“ im Saal ausgetauscht, während der medizinische Leiter des Hauses energisch fortsetzt: „Und glauben Sie mir, wir haben uns bei alldem etwas gedacht – mhhhmh. Unser Ziel ist es, dass Sie gesünder und erholter nach Hause kommen –“ Es folgen eine weitere Unterbrechung, ein tiefes Luftholen mit anschließender Atempause und das Heraustreten der Adern auf seiner Stirn. Dann brüllt er: „– und nicht tot!“ Ein Raunen geht durch den Saal. „Noch nie ist in meinem Haus jemand umgekommen, und noch nie habe ich ein derart undiszipliniertes Publikum gehabt wie zurzeit, mit den daraus resultierenden Beschwerden der Ärzte und Therapeuten. Gestern Nacht wurde Herr August-David Friedmann nackt im Schwimmbecken aufgefunden. Ertrunken!“ Abermals erheben sich gedämpft die Stimmen. „Ich weiß nicht, was manche hier treiben, aber ab jetzt, meine Herrschaften, werde ich über jeden, der hier vom Kurs abweicht, eine Beschwerde genau an die Stellen schicken, die Ihnen Ihren noblen Kuraufenthalt hier finanzieren. Das Schwimmbad ist bis auf Widerruf geschlossen!“ Mit diesem Satz knallt er hinter sich die Tür zu. Das war wohl längste störungsfreie Berthold-Sprachbeitrag überhaupt, denkt sich die Djurkovic und bemerkt abermals, wie schon während ihrer Gespräche mit dem Professor, dieses seltsame Kratzen im Hals. Noch bevor aus dem betretenen Schweigen ein Stimmengewirr wird, sind die Djurkovic und die Burgstaller aus dem Speisesaal hinaus. „Recht so, dass denen jetzt mal ordentlich der Kopf gewaschen wurde!“, meint Helene Burgstaller. „Stimmt schon, nur glaub ich, ist auch aus mit unsere Extrawürste! Müssma gehen wahrscheinlich in Gruppentherapie. Glück ist nur, dass Schwimmbad gesperrt!“ „Na, Weiberheld war der ja keiner, der Friedmann“, beginnt die Burgstaller nun das eigentliche Thema in Angriff zu nehmen, „kann ich mir nicht vorstellen, dass bei dem auch nur eine der brünstigen Damen zu einer Notlandung angesetzt hätte. Das war doch der Glatzerte, der im Speisesaal immer allein und stocksteif beim Tisch neben dem Ficus gesessen ist und jeden Tag im See schwimmen war, bei jeder Temperatur, oder? Können Sie sich den auf einem nächtlichen Ausflug im Schwimmbad vorstellen? Nackt?“ Vorstellen hätte sich das die Djurkovic garantiert nicht können. Nur von „vorstellen“ kann ja bei ihr nicht die Rede sein. „Hören Sie auf, will ich nicht denken an so was. Pfui! Aber haben Sie recht, Friedmann hat gefunden Schwimmbad genauso grauslich wie wir, außerdem Friedmann und Weiberheld passt zusammen wie ausgezogene Apfelstrudel und Essiggurkerl.“ Die Burgstaller muss hellauf lachen, was die aus dem Speisesaal herausströmenden Patienten natürlich entsprechend honorieren: „Pietätlos!“, „Unmöglich!“, „Primitiv!“, „Typisch!“, „Menschen gibt es!“ sind nur Auszüge der Kommentare. Auszüge, weil, wenn einer wo seinen Senf dazugibt, auch gleich alle anderen auf die Tube drücken: Es kann eben nicht scharf genug sein. Scharf genug können sich die Anschluss suchenden Damen dieser Anstalt gar nicht mehr herrichten, weil sich so ein Todesfall nämlich ganz schlecht auf die Potenz der noch lebenden Männchen auswirkt. Richtig erschüttert hat es die Herren, dieses endgültige Untertauchen des August-David Friedmann. Die Djurkovic versteht ja überhaupt nicht, was die Damen hier an den Männern so anziehend oder ausziehend finden. Nicht im Traum käme ihr da auch nur ein Einziger in den sündigen Sinn. Natürlich ausgenommen ihr wunderbarer Physiotherapeut Jakob Förster, der einzige männliche Lichtblick an diesem Ort der Verdammnis, mit seinen tiefgründigen dunklen Augen und seinen begnadeten Händen. Nur zählt Jakob Förster nicht, denn von Unerreichbarem lässt es sich leicht und vor allem guten Gewissens sündig träumen. Nachdem endlich wieder Ruhe eingekehrt ist und in den Zimmern die Fernseher laufen, laufen die Djurkovic und die Burgstaller in die Arme von Prof. Dr. Winfried Berthold. „Mhhhmh – das trifft sich gut, meine Damen, kommen Sie doch gleich einmal mit – mhhhmh – mhhhmh!“ Ein Büro erzählt viel über seinen Besetzer. Mahagoniholz, wohin man sieht, die Bücherregale, der Schreibtisch, die zwei davorstehenden Besucherstühle, auch der wuchtige Schreibtischsessel. Und der Glaskasten. In dem stehen keine Trophäen, Prestigeobjekte, Pokale oder in Alkohol eingelegte Körperteile, sondern Lokomotiven. Ob Dampf-, Diesel- oder Elektrolok, aus Blei, Glas, Metall, Holz, aus Knetmasse vom jüngsten Enkel, aus Ton vom ältesten. Der reinste Wagenschuppen, dieser Glaskasten, zur Verdeutlichung eines der kuriosesten tierischen Rückstände der Entwicklung vom Tier zum Menschen: des Sammelns! So ein Viecherl weiß wenigstens: Es sammelt für sich, seinen Partner und seinen Nachwuchs, um im Winter nicht vom Fleisch zu fallen. Menschen hingegen sammeln zwar auch, um sich beispielsweise mit Gleichgesinnten auszutauschen, mit dem einen gravierenden Unterschied zum Tierreich: Die Gleichgesinnten, die dieses Sammeln interessiert oder die davon etwas haben, sind mit verschwindend geringer Häufigkeit die eigenen Partner. „Sie gehören also zusammen, Sie beide – mhhhmh?“ Es wird genickt. Professor Berthold betrachtet seine zwei geladenen Gäste, die betrachten ihn ebenso. Schweigend. Dann meint er ruhig: „Soso. Na, jetzt sind wir wenigstens unter uns – mhhhmh! Ich weiß – mhhhmh –, dass gerade Sie beide das alles hier als unglaublich lustiges Kasperltheater betrachten – mhhhmh!“ Wieder folgt ein schweigsames gegenseitiges Betrachten, wobei der Djurkovic auffällt, dass der Herr des Hauses erstens nervös sein dürfte und zweitens von ihnen beiden deutlich länger Helene Burgstaller fixiert, die da mit ihrem kecken Pferdeschwanz einen ebenso kecken Blick zurückschickt. Wenn Prof. Dr. Berthold allerdings annimmt, mit dieser Eröffnung beiden Damen etwas Respekt ins Gesicht zaubern zu können, hat er sich getäuscht. Seelenruhig sitzen sie auf ihren Stühlen und halten seiner Fleischbeschau stand. „Frau Djurkovic und Frau Burgstaller, jaja!“, setzt er fort. „Jaja!“, antworten die beiden im Chor, und wie es der Teufel so will, kann sich die Burgstaller abermals ihr Lachen nicht verkneifen. „Wissen Sie was – mhhhmh: Mir sind Patienten, die alles und jeden offensichtlich als Kasperltheater betrachten und trotzdem zumindest teilweise ihren Pflichten nachkommen, bedeutend angenehmer als die vordergründig freundlichen und dann heimlich hintertriebenen – mhhhmh. Die Damen werden ja nicht annehmen, dass sich noch keiner der anderen Kurgäste bei mir über sie beschwert hätte, oder? Da fühlt sich so mancher offensichtlich zu genau beobachtet – mhhhmh. Und genau deshalb hab ich Sie zu mir gebeten: Was bitte geht da draußen so vor sich? Wer hat was mit wem, und wer hatte was mit Herrn Friedmann?“ Beinah unerträglich ist es, dieses durch Professor Bertholds akustischen Reiz verursachte Kratzen im Djurkovic-Hals. Dankend nimmt sie die Frage zum Anlass, einen als Lachen getarnten Huster loszuwerden: „Aber Herr Doktor, komm ich mir gerade vor wie ausspionierte Spion. Ist aber schnell alles gelegt auf Tisch, weil, wissen Sie, hat irgendwie jeder was mit jede. Oder besser gesagt, hat jeder, der was will, mit jeder, die was will. Ist hier ein wenig wie in Swingerklub.“ Jetzt lacht auch der Berthold. „Ich sag Ihnen jetzt was unter der Hand – mhhhmh: Wenn da wirklich wer gemeinsam mit Herrn Friedmann baden war, dann hat diese Person nicht einmal die Courage besessen, den Todesfall persönlich zu melden, sondern offenbar alle seine Sachen gepackt – mhhhmh – und während der heimlichen Flucht den Notfallknopf gedrückt. Die würd ich mir gern zur Brust nehmen, diese Person – mhhhmh!“ Und wäre die Danjela nicht absolut überzeugt, dass Prof. Dr. Winfried Berthold von ihrem nächtlichen Ausreißer garantiert nichts wissen kann, könnte sie sich durch seinen etwas zu langen Blick, der nicht ihren Augen gilt, mit dem „zur Brust nehmen“ durchaus angesprochen fühlen. „Das kann ich mir vorstellen!“, meint Helene Burgstaller, beugt sich kokett lächelnd ein wenig vor und liefert den Beweis, dass der Herr des Hauses in Anbetracht dieser deutlich strafferen Merkmale einer ausgeprägten Weiblichkeit noch erheblich eindringlicher starren kann. Werd ich Lustmolch kleine Schrecken einjagen!, denkt sich die Djurkovic, räuspert sich auffällig laut, fixiert suchend die aufgescheuchten Augen und fragt: „Haben Sie genug geschaut? Und trotzdem nix gefunden?“ Ein bisserl...