E-Book, Deutsch, 465 Seiten, eBook
Quensel Das Elend der Suchtprävention
2. Auflage 2010
ISBN: 978-3-531-92352-9
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Analyse - Kritik - Alternative
E-Book, Deutsch, 465 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-92352-9
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Alle Ansätze einer schulbezogenen Sucht-Prävention, die heute nahezu ausschließlich aus einer sucht-therapeutischen Defizit-Perspektive heraus betrieben wird, sind gescheitert. Eine alternative, jugendsoziologisch begründbare Drogen-Erziehung zur Drogenmündigkeit stößt auf erhebliche Denkbarrieren. Das innere Funktionieren dieses Präventions-Dispositivs wie dessen gesellschaftliche Funktionen werden aus wissens- und professionssoziologischer Sicht untersucht, um Hinweise für eine Alternative geben.
Stephan Quensel ist pensionierter Professor am Institut für Drogenforschung (BISDRO) an der Universität Bremen.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Vorwort zur zweiten Auflage;11
2.1;Literatur zum 2. Vorwort;23
3;Vorwort: Jugendhilfe oder Drogenarbeit?;26
4;Vorbemerkung zur Schwierigkeit eines kritischen Diskurses;33
5;These 1 Die gegenwärtigen Präventionsprogramme sind weitgehend gescheitert;ihre Ziele sind unklar, ihre Evaluation versagt;37
5.1;These 1.1 Das Scheitern der Prävention;40
5.1.1;1. Horror, Information, Kompetenz;40
5.1.2;2. Drei Beispiele: >Lions Quest< >Hutchinson< >Healthy for Life<;44
5.1.3;3. Probleme des >Kompetenz-<-Ansatzes;48
5.1.4;4. Trotz zunehmender Prävention steigt der Drogenkonsum;53
5.1.5;5. Ist harm-reduction eine Alternative?;56
5.2;These 1.2 Das Scheitern der Evaluation;60
5.2.1;Das Scheitern der Prävention wird ergänzt durch das Scheitern ihrer Evaluation.;60
5.2.2;1. Das Problem der Follow-up-Zeiträume;62
5.2.3;2. Das Problem der Zwischenvariablen, insbesondere das ‚Wissen‘;63
5.2.4;3. Der Blick auf den Erfolg übersieht die unerwünschten Folgen;65
5.2.5;4. Methodische Probleme;67
5.2.6;5. Das Interesse der evaluation-industry;70
5.3;These 1.3 Ein Beispiel: >Be Smart – Don’t Start<;71
5.3.1;1. Das Projekt und seine Ergebnisse;71
5.3.2;2. Die methodischen Probleme;73
5.3.3;3. Ein vorläufiges Fazit;77
5.4;These 1.4 Das Aufschieben des Konsum-Beginns als Ziel?;78
5.4.1;1. Die Gateway-These;80
5.4.2;2. Legitimierende Begründungen;86
5.4.3;3. Theorie: von der >Transition proneness< zum >problem behavior<;90
5.4.4;4. Die fünf wichtigsten Problempunkte;94
5.5;These 1.5 Vier abschließende Anmerkungen;96
5.5.1;1. Wie gewinnt man einen Überblick?;96
5.5.2;2. Wer forscht?;98
5.5.3;3. Was wäre zu übernehmen?;99
5.5.4;4. Produziert die Prävention das Übel?;100
6;These 2 Die Sucht-Prävention begreift Drogen, Drogenkonsum und Drogen-Konsument vom negativen Ende her.;102
6.1;1. „Heilen statt strafen“ und „Vorbeugen ist besser als Heilen“;105
6.2;2. Zur historischen Wurzel dieses Denkens;107
6.3;3. Die medizinisch-strafrechtliche Perspektive;111
6.4;4. Diese Perspektive färbt selbst noch die alternativen Ansätze;112
6.5;5. Die Struktur der Defizit-Perspektive;114
6.6;These 2.1 Die Gefahren der Droge; die Droge als Gefahr;116
6.6.1;1. Die ambivalente Doppelbedeutung der Droge;116
6.6.2;2. Die Negativ-Perspektive der legalen Drogen;118
6.6.3;3. Der Sucht-Charakter des Nikotins;121
6.6.4;4. Gibt es eine alternative Sichtweise?;122
6.6.5;5. Ein erstes Fazit;123
6.7;These 2.2 Rausch und Sucht: Modelle des Drogenkonsums?;125
6.7.1;1. Rausch und Sucht als Gegenbild des rationalen Handelns;126
6.7.2;2. Probleme und Risiken des Sucht-Konzepts;136
6.7.3;3. Sucht? Vier kritische Analysen;145
6.7.4;4. Das Sucht-Dispositiv;153
6.8;These 2.3 Der schlechte Konsument;160
6.8.1;1. Der ätiologische Blick;163
6.8.2;2. Der riskierte Jugendliche in der ‚Theorie‘;171
6.8.3;3. Jugendliche als Opfer, Täter und Risiko-Faktor;177
6.8.4;4. Das Leitbild des >Risikos<;180
7;These 3 Die Sucht-Prävention gründet in und beteiligt sich an einem kulturellausgetragenen Konflikt zwischen den Generationen.;191
7.1;These 3.1 Was soll man hier unter >Kultur< verstehen?;196
7.1.1;1. Zum Konzept der >Kultur<;196
7.1.2;2. Was heißt >Jugendkultur<;199
7.1.3;3. Kultur und Droge;202
7.1.4;4. Kultur und Drogen-Diskurs: Theorien;205
7.2;These 3.2 Die Suchtprävention im Generationen-Konflikt;207
7.2.1;1. Im Drogen-Dispositiv verankert;209
7.2.2;2. Drogen-Politik als Kampfmittel;211
7.2.3;3. Macht, Interessen, Normalisierung;213
7.2.4;4. Zum >irrationalen< Hintergrund;216
8;These 4 Die Sucht-Prävention kann die Realität der Peergruppe nicht adäquaterfassen.;221
8.1;1. Die Peergruppe;223
8.2;2. Wie finden wir Risiko-Gruppen;233
8.3;3. „Unsere Jugend heute“: Befunde der Jugendsoziologie;242
8.4;4. Drei unerwünschte Konsequenzen;249
8.5;5. Ein anderes Fazit;257
9;These 5 Die Suchtprävention gefährdet die jugendliche Identitäts-Arbeit zwischenAblösung und Peergruppen-Beziehung.;259
9.1;1. Das ‚dynamische Dreieck‘: Ablösung und Peergruppen-Beziehungen;262
9.2;2. Was heißt >Identität<;272
9.3;3. Die identitätsstiftende Rolle der Droge;277
9.4;4. Identität heute;285
9.5;5. Die Rolle der Sucht-Prävention;289
9.6;6. Die Denkblockade der Wissenschaft;293
10;These 6 Die Sucht-Prävention verdeckt die realen Probleme, die an sich Aufgabeeiner strukturellen Prävention sein müssten.;296
10.1;1. Drogen-Probleme: Entwicklung und kulturell vorgeformte Karriere;298
10.2;2. Wenn die soziokulturellen und ökonomischen Ressourcen fehlen;304
10.3;3. Ansatzpunkte für eine strukturelle Prävention;306
10.4;4. AIDS-Hilfe und Empowerment-Ansatz liefern ein Modell;312
11;These 7 Drogen-Erziehung setzt Vertrauen zwischen den Beteiligten voraus.Vertrauen erwächst aus richtiger Information.;317
11.1;1. Was heißt Vertrauen?;319
11.2;2. Dies gilt auch für die Sekundär-Prävention;322
11.3;3. Wie werden Drogen-Informationen vermittelt;324
11.4;4. Das Problem der ‚angemessenen Sprache‘;328
11.5;5. Zur Rolle des Drogenwissens;330
11.6;6. Zur Aufklärung der Erwachsenen;332
12;These 8 Das Nah-Ziel einer Drogenerziehung besteht darin, die >Drogenmündigkeit
Drogenmündigkeit< der Jugendlichen zu fördern.- Als Fernziel fördert Drogenerziehung gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Solidarität.- Einzelheiten einer Drogenerziehung sind in der Schule von allen Beteiligten gemeinsam zu erarbeiten.- Nachwort: Zum Funktionieren des Präventions-Dispositivs.
These 6 (S. 300-301)
Die Sucht-Prävention verdeckt die realen Probleme, die an sich Aufgabe einer strukturellen Prävention sein müssten.
„Wir sind im Begriff, eine ganze Generation um ihre Zukunft zu betrügen, dachte er. Junge Menschen, die eine Schule besuchen, in der die Lehrer auf verlorenem Posten stehen, mit zu großen Klassen und schrumpfenden Mitteln. Junge Menschen, die nie auch nur eine Chance bekommen, einer sinnvollen Arbeit nach zu gehen. Die nicht nur nicht gebraucht werden, sondern sich als direkt unwillkommen fühlen. In ihrem eigenem Land.“ (H. Mankell: Die Brandmauer. DTV 2003,451)
Es entspräche wohl einem neumodisch neoliberal-ökonomischen Denken, solche unzulänglichen und möglicherweise schädlichen Präventionsbemühungen völlig ein zustellen, den Nikotin-Konsum Jugendlicher in das Betäubungsmittelgesetz einzufü gen und die anderen als unverbesserlich ihrer Sucht zu überlassen.
Eben so, wie sei nerzeit das "nothing works" in perverser Koalition zwischen berechtigter Kritik und klammen Finanzministern das Ende unserer Resozialisierungs- Bemühungen bei Ge fangenen einleitete. Doch würde man damit kaum eines der ‚realen‘ Probleme lösen, auf die sich auch die Sucht-Prävention berufen kann. Wir geraten damit an eines der zentralen Probleme gegenwärtiger Sozialarbeit.
Auf der einen Seite muss sie solche ‚realen Probleme‘ als Existenz-Basis ihrer Arbeit be tonen, im Wissen darum, dass die damit verbundene Defizit-Orientierung stigmatisie rend schaden oder normierend kontrollieren kann. Und auf der anderen Seite wird sie zu deren Lösung angesichts der Schwierigkeiten ‚strukturell‘ orientierter Prävention stets doch wieder auf die leichter zugänglichen individuellen Risiko-Personen zurück greifen und damit eben deren Risiken weiter verfestigen. Auch in dieser sechsten These folge ich der zu Beginn der vorangegangenen These angesprochenen Frage, wie sich eine – hegemonial auftretende – kulturelle Definitions-Macht im dynamisch interaktiven Miteinander und Gegeneinander auswirken kann, welche ernsthaften Folgen also dieser Defizit-orientierte Deutungs-Horizont mit sich führt.
Ein Denk-Rahmen, der von einem allgemeineren Drogen-Dispositiv entwickelt wird, ein Dispositiv, in dem auch die "Sucht"-Prävention eingebettet ist, von dem her sie ihre Legitimation bezieht und das sie zunehmend an vorderster Front (bei Kindern und Jugendlichen) mit vorantreibt. Während ich in der vorangegangenen These aufzeigte, wie die Sucht-Prävention mit ihrem Defizit-Ansatz ihr kulturelles Schema – rahmengebend – in den Köpfen vor allem der Jugendlichen und ihrer unmittelbaren Umgebung verankern kann, werde ich jetzt dessen besser sichtbare Auswirkung auf die Ausbildung und Verfestigung sogenannter Sucht-Karrieren darlegen.