E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Quach The boy you always wanted
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95818-846-4
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Was wir lieben: Own Voices RomCom, Second Chance & Fake Dating
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-95818-846-4
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Michelle Quach ist Amerikanerin mit chinesisch-vietnamesischen Wurzeln und hat ihre Leidenschaft fürs Schreiben bei Studentenzeitungen wie The Harvard Crimson entdeckt. In Harvard erwarb sie auch ihren BA in Geschichte und Literatur. Sie liebt romantische Komödien, Heldinnen, die nicht immer alles richtig machen, und jeden Hund, der ihrem eigenen auch nur ein wenig ähnelt. Die Autorin arbeitet als Grafikdesignerin in einer Marketingagentur in Los Angeles. Unter @_michellequach gibt sie Einblicke in ihr Autorinnenleben.
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2
FRANCINE
Ollie Tran hat ein Grübchen in der linken Wange, wenn er lächelt, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich ihn bitten werde, mir bei zu helfen. Dafür gibt es viele sehr gute Gründe, auch wenn einige schwer zu erklären sind. Leider beginnt unser Gespräch alles andere als verheißungsvoll.
»«, stoße ich hervor, weil es das Erste ist, was mir einfällt, als Ollie mich fragend ansieht. »Ich wollte dich noch was über fragen.«
Ollie zieht die Brauen zusammen, als würde ich eine fremde Sprache sprechen, und weicht einen Schritt vor mir zurück. Es ist nur ein kleiner Schritt, nicht direkt unhöflich, aber die Botschaft ist klar: Wir stehen vor seinem Schließfach, das sich praktischerweise in unmittelbarer Nachbarschaft zu meinem befindet. Dem Alphabet sei Dank bin ich immer da, wo Ollie ist. Jahrelang hat mich die Tatsache, dass Tran und Zhang einander so nah sind, in Verzückung versetzt. Wenn die Klasse klein genug war, gab es manchmal sogar keinen anderen Namen mehr zwischen uns. Allerdings ist es schon eine ganze Weile her, seit ich mich solchen Gefühlen hingegeben habe.
»Was ist mit ?«, fragt Ollie, obwohl er so aussieht, als wollte er meine Antwort gar nicht hören.
»Na ja, mir ist aufgefallen, dass du weinen musstest.« Ich denke an die Stunde zurück. »Ziemlich heftig sogar.«
Ollie wird rot. » würde ich nicht sagen.«
Ich versuche eine neutrale Miene beizubehalten. »Was ist denn … deine Definition von ›heftig‹?«
»Okay, ich gehe dann mal.« Er deutet mit zwei Fingern zur Seite und setzt sich in Bewegung.
Während er sich im Zickzack einen Weg durch die von der Sonne gebleichten Esstische bahnt und in seiner Hast, Abstand zwischen uns zu bringen, beinahe über einen Hortensienstrauch stolpert, kommt mir der Gedanke, dass ich die Sache vielleicht anders hätte angehen sollen. Aber ich habe mich seit Jahren nicht mehr richtig mit Ollie unterhalten. Ich wusste nicht, wie ich ihn ansprechen soll. Eigentlich hatten wir überhaupt nichts mehr miteinander zu tun, bis zu … . Trotzdem: Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll. muss in die Tat umgesetzt werden. Dafür brauche ich einen Jungen, und von allen Jungen in meinem Leben kenne ich Ollie am längsten.
Dazu musst du wissen, dass die Verbindung zwischen unseren Familien weit in die Vergangenheit zurückreicht. Vor langer Zeit – praktisch vor einer halben Ewigkeit – wuchs Ollies Vater in derselben Straße auf wie meine Mom und ihre Schwestern. Das war noch in Hanoi, wo unsere Familien bereits Jahrzehnte vor dem Vietnamkrieg lebten. Wenn man sie fragt, werden sie wahrscheinlich behaupten, dass sie Chinesen sind – nur um im nächsten Moment eine Unterhaltung auf Vietnamesisch zu beginnen. Ihre Herkunft ist jedenfalls auch der Grund, weshalb sie zu Flüchtlingen wurden. Nach dem Abzug der Amerikaner kam es zu einem weiteren Krieg zwischen Vietnam und China, der dazu führte, dass alle Chinesen, die zu dem Zeitpunkt in Hanoi wohnten, schnellstmöglich das Land verlassen mussten. Unsere Familie landete schließlich hier in den Vereinigten Staaten, wo ich geboren bin. Ollie übrigens auch. Und weil Chinesen im Ausland die Angewohnheit haben, immer zueinander zu finden – sei es in Nordvietnam oder Südkalifornien –, ist sein Haus nur drei Straßenblocks von meinem entfernt. Ich kenne ihn seit der Vorschule, und inzwischen gehen wir beide in die elfte Klasse der Hargis High. Eine dermaßen lange gemeinsame Geschichte muss doch etwas bedeuten, oder?
Vielleicht auch nicht. Ollie hat den Schulhof zur Hälfte überquert und bereits seinen Autoschlüssel aus der Tasche gefischt. Wenn ich nicht ganz schnell etwas sage, wird er auf dem Parkplatz verschwinden.
»Ollie, warte!« Ich laufe ihm nach. »Ich … ich will einfach nur mit dir reden.« Zu meinem Leidwesen zittert meine Stimme.
Immerhin bleibt Ollie ein paar Meter entfernt stehen.
Angesichts des bisher wenig zufriedenstellenden Gesprächsverlaufs ist es wahrscheinlich das Beste, ich komme gleich zum Punkt.
»Mein Grandpa hat Krebs«, sage ich. »Wir haben es erst vor Kurzem erfahren.«
Diese Nachricht kommt an wie erwartet. Ein schweres, unbeholfenes Schweigen tritt ein, und Ollie sackt ein bisschen in sich zusammen, als hätte ich ihm einen Finger in den Bauch gebohrt. »Das tut mir leid«, sagt er in einem Tonfall, den ich in den letzten vier Jahren nicht ein einziges Mal von ihm gehört habe. Aus unerfindlichen Gründen habe ich vor lauter Traurigkeit plötzlich einen kleinen Kloß im Hals.
»Ist schon gut«, sage ich, obwohl es natürlich alles andere als gut ist.
Ollie malt mit seinem Sneaker eine Linie auf den Boden. Die Spitze bekommt davon einen schwarzen Fleck, der ihm aber nicht aufzufallen scheint. »Wird er wieder gesund?«
»Nein, wohl eher nicht. Es ist die Bauchspeicheldrüse.« Ollie macht ein betretenes Gesicht, aber ich sehe ihm an, dass er keine Ahnung hat, was das bedeutet. »Das heißt, er wird daran sterben.«
»Das weiß man jetzt schon?«
»Die Ärzte haben gesagt, er hat bestenfalls ein paar Jahre, aber wahrscheinlich sind es nur noch wenige Monate.«
»Oh Mann, das tut mir echt leid.«
Ich weiß nicht recht, wie ich fortfahren soll, und Ollie sieht so aus, als schäme er sich dafür, dass er so weit weg steht. Ich will ihm sagen, dass das okay ist und ich nicht erwarte, dass er mir die Schulter tätschelt oder so. Was ich mir wünsche, ist weitaus weniger konventionell.
Ich hole tief Luft. »Ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht bei was helfen könntest.«
Ollie zögert einen Moment. »Klar«, sagt er dann.
Ich bin erleichtert, aber das Gefühl hält nicht lange an, denn gleich darauf kommen mir Zweifel. Zum ersten Mal seit Beginn der Highschool führen Ollie und ich ein richtiges Gespräch, und in ungefähr fünfzehn Sekunden wird er denken, dass ich den Verstand verloren habe – und nicht nur ein bisschen, sondern komplett und unwiderruflich. Ich muss gestehen: ist wirklich ungewöhnlich. Aber es ist der letzte wichtige Gefallen, den ich meinem A Gung tun kann.
»Also«, beginne ich. »Du weißt ja, dass mein Grandpa keine Söhne hat?«
Ollie macht ein nachdenkliches Gesicht, als müsste er tief in seinem Gedächtnis graben. »Ja, glaube schon.«
»Und Enkelsöhne hat er auch nicht. Das ist statistisch gesehen eine echte Anomalie. Wenn man das mal durchrechnet, ist die Wahrscheinlichkeit, sechs Töchter hintereinander zu bekommen, sehr gering, und obendrauf dann noch die Wahrscheinlichkeit, dass …«
Ollie neigt den Kopf zur Seite, und mir wird bewusst, dass ich zu viel rede.
»Die Sache ist die: Es gibt niemanden, der nach seinem Tod den Familiennamen weitergeben kann. Und na ja, das macht ihm ziemlich zu schaffen. Sogar jetzt noch.«
»Immer noch?«
»Ja.«
»Nach all den Jahren?«
Ich schüttle den Kopf. »Ja. Keine Ahnung.«
Ollie ist perplex. »Wie alt ist er denn?«
Ehrlich gesagt, war ich auch überrascht. Vor ein paar Wochen bekam Mom einen Anruf von A Pòh, die ausnahmsweise so leise sprach, dass ich kein Wort aufschnappen konnte. Nicht, dass mich das davon abgehalten hätte, es zu versuchen. Als Mom mich in der Tür stehen sah, winkte sie mich zu sich. Ich kroch neben ihr ins Bett, und sie legte das Telefon zwischen uns auf die Decke, ein grell leuchtendes Rechteck im dämmrigen Schlafzimmer. Wir beugten uns darüber, während A Pòh redete. Ihre Worte klangen schroff und emotionslos.
»Dein Vater ist nicht glücklich«, sagte sie auf Kantonesisch. Dann setzte sie erklärend hinzu: »Es geht ihm nicht gut.«
Auf einmal hörten wir im Hintergrund A Gungs gedämpfte Stimme. »Ist das Lan?«, fragte er auf Vietnamesisch. »Hast du schon gegessen, Lan?«
In meiner Familie fragt man das immer als Erstes, selbst wenn es vier Uhr nachmittags ist und man nicht genau weiß, ob es noch ums Mittagessen oder schon ums Abendessen geht.
»Ja, ba. Und du?«, gab Mom zurück, weil man damit nichts falsch machen kann, selbst wenn man im Begriff ist, zu erfahren, dass der andere bald an Krebs sterben wird.
»Deine Mutter fängt bestimmt gleich an zu kochen.« A Gung wechselte den Hörer zum anderen Ohr. »Wie geht es meiner Enkelin?«
». Ihr geht es gut. Sie sitzt hier neben mir.« An diesem Punkt deutete ich ungeduldig auf das Telefon, und sie räusperte sich. »Aber Ba, wir wollten fragen … was hat der Arzt denn nun genau gesagt?«
Eine lange Pause trat ein. »Hört Fong mit?«
»Ja, ich bin hier«, meldete ich mich zu Wort. »Hallo, A...