Pulley | Das Lied des Dionysos | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 544 Seiten

Pulley Das Lied des Dionysos


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-608-12471-2
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 544 Seiten

ISBN: 978-3-608-12471-2
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Natasha Pulleys phantastischer wilder Dionysos wird Sie völlig in seinen Bann ziehen!« Luna McNamara Der junge Krieger Phaidros rettet in Theben ein ausgesetztes Baby, von dem eine ganz eigenartige Faszination ausgeht, vor dem sicheren Tod und bringt es zum Tempel der Artemis, in dem verwaiste Kinder aufgezogen werden. Wer kann schon ahnen, dass mit dem kleinen Jungen unvergleichliches Unheil über ganz Theben, ja über der ganzen Welt aufzieht.  Was hat es mit dem Findlingskind auf sich? Ist es ein Bastard oder vielleicht gar von Zeus gezeugt? Jahre später, Troja ist gefallen und die Soldaten um Phaidros rüsten die Schiffe zur Heimfahrt. Da begegnen sie auf einer Insel einem seltsam schönen Jüngling und nehmen ihn gefangen. Ihm droht nun das Los als, Sklave verkauft zu werden, - was für ein Frevel! Das Kentern des Schiffs ist erst der Beginn einer verheerenden Rache, des gedemütigten Dionysos. Über Theben breitet sich eine nie dagewesene Dürre aus. Aber noch schlimmer: Eine seltsame Macht ergreift Gemüt und Verstand der Menschen, der Wahnsinn geht um. Und doch hängt das Herz von Phaidros an dem Gott, der ihm in vielerlei Gestalt begegnet. Natasha Pulley erzählt so spannend und lebendig von der Antike, als wäre es es gestern gewesen. »Ein schillerndes Labyrinth von einem Buch, das einen nicht loslässt. Pulleys phantastischer wilder Dionysos die Leserinnen völlig in seinen Bann ziehen, und Phaidros sprühender Geist und Humor schlägt einen auf jeder Seite. Eine überwältigende Hommage an den Gott des göttlichen Wahnsinns.« -Luna McNamara, Autorin von PSYCHE AND EROS

Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone's Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.
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1


Mein Name ist Phaidros. Ich wurde in die Furien hineingeboren, die vorderste Legion des thebanischen Heers. Mein Kommandant war der fröhliche Fabulant Helios, und seine Kommandantin wiederum war Artemis, die berühmte Dame, die zehn Jahre in Folge den Bogenschießwettbewerb bei den Orakelspielen gewann. Ich weiß, dass die Leute normalerweise immer dazusagen, wer ihre Eltern und Großeltern waren, aber so funktioniert das bei den thebanischen Legionen nicht. Ich habe keine Ahnung, wer meine Eltern waren. Ich kam auch erst darauf, mir diese Frage überhaupt zu stellen, als ich schon älter war. Helios erzählte mir jedes Mal etwas anderes – je nachdem, welcher Stimmung er gerade war. Vielleicht war ich der Sohn einer Prinzessin, vielleicht hat er mich auch auf einem Misthaufen hinter einer geplünderten Stadt gefunden. Oder er war mit meiner Mutter befreundet, die ebenfalls Kriegerin war und mich mit einem kauzigen Sklaven bekommen hatte, den niemand mochte, weil er unbedingt seinen eigenen Käse herstellen musste. Helios wollte mich damit nicht ärgern, sondern mir etwas vermitteln: Wo und von wem thebanische Krieger geboren werden, spielt keine Rolle.

Wir waren gar nicht mal so wenige – ein Haufen kleiner Krieger, die zwischen den Zelten aufwuchsen. Es war fantastisch. Andere erzählen mir davon, dass sie in Häusern aufgewachsen sind und bei Lehrern in die Schule gingen, die ihnen Rechnen beibrachten und wie man die Menschen belügt. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen. Wir sind viel herumgerannt, haben im Meer gespielt, haben beim Rüstungenpolieren und Pfeilemachen geholfen, und unsere Kommandanten haben nach dem Kampf immer Honigkuchen und Spielzeug in den Trümmern versteckt. Deshalb habe ich große Schlachten schon immer so geliebt. Und ich habe jede Menge interessante Leute kennengelernt. Wenn man fünf Jahre alt ist, gibt es nichts Besseres auf der Welt als ein buchstäblich gefesseltes Publikum, das an einen Ruderriemen gekettet vor dir sitzt und keine Möglichkeit hat, all deinen Fragen darüber zu entkommen, wie es ist, an einem Ort aus Stein zu leben.

Die älteren Krieger sagten, wir kämen auch von so einem Ort: Theben. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen. Theben lag irgendwo im Westen, es war die Stadt, wohin all die Sklaven, das Getreide und Silber geschickt wurden, doch wir kamen nie weiter als bis zu den Häfen, wo wir alles auf Karren verluden und dann wieder in See stachen. Ich fand Städte beängstigend. Städte waren zum Plündern und Anzünden da. Ich konnte mir nicht ausmalen, warum man freiwillig in einer leben sollte. Ich stellte mir vor, dass es eine Mischung aus Zufall und Dummheit sein musste, die Leute dazu brachte, sich an einem Ort voller Silber und Lagerhäuser und schöner Menschen niederzulassen, die eine Menge Gold einbrachten, wenn man sie in Ägypten an die richtigen Leute verkaufte.

Dionysos begegnete ich zum ersten Mal, als ich das erste Mal in Theben war.

Ich war ungefähr vier, als unsere Legion schließlich die Erlaubnis erhielt, nach Theben zurückzukehren. Wir hatten schon davor viel Landgang gehabt, aber jedes Mal an einem anderen Ort und meistens in der Nähe unseres letzten Raubzugs. Doch das hier war ein richtiger Urlaub und das erste Mal seit meiner Geburt, dass die Krieger nach Hause gehen und ihre Familien sehen konnten. Das mag hart klingen, doch fünf Jahre sind eine ganz normale Zeitspanne dafür. Die Welt ist groß und Poseidon ist nachtragend. Man konnte nicht damit rechnen, früher wieder zurück zu sein.

Die allgemeine Stimmung war eine Mischung aus Vorfreude und Angst. Kriegerinnen machten sich Sorgen, ihre Männer könnten es satt gehabt und eine andere geheiratet haben, oder dass die ehemalige Kommandantin vielleicht zornig wäre, weil sie so lange nichts von sich hatten hören lassen. Ehrbare Krieger zerbrachen sich den Kopf darüber, welches Geschenk sie ihrem Kind mitbringen sollten, das sie noch nie gesehen hatten. Um dir eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie groß das Ereignis war: Ich habe buchstäblich keine Erinnerung an irgendetwas davor. Ich habe immer zu Helios gesagt, er hätte mich während dieser ersten fünf Jahre ebenso gut in eine Kiste stecken und sich eine Menge Ärger ersparen können. Ich weiß absolut nichts mehr aus dieser Zeit. Theben überstrahlt alles andere.

Versteh mich nicht falsch: Theben mag meine erste Erinnerung sein, aber niemand kann zuverlässig von Dingen berichten, die ihm widerfahren sind, als er fünf war. Der einzige Grund, warum ich es doch kann, ist, dass Helios mir in den Jahren darauf immer wieder davon erzählt hat. Es wurde gleichsam zu einer Gutenachtgeschichte, genauso etabliert wie die Geschichte vom Tod und dem Mädchen, die, wie Hermes zum Gott wurde, oder die von Artemis und dem arroganten Jäger. Helios wollte absolut sichergehen, dass ich es nicht vergaß, und meißelte es in meine Seele, damit ich mich immer erinnern würde, warum wir nicht zurückkonnten.

Helios war in der eigenartigen Lage, eine Zwillingsschwester zu haben, die keine Kriegerin war. Sie lebte in Theben, und wir wollten sie besuchen. Es schien mir absurd, dass die beiden getrennt worden waren, doch Helios neigte nur den Kopf und sagte, andere Leute hätten eben andere Aufgaben im Leben. Dann eilten wir vom Schiff, um vor all den Menschenmassen in der Stadt zu sein. Wir mieteten ein Pferd von einem Mann, der kein gewöhnliches Eisengeld akzeptierte, nur Silber oder Gold, obwohl uns verboten war, welches zu besitzen. Das hatte damit zu tun, dass er in verschiedenen Städten Handel trieb, und mit etwas Kompliziertem, das Helios »Wechselkurs« nannte und mir erfolglos zu erklären versuchte, nachdem er völlig illegale Silberklumpen auf die winzige Waage des Mannes gelegt hatte. Damals verstand ich nicht, warum er so viel Mühe darauf verwendete, es jemandem zu erklären, der nichts anderes wollte, als nervös herumzuzappeln. Aber ich verstehe es jetzt. Hätte ich irgendjemandem gegenüber erwähnt, dass er Silber bei sich trug, wäre er verhaftet worden. Doch ich war abgelenkt von einem kleinen grünen Vogel, und Geld war langweilig.

Das erste Mal, dass ich Theben sah, war von der Kuppe des steilen Hügels vor dem Bernsteintor aus.

Theben ist ein seltsamer Ort. Es liegt in einem Tal am Fuß des Harfnerbergs mit seinen heiligen Hainen und wird aus irgendeinem Grund trotzdem immer von der Sonne beschienen. Ich glaube, selbst ein Fremder merkt, dass die Stadt nicht auf die übliche Weise entstanden ist – weil die Menschen zum Bauen geeignete Steine oder fruchtbare Böden vorgefunden hätten. Es fühlt sich anders an.

Einst legte ein Krieger aus Asien, König Kadmos, an den hiesigen Quellen eine Pause ein. Dort war ein Drache, der ihn nicht ans Wasser lassen wollte. Nachdem Kadmos den Drachen getötet hatte, sagte Athene zu ihm, er solle dessen Zähne nehmen und sie aussäen. Es wuchsen Menschen daraus, Krieger von einer Kraft und Gewandtheit, wie man sie nie zuvor gesehen hatte. Auf sie geht unser Kriegergeschlecht zurück, was auch der Grund ist, warum wir »die Gesäten« genannt werden. Helios erzählte mir die Geschichte, während wir den Hügel hinunterritten.

Theben ist also eine heilige Stadt, erwachsen aus Drachenzähnen, die auf Geheiß der Göttin des gerechten Kriegs ausgesät worden waren. Es gibt prächtigere Orte – alle sagen, die Welt drehe sich um Memphis und dass sich mächtige neue Königreiche aus dem Sand in Kanaan erhöben – aber es gibt mit Sicherheit keinen seltsameren. In keiner anderen Stadt gibt es so viele Tempel wie Streitwagen, und in keiner ist die Luft so von Wundern aufgeladen. Es ist das gleiche Prickeln, wie du es verspürst, wenn du zwei Bernsteine aneinander reibst und sie dann über die Härchen an deinem Arm hältst.

Und obwohl ich noch so klein war, spürte ich es. Vielleicht lag es zum Teil daran, dass alles so fremd war. Ich war damit aufgewachsen, Teile des Hatti-Reichs zu plündern oder auch die goldgetränkten Orte an den Ufern des Nil. Ich war an den Anblick ägyptischer Gottheiten und den hattischer Kriegerstatuen gewöhnt, die in schweren Kettenhemden die Stadttore bewachten. Ich wusste nicht, dass es ähnliche Orte gab, die uns gehörten. Ich hatte unsere Götter nie in Marmor oder Bronze gesehen. Für mich waren sie Wesen, die man manchmal kurz in der Ferne als Hitzeflimmern in der Wüste sah, oder in einem Blitz. Wilde Wesen.

Aber da waren sie: Eine Bronzestatue von einem riesigen Reiter auf einem riesigen Pferd stand vor dem Stadttor. Die Straße führte unter dem Hals des Pferdes hindurch.

»Das ist Herakles«, erläuterte Helios. »Möchtest du was Lustiges sehen?«

»Was denn?«

Er dirigierte unser Pferd näher an Herakles heran, woraufhin die Bronzestatue ganz langsam den Kopf in unsere Richtung neigte, ein freundlicher und höflicher Gruß.

Ich wäre beinahe aus dem Sattel gefallen. »Er lebt!«

»Das nennt man ein Wunderwerk«, erwiderte Helios. »In der Statue gibt es spezielle Vorrichtungen, die Wasser in Bewegung setzen, das wiederum Räder antreibt, die die Statue bewegen. Sie sind sehr heilig. Wenn du eine davon siehst, musst du aufpassen, sie nicht zu berühren, verstanden? Machst du sie kaputt, lädst du einen Fluch auf dich.«

Ich starrte die Statue an, sicher, dass Herakles uns verfolgen würde. Helios drückte mich, dann ritten wir durchs Stadttor. Herakles zum Glück nicht.

Später, als wir wieder entlang der Küste auf Raubzug gingen und er mir die Geschichte wieder und wieder erzählte, gehörte das Wunderwerk Herakles zu meinen Lieblingsstellen. Wenn man an seinen Kommandanten gekuschelt im Bett liegt und die Wachen draußen groß und stark an den Feuern stehen, können gruselige Geschichten über Riesen sehr gemütlich sein.

Die Städte in...


Pulley, Natasha
Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.

Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.

Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone's Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.



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