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Przyrembel / Karutz | „Gaffen“ - Mythen und Faktencheck für Rettungskräfte | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 232 Seiten

Przyrembel / Karutz „Gaffen“ - Mythen und Faktencheck für Rettungskräfte

Zuschauendes und störendes Verhalten am Unfallort richtig einschätzen und souverän reagieren
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-456-76377-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Zuschauendes und störendes Verhalten am Unfallort richtig einschätzen und souverän reagieren

E-Book, Deutsch, 232 Seiten

ISBN: 978-3-456-76377-4
Verlag: Hogrefe AG
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Warum Menschen an Unfallorten zuschauen – Hintergründe und Handlungsempfehlungen für Einsatzkräfte

Unfälle, Brände, Katastrophen – in solchen Ausnahmefällen können vermeintlich „Gaffende“ die lebensrettende Arbeit von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten behindern. Ein derartiges Verhalten wird von Einsatzkräften sowie der breiten Öffentlichkeit kritisiert und als unethisch, verantwortungslos oder als Ausdruck gesellschaftlicher Verrohung betrachtet. Doch warum fühlen sich Menschen von Unglücksorten angezogen? Ist es nur Neugier oder steckt mehr dahinter?
Dieses Buch liefert fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen der Feldforschung, der Psychologie und den Sozialwissenschaften, um das komplexe Phänomen des zuschauenden Verhaltens zu verstehen. Es zeigt, dass diverse biologische, psychologische und gesellschaftliche Faktoren das Verhalten von „Gaffern“ beeinflussen – weit über bloße Sensationslust hinaus.
Besonders für Einsatzkräfte ist es essenziell, die Mechanismen hinter diesem Verhalten zu kennen. Das Buch bietet praxisnahe Handlungsempfehlungen und Strategien zur effektiven Prävention und Intervention, die in jedem Kapitel als lesefreundliche, didaktische Elemente hervorgehoben sind. Mit wertvollen Einblicken aus dem psychosozialen Krisenmanagement und empirischen Studien erhalten Fachpersonen aus Blaulichtberufen aktuelles Wissen, um sicherer und souveräner mit Zuschauenden an Unglücksorten umzugehen.

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Zielgruppe


Notärzt*innen, Rettungssanitäter*innen, Notfallsanitäter*innen, Rettungsassistent*innen, Feuerwehr, Psycholog*innen, Soziolog*innen, Polizist*innen, Medienvertreter*innen

Weitere Infos & Material


13Vorwort


Bestimmte Themen erzeugen Aufmerksamkeit. Eines dieser Themen ist das zuschauende Verhalten sowie das Filmen und Fotografieren an Unglücksorten. Nachdem in den Medien immer wieder von offenbar gravierenden, sogar zunehmenden Problemen mit „Gaffenden“ und „Schaulustigen“ in Notfallsituationen berichtet worden ist, war unser Interesse geweckt: Wie viele andere Menschen haben auch wir uns gefragt, mit welchem seltsamen Phänomen wir es hier eigentlich zu tun haben. Wir wollten herausfinden, wie es zu diesem Verhalten kommt und welche Auswirkungen sich in der Einsatzpraxis tatsächlich beobachten lassen.

Aus einer wissenschaftlichen Perspektive wollten und wollen wir verlässlich begründete Erklärungen finden und damit für Aufklärung sorgen. Nach umfangreichen Literaturrecherchen liegen uns inzwischen gut abgesicherte Erkenntnisse vor, ebenso wie eigene Zahlen sowie empirische Daten, die bei genau diesem Vorhaben hilfreich sind.

Einige Überlegungen, über die wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Professionen in diesem Buch referieren, mögen auf den ersten Blick überraschen, irritieren oder vielleicht auch zunächst für Widerspruch sorgen, weil sie in einem Kontrast zu manchen Bildern stehen, die in den vergangenen Jahren durch viele persönliche Schilderungen oder Medienberichte erzeugt worden sind. Manchmal sind Dinge aber letztlich doch nicht so, wie es zunächst scheint; manche Narrative sind bei einer näheren Betrachtung einfach unzutreffend: Wahrnehmungsfehler und verschiedene Mechanismen der Medienwirkung können zu Trugschlüssen und Verzerrungen führen, was in der Einsatzpraxis wiederum neue Probleme hervorruft und bestehende erst noch verschärft.

Unstrittig ist: In vielen Fällen stellt zuschauendes Verhalten an Unglücksorten ganz eindeutig eine ethische, psychologische und einsatztaktische Herausforderung dar. Gleichwohl handelt es sich um ein weitaus komplexeres und facettenreicheres Phänomen, als auch wir es zu Beginn unserer Forschung erwartet hätten. 14Mit unserem Buch möchten wir daher dazu einladen, unvoreingenommen innezuhalten, sich zu informieren, interessante Zusammenhänge in einem breiten Horizont zu erkennen und über das Wahrgenommene nachzudenken. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Beiträge in diesem Buch auch nicht nur über den Rettungsdienst, sondern auch mit dem Rettungsdienst, für den Rettungsdienst erarbeitet, diskutiert und zum Teil auch bereits in einem wissenschaftlichen Symposium präsentiert worden.

Besonders glücklich sind wir über die inter- und transdisziplinäre Perspektive, die dieses Buch bietet. Aus der rettungsdienstlichen Praxis berichtet zunächst Leonie Gosau, Notfallsanitäterin und angehende Medizinerin an der Universität Lübeck: Sie räumt mit dem Mythos auf, dass Zuschauende, Medienschaffende und Demonstrierende automatisch auch die Versorgung von Notfallpatientinnen und -patienten gefährden würden. Dazu nutzt sie das bewegende Beispiel eines Einsatzgeschehens, an dem sie selbst maßgeblich beteiligt war – und über den es hinterher zahlreiche Nachrichtenmeldungen gegeben hat, in denen von massiven Beeinträchtigungen des Einsatzverlaufs berichtet worden ist. Tatsächlich hat die Patientin jedoch vollkommen störungsfrei die bestmögliche Behandlung erhalten.

Außerdem stellt Claudia Hauptmann von der Johanniter-Unfall-Hilfe ein innovatives Projekt vor: Schon vor einigen Jahren wurde bei der Johanniter-Unfall-Hilfe nämlich der Anlass gesehen, offensiv und kreativ auf das Problem des „störenden Zuschauens“ an Unglücksorten einzugehen. Die daraufhin etablierte „Gaffen tötet“-Initiative greift dabei den Mythos auf, dass gegen störendes Zuschauen allem voran Strafen und Verbote helfen.

Mehrere Beiträge der aus der Feldforschung folgen: Marisa Przyrembel, Professorin für klinische Psychologie an der Akkon Hochschule in Berlin, knüpft mit empirischen Studien an die „Gaffen tötet“-Initiative der Johanniter-Unfall-Hilfe an und präsentiert in zwei Beiträgen aktuelle Zahlen zur Quantität von störendem Zuschauen auf Deutschlands Straßen sowie qualitative Daten zum Erleben des Rettungsfachpersonals. Zum einen kann dabei der Mythos ausgeräumt werden, dass andauernd und überall „gegafft“ würde. Zum anderen zeigen die gewonnenen Erkenntnisse einen fundamentalen Beurteilungsfehler auf: Beweggründe anderer Menschen werden demnach anders eingeschätzt als das eigene Verhalten an Unglücksorten, und auch der Mythos: „Man selbst schaut allenfalls aus ehrenwerten Motiven zu, während andere Zuschauende ein ethisch fragwürdiges Verhalten zeigen“ ist auf diese Weise widerlegt.

Dennis Wengenroth, langjähriger Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr Wolfsburg und nun tätig an der TU Braunschweig, beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Mythos, dass das Fotografieverhalten von Rettungskräften stets sachlich und 15fachlich einwandfrei legitimiert ist, während nur die Bildaufnahmen von Zivilpersonen problematisch sind. Dabei wird deutlich, dass auch Rettungskräfte an Einsatzstellen keineswegs nur zu dienstlichen Zwecken fotografieren.

Ein weiterer Beitrag aus der Forschung kommt von den Professoren Mario Staller (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen) und Swen Körner (Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung für Trainingspädagogik und Martial Research). Beide sind durch ihre zahlreichen Beiträge aus dem Bereich der Konfliktforschung bekannt: Sie untersuchen das Phänomen von Gewalt gegen Rettungskräfte und befassen sich dabei mit Mythen, welche häufig mit Betrachtungen von Gewalt gegenüber Einsatzkräften verbunden sind.

Beiträge aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen werden in einem weiteren Abschnitt dieses Buchs dargestellt. Harald Karutz, Professor für Psychosoziales Krisenmanagement an der MSH Medical School Hamburg, widerlegt in seinem Text den Mythos, dass an Unglücksorten nur aus Neugier und Sensationslust zugeschaut wird.

Auf einer psychosozialen Perspektive basiert auch der Beitrag von Justus Münster, dem langjährigen Leiter der Notfallseelsorge in Berlin. Ihm geht es vor allem darum, zuschauendes Verhalten als einen Ausdruck von Betroffenheit zu verstehen. Anhand von Beispielen aus der Einsatzpraxis und theoretischen Überlegungen zeigt auch er eindrucksvoll auf: Zuschauende Menschen an einem Notfallort sind keineswegs immer nur „Gaffende“!

Für eine medienwissenschaftliche Betrachtung sorgt Dr. Maria Schreiber, Forscherin an der Universität Salzburg. Sie analysiert den Umgang mit Smartphones, klärt über unterschiedliche „visuelle Praktiken“ auf und ordnet diese in gesellschaftliche Entwicklungen ein. Gleich mehrere Mythen über die Nutzung moderner Medien werden dabei von ihr widerlegt.

Philipp Jann, Doktorand an der Universität Bielefeld und Leiter eines Instituts für Notfallpsychologie, ergänzt diese Überlegungen mit einem fokussierten Blick auf den Mythos, dass Medienberichte über Notfälle immer nur schädlich sind. Basierend auf einer umfangreichen Literaturrecherche stellt er differenziert dar, dass Medienberichte im Hinblick auf die Bewältigung von Notfallerfahrungen sehr wohl auch hilfreich sein können.

Lucian Krawczyk, Professor für Strafrecht, Strafverfahrensrecht und Verkehrsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, bringt sodann eine Perspektive aus der Rechtswissenschaft ein. Mit juristischer Expertise hat er untersucht, ob und wie die Behinderung von Rettungskräften sowie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Foto- und Filmaufnahmen überhaupt strafrechtlich erfasst werden können. Dem Mythos, dass vor allem Verschärfungen des Straf16rechts geeignet sind, um zuschauendem Verhalten entgegenzuwirken, tritt Lucian Krawczyk mit deutlichen Argumenten entgegen.

Daran anschließend wendet sich noch einmal Harald Karutz zwei sehr praxisbezogenen Fragestellungen zu. Reflektiert wird einerseits, warum Medienberichte und Diskussionen über zuschauendes Verhalten an Unglücksorten eigentlich so stark emotional aufgeladen sind. Andererseits geht es darum, welche Reaktionen auf Zuschauende sowie filmende und fotografierende Personen an Einsatzstellen gut begründet empfohlen werden können. In diesem nachdenklichen Beitrag wird der Mythos, dass vor allem harte Strafen erforderlich sind, noch ein weiteres Mal widerlegt.

Unseren Sammelband schließen wir mit einem Beitrag aus der Erwachsenenbildung ab: Saskia Eschenbacher, Professorin...



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