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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Prokop Die Phrrks

Phantastische Geschichten
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-360-50072-4
Verlag: Das Neue Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Phantastische Geschichten

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-360-50072-4
Verlag: Das Neue Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was tun, wenn die Außerirdischen durch das Wohnzimmer schwirren oder wenn man Nacht für Nacht ermordet wird? Was ist, wenn man sich heute nicht erinnern kann, was gestern war, sondern erst morgen, wenn gestern zu vorgestern geworden ist, oder wenn man in einer Kneipe den Zwerg Nummer sieben trifft ...? Die Lösungen für diese und andere nicht eben alltägliche Probleme finden sich in einer Sammlung spannender, vergnüglicher, überraschender Geschichten, die im Kosmos und auf der Erde, in naher oder ferner Zukunft angesiedelt sind, doch immer auf die Verhältnisse in der heutigen Welt zielen.

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Die Phrrks Die Sache mit den kleinen blauen Männchen begann ganz still und harmlos. An einem Donnerstag. Emma Appelmann starrte ungläubig auf das Inserat in der Zeitung. Sie nahm die Brille ab, hauchte die Gläser an, putzte sie sorgfaltig mit dem Zipfel der Tischdecke und las noch einmal. »Na also«, sagte sie triumphierend. »Von wegen Sperrmüll!« Sie steckte die Hand in das Körbchen auf der Zentralheizung und streichelte den Goldhamster, der zwischen Wattebergen schlummerte. »Nun wird bald wieder alles gut, Pussy«, sagte sie zärtlich, dann suchte sie die Nummer des Taxistandes aus dem Telefonbuch und versuchte es geduldig immer wieder, bis sie endlich ein Freizeichen und schließlich sogar eine Stimme hörte. »Hören Sie, guter Mann«, erklärte sie, »ich will mein Radio zur Reparatur bringen, und ich bin eine alte Frau. Könnten Sie so freundlich sein, mich aufzusuchen und es in Ihr Auto hinuntertragen? Ich zahle gut.« Der Taxifahrer sah Emma ungläubig an, als er den Radioapparat erblickte. »Wollen Sie den alten Kasten tatsächlich noch reparieren lassen? Der ist doch mindestens dreißig Jahre alt.« »Fast fünfundvierzig«, korrigierte Emma. »Er spielt noch mit echten Röhren. Und dann wird er warm wie ein kleiner Ofen, nicht wahr, Pussy?« Der Taxifahrer blickte sich vergeblich nach jemandem um, der Pussy heißen konnte. »Glauben Sie im Ernst, daß Sie einen finden, der so was repariert? Der sich überhaupt noch mit so alten Kästen auskennt? Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Schmeißen Sie Ihr Geld nicht zum Fenster raus; schmeißen Sie das Ding auf ’n Müll.« »Nein, nein«, erwiderte Ernma freundlich, »wir hängen an dem Ding, nicht wahr, Pussy?« Der Taxifahrer zuckte mit den Schultern. »Okay, ist Ihr Geld.« Der Laden lag in einer kleinen Seitenstraße, und nichts verriet, daß sich hier eine Reparaturwerkstatt befand, auch nicht im Innern: ein leerer, spinnwebgrauer Raum mit ein paar leeren staubigen Regalen. Emma glaubte schon, daß jemand sich mit dem Inserat nur einen Jux gemacht hatte, da betrat eine junge Frau den Raum und forderte den Taxifahrer auf, das Radio auf den Ladentisch zu stellen. »Sie können den Apparat morgen wieder abholen«, sagte sie. »Und Sie reparieren ihn? Wirklich?« erkundigte sich Emma mißtrauisch. »Nicht ich. Der Meister.« »Kann ich ihn bitte sprechen?« »Nein, er kommt erst abends. Aber ich versichere Ihnen, morgen nachmittag ist Ihr Gerät fertig, und –«, sie bedachte Ernma mit einem strahlenden Lächeln, »es wird spielen, als sei es neu.« Sie hatte nicht zuviel versprochen. Auch der Taxifahrer, der Emma wie verabredet pünktlich um zehn Uhr abgeholt hatte, zeigte sich überrascht. »Es geschehen noch Wunder«, sagte er. »Machen Sie auch Rasierapparate, Fräulein?« »Nein, leider …« Sie hob bedauernd die Hände. »Na, Muttchen, da haben Sie aber Glück gehabt«, sagte der Taxifahrer, als er das Radio auf dem Tisch neben der Balkontür abgestellt hatte. »Ich hätt’ jede Wette gemacht, daß sich keiner herabläßt, so ’n alten Apparat zu reparieren, dazu für ’n paar Mark. Kann doch kein Geschäft sein, oder? Wer hat denn noch so alte Klamotten? Höchstens so ’ne …« »Alte Schachtel wie ich? Wollten Sie das sagen?« Emma schmunzelte vergnügt. »Hier haben Sie einen Fünfer extra.« Nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen und die Sicherungskette vorgelegt hatte, holte Ernma einen Schraubenzieher, löste die Rückwand des Radios und schraubte hinter dem Loch, das sie vor einem Jahr in die Platte geschnitten hatte, wieder den kleinen Kasten aus Drahtgitter an und polsterte ihn mit Watte. »So, Pussy«, sagte sie, »nun kannst du es dir gemütlich machen.« Sie wollte die Rückwand befestigen, doch der Drahtkäfig paßte kaum noch in das Radio, verbog sich, als sie es mit Gewalt versuchte. Emma beugte sich vor, starrte in den offenen Kasten, schloß die Augen, um sich zu erinnern, guckte noch einmal, schüttelte den Kopf, dann ging sie mit zusammengepreßten Lippen zur Tür und zog sich den Mantel an. »Alles«, so sagte sie, »muß man sich doch wohl nicht gefallen lassen.« Am Taxistand warteten zehn Leute, so fuhr sie mit dem Bus ins Zentrum. Sie brauchte lange, bis sie den Laden wiederfand. Er war geschlossen, und es sah so aus, als sei er in den letzten zwanzig Jahren auch nie geöffnet gewesen. Emma hämmerte mit der Faust, dann mit dem Schirmgriff gegen die Tür, vergeblich. Sie ging zurück zur Hauptstraße, betrat das erste Elektronik-, Hi-Fi- und Fernsehgeschäft und verlangte so energisch nach dem Chef, daß man ihn herbeirief. »Wo kann ich mich beschweren?« fragte sie. »Ich hatte mein Radio zur Reparatur weggebracht …« »Sind Sie nicht zufrieden?« fragte der Geschäftsführer. »Spielt es nicht?« »Doch, es spielt, aber ich bin nicht zufrieden. Ganz und gar nicht! Man hat irgend etwas ausgewechselt und neues Zeug hineingebaut.« Er erkundigte sich nach Typ und Baujahr; als Emma es ihm sagte, konnte er nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken. »Das spielt noch?« »Wieder«, sagte Emma. »Trotzdem, ich finde es ungehörig, mein Gerät ohne meine Zustimmung umzubauen.« »Verstehen Sie denn etwas von Radios?« Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Soviel allemal! Das sieht doch ein Blinder!« »Und Sie behaupten, das Gerät sei bei uns ...?« »Nein, entschuldigen Sie bitte, in einem kleinen Laden um die Ecke. Ich dachte nur, Sie wüßten bestimmt, wo man sich über so eine unerhörte Eigenmächtigkeit beschweren kann.« »In solch einem Fall – nirgends. Wozu auch, es spielt doch, nicht wahr, gnädige Frau?« »Ich bin äußerst ungnädig«, erwiderte Emma wütend, »und ich gedenke, zu meinem Recht zu kommen. Es kann doch nicht jeder mit meinen Sachen machen, was er will.« Als man ihr im vierten Laden unverhohlen erklärte, sie sei total verrückt, fuhr Emma nach Hause, doch sie gab nicht auf. Jetzt versuchte sie es per Telefon: beim Obermeister der Elektromechaniker-Innung, bei der Hauptverwaltung der Elektroin-dustrie, bei dem für ihren Stadtbezirk zuständigen Abgeordneten, im Amt für Eingaben, schließlich sogar bei der Staatsanwaltschaft, wo man ihr androhte, den medizinischen Notdienst zu schicken, wenn sie fortfahre, ernsthaft arbeitende Leute mit ihren Verrücktheiten zu belästigen. Sie fragte sich, ob sie sich am Ende nur aus Mangel an anderer Beschäftigung in eine unsinnige Sache verbohrt hatte, und entschied, daß es um mehr ging: um ein Prinzip. Hatte sie etwa nicht das Recht, gehört zu werden und Recht zu bekommen, wo sie recht hatte? Sie ging zum Polizeirevier. Sie hatte Glück, der Diensthabende war Herr Lapschinsky aus ihrem Haus, und erhörte sich geduldig an, was Emma vorzubringen hatte. Er nickte sogar verständnisvoll, sagte dann aber, da könne man leider gar nichts tun. Ja, wenn das Gerät nicht spielen würde … Verbittert ging Emma nach Hause. Sie hatte keine Freude an ihrem Radio. Sie ließ es Pussy zuliebe den ganzen Tag laufen, doch sie stellte es, außer zur Nachrichtenzeit, so leise, daß sie nichts hören konnte, und starrte stumm aus dem Fenster. In den nächsten Tagen verließ sie ihre Wohnung nicht, und als es klingelte, öffnete sie völlig verwirrt die Tür. Patricia, ihre Großnichte, war gekommen, ihr zum achtundsiebzigsten Geburtstag zu gratulieren; Emma hatte ihn völlig vergessen. Patricia hatte Kuchen und eine Flasche Rotwein mitgebracht. Nach dem zweiten Glas machte Emma ihrem Herzen Luft, sie merkte zu spät, wie entsetzt Patricia sie anstarrte. »Hast du das alles wirklich getan?« fragte Patricia, stand auf, um das schmutzige Geschirr in die Küche zu bringen, und murmelte leise: »Total plemplem, wird Zeit, daß die Alte in ein Heim kommt.« Nicht leise genug, Emma hatte es verstanden, sie nahm den Kuchenteller und warf ihn der Großnichte an den Kopf. »Mach, daß du rauskommst«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme, »und wenn du glaubst, daß du so zu einer Wohnung kommst, hast du dich schwer geirrt.« Patricia schickte ihr am nächsten Tag den Notdienst auf den Hals. Der Arzt, ein junger, freundlicher Mann, untersuchte Emma sorgsam, prüfte Reflexe, Augen, Gehör, ließ sie Fragebogen ausfüllen, Farbkleckse deuten und mit verbundenen Augen auf der Teppichkante entlanglaufen, dann beglückwünschte er sie zu ihrer »blendenden Verfassung«, wie er sagte. »Geben Sie es mir schriftlich«, bat Emma. »Wozu?« »Man kann nie wissen.« Er versprach es, aber natürlich hielt er es nicht, und Emma hatte vergessen, sich seinen Namen zu notieren. Am Dienstag sah sie ein handtellergroßes kreisrundes Loch in der Fensterscheibe der Balkontür. Als sie aufstand, um es aus der Nähe zu betrachten, konnte sie nichts entdecken, nicht einmal die Spur einer Unebenheit im Glas; vom Sessel aus wirkte es wieder wie ein Loch. Vielleicht eine Spiegelung, dachte sie, nur wovon? Und warum hatte sie es noch nie bemerkt, alle Möbel standen seit Jahren auf demselben Fleck. Vielleicht wirst du wirklich plemplem, dachte sie. Am Mittwochmorgen war Pussy verschwunden. Dafür hockte auf der Zentralheizung eine Katze, ein niedliches Tier, gewiß, goldbraun mit weißen Haarspitzen, doch Emma wollte keine Katze, sie wollte Pussy. Sie untersuchte Türen und Fenster, alles fest verschlossen. Wie also konnte Pussy verschwinden, und wie war die Katze hereingekommen? Als Emma frühstückte und ganz in Gedanken das Weiße des...


Gert Prokop, Autor von Kriminalromamen und Science Fiction, Kinderbuchautor. Geboren 1932 in Richtenberg (Vorpommern). Nach dem Abitur Volontär und Redakteursausbildung, später Journalistikstudium. 1967-70 Arbeit im DEFA-Dokumentarfilmstudio Berlin, Gruppe Heynowski & Scheumann.Ab 1971 freischaffender Schriftsteller. Gert Prokop lebte bis zum seinem Selbstmord im Frühjahr 1994 in Berlin.



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