E-Book, Deutsch, 164 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Pröbstl Crashkurs Change Management
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-648-16786-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Transformation erfolgreich gestalten
E-Book, Deutsch, 164 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-16786-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heike Pröbstl verfügt über einen Master of Arts in Business Coaching & Change Management. Sie ist als systemische Beraterin für Organisationsentwicklung und Change Management sowie als Businesscoach und Businesstrainer ausgebildet. Beruflich ist sie in einem internationalen Beratungsunternehmen mit Personalverantwortung tätig und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang unter anderem mit Veränderungsprozessen, Change Management, Organisations- und Kulturentwicklung, Mitarbeiterführung sowie Businesscoaching und in Projektorientierter, oftmals crossfunktionaler Kundenarbeit mit der Gestaltung von Benefits-Konzepten zur Mitarbeiterbindung sowie zur Steigerung des Unternehmensimage im Recruiting und mit der Lösungsentwicklung für betriebswirtschaftliche Problemstellungen.
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2 Das Unternehmen als System
Wer in Unternehmen arbeitet, befindet sich bereits mitten in einem System aus Regeln, Gesetzmäßigkeiten und Abhängigkeiten. Sie laufen häufig unbewusst ab und erscheinen denjenigen, die bereits seit einiger Zeit Beteiligte sind, als typisch beziehungsweise »normal«. Derartige Muster im System zu erkennen und kritisch zu prüfen, ist Basis für das Change Management, um Veränderungen nachvollziehbar und wirkungsvoll anzustoßen.
2.1 Der systemische Blickwinkel – ganzheitliches Denken
Der systemische Ansatz folgt einer ganzheitlichen Sichtweise und geht davon aus, dass ein Unternehmen ein System mit vielen unterschiedlichen und komplexen Beziehungen ist. Er hilft dabei, zu verstehen, wie Systeme funktionieren und was innerhalb dieser abläuft. Im Change Management liegt ein klarer Vorteil darin, dass mit diesem umfassenden Ansatz den geplanten Veränderungsprozessen mehr Tiefe und Wirkmöglichkeit gegeben werden können. Statt einer isolierten Problem- oder Situationsbetrachtung werden alle systemrelevanten Personen und Gruppen sowie ihre Interaktionen und Wechselwirkungen mit- und untereinander analysiert. Sowohl die formale Seite in Form von offiziellen Regelungen als auch die informale Seite mit allen nicht formulierten, dennoch geltenden Erwartungen und Verhaltensweisen werden einbezogen (Kühl, 2011).
Systemrelevant ist dabei jeder und alles, was auf das System des Unternehmens in Bezug auf das Problem und die zu verändernde Situation einwirkt. Dazu gehören der oder die Problemauslöser für die aktuelle Situation sowie weitere Problem- und Lösungsbeteiligte, die bei Weitem nicht immer deckungsgleich sind. Es können alle im Unternehmen tätigen Personen, Kunden, Lieferanten, aber auch Bereiche und Märkte systemrelevant sein. Über eine transparente und zielgerichtete Kommunikation können diese Zusammenhänge sowie die Haltung ihnen gegenüber – Einigkeit oder Ablehnung – verbal oder nonverbal sicht- beziehungsweise hörbar werden. Jedes System spricht seine eigene Sprache und versteht diese auch am besten. Nicht nur aufgrund dessen ist ein Unternehmenssystem immer individuell zu betrachten. Wie es in Firma A funktioniert und die Beteiligten agieren sowie interagieren, kann nicht auf Firma B, C oder D übertragen werden. Und auch innerhalb einer Firma kann es mehrere Sprachgepflogenheiten und Regeln geben. Es gilt somit, zunächst die systemindividuellen Regeln im Detail zu analysieren, wofür Geduld, akribisches Nachfragen und absolute Konzentration erforderlich sind, um sich in einem kurzen Zeitraum, zum Beispiel während eines Gespräches, einen möglichst weit- und tiefgehenden Einblick zu verschaffen, bis das Kernthema aufgespürt ist. Aber auch wie Beteiligte miteinander umgehen, was an ihrer Körpersprache und Mimik beobachtet werden kann, »wer mit wem kann« oder eben nicht, liefert ebenfalls hilfreiche Informationen für das große Bild.
Ein System in Bewegung
Wenn die vorherrschenden Systemregeln nicht beachtet werden, könnten neu hinzukommende Personen wie externe und interne Change-Experten oder Führungskräfte, aber auch deren Vorgehensweisen – wiederum bewusst oder unbewusst – von einem System als Gefahr eingestuft und mindestens zunächst abgelehnt werden. Dies kann sich beispielsweise dadurch zeigen, dass Personen bei Meeting-Einladungen vergessen beziehungsweise bei strategisch wichtigen Themen übergangen werden oder Termine so gelegt sind, dass nicht alle teilnehmen können. Dadurch kann die Umsetzung eines Veränderungsvorhabens auf mehr oder weniger subtile Art und Weise beeinträchtigt, verzögert oder verhindert werden.
Ob Neuankömmling im Unternehmen oder bereits Führungskraft sowie Change-Experten: Im Verborgenen liegende und unterschwellige Gesetzmäßigkeiten des Systems sind oftmals schwer zu erkennen, häufig erschwert durch etablierte Macht- und Angststrukturen – beispielsweise, wenn in einem Unternehmen zur Unterstützung einer Kulturtransformation Personen eingestellt werden, die das neue gewünschte Mindset bereits innehaben und gezielt für diesbezügliche Bewegung im System sorgen und frischen Wind einbringen sollen. Oftmals ist dann Gegenwehr der etablierten Beteiligten vorprogrammiert. Dabei geht es meist um Ängste oder Machterhalt und -ausweitung beziehungsweise die Angst vor Machtverlust. Besonders in einem vorherrschenden System mit ausgeprägter Wertestruktur von Hierarchie, Regeln, Ordnung (Kapitel 1.3, Spiral Dynamics, Mem Blau) kann bereits die Einstellung von Personen mit anderen Denk- und Sichtweisen eine große Herausforderung für das System bedeuten und für Verunsicherung und Unverständnis sorgen. Bezieht man dies im größeren Kontext auf eine Veränderungssituation, kann es eine (unbewusste) Strategie von Personen des etablierten Systems sein, das Alte zu festigen und zu verteidigen, da es vermeintliche Sicherheit gibt. Wenn dann Altbewährtes infrage gestellt wird, beispielsweise bei einer Kulturtransformation, und bisherige Strategien und Vorgehensweisen verändert werden, kann rasch Widerstand entstehen. Dann werden Mauern aufgebaut, diese vehement verteidigt – offensichtlich, verdeckt oder unterschwellig. Bildlich gibt dies ein im Change oft zitiertes chinesisches Sprichwort wieder: »Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.« Hier braucht es Mut und Durchhaltevermögen, um das zugrunde liegende Problem als solches zu erkennen, gegenzusteuern und sich nicht mit Ausflüchten zufriedenzugeben.
Um ein System im positiven Sinne in Bewegung zu bringen, aktiv zu kommunizieren, was für eine erfolgreiche Zukunft dienlich ist und von was man sich trennen möchte, muss dies seitens des Managements und der Führungskräfte bewusst begleitet werden. Vor allem muss in einem übergeordneten Rahmen verständlich erklärt werden, was die Vision und Zielsetzung einer Veränderung bedeuten, beispielsweise bei einer Kulturtransformation das entsprechende Verständnis des Unternehmens und was dies an Neuerungen mit sich bringt. Den Aktivitäten der Systembeteiligten sind auch in den unterschwelligen Handlungen, Verhaltensweisen und der Kommunikation kritische Beachtung zu schenken und bei Notwendigkeit sind klare Zeichen zu setzen. Somit befindet man sich bereits mitten im Change Management. Ein Change-Konzept muss immer auch Antworten hierauf beinhalten. In welcher Art und Weise am besten wirksam agiert und reagiert werden kann, ist abhängig davon, welche Sprache das System (die Beteiligten) spricht und versteht. Dies ist wiederum stark vom vorherrschenden Wertesystem geprägt sowie von den resultierenden Glaubenssätzen, Denk- und Verhaltensweisen abhängig.
Wer trägt die Entscheidungskompetenz?
Wichtig ist auch die Beantwortung der Frage, wer die Entscheidungen in einem Unternehmen beeinflusst. Nicht immer sind es die Personen, die in einem Organigramm ganz oben stehen. Dies kann auch ein ehemaliger Manager sein, der seine Leitungsfunktion zwar abgegeben hat, aber weiterhin als Seniorexperte im Unternehmen arbeitet, oder ein Geschäftsbereichsleiter, der eine enge Verbindung zum Vorstandsvorsitzenden hat und inoffiziell oftmals zurate gezogen wird. Bei internationalen Unternehmen ist zu hinterfragen, wie viel Entscheidungsbefugnis das lokale Management tatsächlich besitzt und wie stark sich der Einfluss der internationalen Geschäftsleitung auswirkt. Ebenso relevant und meist nicht direkt zu erkennen sind alte und neue Seilschaften sowie private Verbindungen. So können Vorstandsvorsitzender, IT- und HR-Leiter eine gemeinsame Vergangenheit haben, am selben Nachwuchsführungsprogramm teilgenommen haben, privat befreundet sein und im regelmäßigen, engen Austausch stehen. All das gilt es zu berücksichtigen, um die Zusammenhänge vollständig zu erfassen und die systemrelevanten Entscheidungstragenden mit ins Boot holen zu können.
Wie können Systemgesetze positiv genutzt werden?
Ein Change-Experte, aber auch das Management und die Führungskräfte können mithilfe der systemischen Sichtweise analysieren, welche Grundhaltungen vorhanden sind. Einige Systemgesetze sind eher einfach zu durchschauen, wie Vertrauens- oder Kontrollkultur, miteinander oder übereinander reden, aus Fehlern lernen oder sie verurteilen, Wissen teilen oder horten. Bereits die Entscheidung, für ein Change-Vorhaben Personen hinzuzuziehen sowie die Personenauswahl an sich bedeuten aus systemischer Sicht einen Eingriff in das System, ebenso jegliches Agieren, Reagieren und Interagieren (Königswieser & Exner, 2019). Schwierig wird es, wenn es um Machtstrukturen und subtile Handlungen und Reaktionen geht, beispielsweise, wenn unterschwellig blockiert oder intrigiert wird, um bisherige Vorgehensweisen aufrechtzuerhalten. All das muss sich jeder Change-Verantwortliche bewusst machen, auch wenn in der Praxis nicht jede Handlung und personelle Entscheidung systemisch vorgeplant durchgeführt...