Pratchett | Die Nomen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Pratchett Die Nomen

Die komplette Saga
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-99079-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die komplette Saga

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

ISBN: 978-3-492-99079-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seit Generationen leben die kleinen Nomen friedlich im Kaufhaus »Arnold Bros«. Die Jahreszeiten Winterschlussverkauf, Frühjahrsmode, Sommerschlussverkauf und Weihnachten kommen und gehen - bis plötzlich andere Nomen auftauchen und von einem geheimnisvollen »Draußen« erzählen. Und als die Parole »Räumungsverkauf« ausgerufen wird, muss schleunigst ein Plan her, um in dieses »Draußen« zu gelangen. Ein Lastwagen scheint die Rettung zu sein - und mit vereinten Kräften schaffen es doch auch Winzlinge, ein solches Gefährt zu steuern, oder?! Aber auch ihr neues Zuhause »Steinbruch« wird bald von den Menschen bedroht. Da hilft nur noch die Rückkehr in ihre wahre Heimat. Doch dafür müssen die Nomen erst das Raumschiff »Schwan« finden, das sie zurück ins All bringen kann, von wo sie einst herkamen.

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind Scheibenweltromane. Jeder achte Deutsche besitzt ein Pratchett-Buch. Bei Piper liegen der erste Scheibenweltroman »Die Farben der Magie« sowie die frühen Bände um Rincewind, Gevatter Tod, die Hexen und die Wachen vor - Meisterwerke, die unter den Fans einhellig als nach wie vor unerreicht gelten. Terry Pratchett erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den »World Fantasy Lifetime Achievement Award« 2010. Zuletzt lebte der Autor in einem Anwesen in Broad Chalke in der Grafschaft Wiltshire, wo er am 12. März 2015 verstarb.
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1


Dies ist die Geschichte der Heimkehr.

Es ist die Geschichte vom Gefährlichen Pfad.

Es ist die Geschichte vom Lastwagen, der durch eine schlafende Stadt donnert, gegen Straßenlaternen stößt, Schaufenster zerschmettert und von der Polizei angehalten wird. Und als die verblüfften Beamten zum Streifenwagen zurückkehrten, um Bericht zu erstatten – Ja, Sie haben richtig gehört: Es sitzt niemand am Steuer! –, wurde daraus die Geschichte des Lastwagens, der wieder den Motor startete, von den verdutzten Männern fortrollte und in der Nacht verschwand.

Aber die Geschichte fand hier kein Ende.

Sie begann auch nicht an dieser Stelle.

Es regnete Stumpfsinnigkeit. Es regnete Kummer. Es handelte sich um jene Art von Regen, der viel zu feucht ist, um einen Regen, der in großen Tropfen fällt und platscht, um einen Regen, der einem senkrechten Meer mit Schlitzen darin gleicht.

Der Regen trommelte auf die alten Hamburger-Schachteln und Pommes-frites-Tüten im Abfallkorb, der Masklin derzeit als Versteck diente.

Beobachten Sie ihn. Er friert. Er ist nass, besorgt und zehn Zentimeter groß.

Normalerweise bot der Müllbehälter ein gutes Jagdrevier, selbst im Winter. Oft enthielten die Tüten noch das eine oder andere Kartoffelstäbchen, manchmal sogar Knochen von einem Hähnchen. Gelegentlich stieß Masklin auf eine Ratte. Über die letzte Ratte hatte er sich sehr gefreut – sie reichte für fast eine Woche. Es gab nur ein Problem: Am dritten Tag konnte man kein Rattenfleisch mehr sehen. Eigentlich blieb einem schon der dritte Bissen im Hals stecken. Masklin starrte zum Parkplatz.

Und dort kam er, pünktlich wie immer, pflügte durch Pfützen und hielt mit zischenden Bremsen.

Seit vier Wochen traf der Laster an jedem Dienstag- und Donnerstagmorgen ein. Masklin wusste auch, wie viel Zeit sich der Fahrer ließ.

Sie hatten genau drei Minuten. Für jemanden, der so klein ist wie ein Nom, entspricht das einer halben Stunde.

Masklin kroch an schmierigem Papier vorbei, sprang unten aus dem Abfallkorb und lief zu den Sträuchern am Rand des Parkplatzes. Dort warteten Grimma und die anderen.

»Er ist da«, sagte er. »Kommt!«

Sie standen auf, ächzten und murrten. Mindestens ein dutzendmal hatte Masklin mit ihnen geübt. Es war sinnlos, sie anzuschreien: Damit verwirrte er sie nur, und dann regten sie sich auf und murrten noch mehr. Sie meckerten immer. Über kalte Pommes frites, selbst wenn Grimma sie aufwärmte. Über Rattenfleisch. Ab und zu dachte Masklin daran, einfach fortzugehen, doch die mahnende Stimme des Gewissens hinderte ihn daran. Die anderen brauchten ihn. Sie benötigten jemanden, über den sie nörgeln konnten.

Aber sie waren zu langsam. Masklin hätte am liebsten geweint.

Stattdessen wandte er sich an Grimma.

»Wir müssen uns beeilen«, drängte er. »Treib sie irgendwie an. Es dauert zu lange!«

Grimma klopfte ihm auf die Hand.

»Sie fürchten sich. Geh du voraus. Wir folgen dir gleich.«

Masklin widersprach nicht – dazu war die Zeit zu knapp. Er eilte durch den Schlamm zum Parkplatz zurück, holte unterwegs Seil und Haken hervor. Eine Woche hatte es gedauert, um den Haken aus einem Stück Zaundraht anzufertigen, und anschließend übte er tagelang. Der Nom holte bereits damit aus, als er das Rad des Lasters erreichte.

Beim zweiten Versuch verfing sich der Haken oben an der Plane. Masklin zog an dem Seil, stützte die Füße an den Reifen ab und zog sich hoch.

Nicht zum ersten Mal begann er mit einer solchen Kletterpartie. Oh, er hatte schon drei oder vier hinter sich. Gekonnt kroch er unter die dicke Plane in eine Welt der Finsternis, rollte noch mehr Seil aus und befestigte es an einem tauartigen Strick, dick wie sein Arm.

Dann schlüpfte er wieder zum Rand und atmete erleichtert auf: Grimma führte die Alten tatsächlich über den Platz. Er hörte, wie sie sich über die Pfützen beklagten.

Masklin sprang ungeduldig auf und ab.

Stunden schienen zu vergehen. Eine Million Mal hatte er es den anderen erklärt, aber als Kinder waren sie nie auf Lastwagen gezogen worden und sahen nicht ein, warum sie jetzt damit anfangen sollten. Oma Morkie bestand darauf, dass alle Männer zur Seite blickten, damit sie ihre Unterröcke nicht sahen. Und der alte Torrit wimmerte so laut, dass Masklin ihn wieder hinabließ; Grimma legte ihm eine Augenbinde an. Nachdem er die ersten heraufgeholt hatte, war es etwas leichter für ihn, denn die anderen halfen ihm am Seil. Trotzdem wurde die Zeit knapp.

Grimma kam als Letzte an die Reihe. Sie war leicht. Eigentlich wog niemand besonders viel – sie bekamen nicht jeden Tag Rattenfleisch.

Erstaunlich, schließlich befanden sich alle an Bord. Masklin hatte ständig nach den Geräuschen von Schritten auf Kies gelauscht, nach dem Knallen der zufallenden Fahrertür, aber nichts dergleichen geschah.

»Na schön«, sagte er und zitterte vor Anstrengung. »Das wär’s. Wenn wir jetzt …«

»Ich habe das Ding fallen lassen«, brummte der alte Torrit. »Das Ding. Ich habe es fallen lassen, verstehst du? Neben dem Rad, als mir Grimma die Augen verband. Hol es, Junge!«

Masklin riss erschrocken die Augen auf, spähte unter der Plane hervor und … Ja, dort lag es, tief unten. Ein winziger schwarzer Würfel auf dem Boden.

Das Ding.

Es ruhte in einer Pfütze, doch das machte dem Ding sicher nichts aus. Es widerstand allem, sogar dem Feuer.

Und dann hörte Masklin, wie der Kies in regelmäßigen Abständen knirschte. Jemand kam.

»Wir haben keine Zeit mehr«, flüsterte er. »Es ist zu spät.«

»Ohne das Ding können wir nicht aufbrechen«, stellte Grimma fest.

»Natürlich können wir das. Es ist doch nur ein – ein Ding. Wir brauchen das verdammte Objekt nicht mehr.«

Masklin bedauerte die Worte sofort und staunte darüber, dass sie ihm über die Lippen gekommen waren. Grimma wirkte entsetzt. Oma Morkie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und zitterte am ganzen Leib.

»Du solltest dich schämen!«, blaffte sie. »Es gehört sich nicht, so etwas zu sagen! Habe ich recht, Torrit?« Sie stieß ihm den spitzen Ellbogen in die Rippen.

»Wenn wir das Ding nicht mitnehmen, bleibe ich hier«, erwiderte Torrit verdrießlich. »Es ist kein …«

»Der Anführer spricht mit dir«, fuhr Oma Morkie fort. »Gehorch ihm gefälligst. Das Ding zurücklassen! Es wäre nicht richtig. Es wäre nicht anständig. Hol es, und zwar sofort.«

Masklin starrte wortlos in den Schlamm hinab, warf verzweifelt das Seil über den Rand und hangelte sich daran nach unten.

Es regnete jetzt stärker, und auch Hagelkörner fielen. Der Wind zerrte an Masklin, als er am großen Rad vorbeifiel, dann in der Pfütze landete. Er bückte sich, griff nach dem Ding …

Und der Lastwagen setzte sich in Bewegung.

Zuerst dröhnte etwas, so laut, dass eine massive Wand des Lärms daraus wurde. Stinkender Qualm wehte Masklin entgegen, und er spürte eine alles erschütternde Vibration.

Ruckartig zog er an dem Seil und rief den Alten zu, sie sollten ihn hochziehen – aber er hörte nicht einmal die eigene Stimme. Doch Grimma oder jemand anders begriff offenbar, worauf es jetzt ankam: Als das riesige Rad losrollte, straffte sich die Leine, und Masklin verlor den Boden unter den Füßen.

Er stieß gegen die Radkappe und prallte ab, schwang hin und her, während man ihn quälend langsam hochzog. Nur wenige Zentimeter trennten ihn vom Reifen, der jetzt ein schwarzer Schatten war, und ständig hämmerte das grässliche Wummern auf ihn ein.

Ich habe keine Angst, dachte er. Dies ist viel schlimmer als alles andere, womit ich jemals fertig werden musste, und ich fürchte mich nicht davor. Etwas so Schreckliches lässt gar keine Furcht zu.

Er fühlte sich wie in einem kleinen warmen Kokon, fern von Wind und Lärm. Ich sterbe, fuhr es ihm durch den Sinn. Ich muss mein Leben für das Ding opfern, das uns nie geholfen hat, nie irgendeinen Nutzen hatte. Ja, jetzt ist es so weit, jetzt komme ich in den Himmel. Torrit hat oft erzählt, was passiert, wenn man stirbt. Ich frage mich, ob er recht hat. Schade, dass man sterben muss, um es herauszufinden. Jahrelang habe ich jeden Abend den Himmel beobachtet, ohne dort oben auch nur einen Nom zu sehen …

Aber es spielte gar keine Rolle. Es betraf Masklin überhaupt nicht mehr. Er schwebte nun in einer anderen Wirklichkeit …

Hände streckten sich ihm entgegen, fassten ihn unter den Armen, zogen ihn unter die knatternde Plane, lösten ihm mühsam das Ding aus den verkrampften Fingern.

Hinter dem schneller werdenden Lastwagen senkten sich neue Regenvorhänge auf weite Felder herab.

Und im ganzen Land gab es keine Nomen mehr.

Es hatte viel mehr gegeben, damals, als es nicht so häufig regnete. Masklin erinnerte sich an mindestens vierzig. Doch dann kam die Autobahn: Der Bach wurde durch Rohre geleitet, die nächsten Hecken wurden mit den Wurzeln ausgegraben und entfernt. Die Nomen hatten immer in den Ecken der Welt gelebt, und plötzlich bekamen solche Ecken Seltenheitswert.

Immer weniger Nomen blieben übrig. Das lag zum größten Teil an natürlichen Ursachen, und wenn man nur zehn Zentimeter groß ist, haben »natürliche Ursachen« meistens Zähne und Hunger. Eines Nachts führte der besonders abenteuerlustige Pyrrince eine...


Pratchett, Terry
Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind Scheibenweltromane. Jeder achte Deutsche besitzt ein Pratchett-Buch. Bei Piper liegen der erste Scheibenweltroman »Die Farben der Magie«sowie die frühen Bände um Rincewind, Gevatter Tod, die Hexen und die Wachen vor – Meisterwerke, die unter den Fans einhellig als nach wie vor unerreicht gelten. Terry Pratchett erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den »World Fantasy Lifetime Achievement Award« 2010. Zuletzt lebte der Autor in einem Anwesen in Broad Chalke in der Grafschaft Wiltshire, wo er am 12. März 2015 verstarb.

Brandhorst, Andreas
Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, schrieb mit seinen futuristischen Thrillern und Science-Fiction-Romanen wie »Das Schiff« und »Omni« zahlreiche Bestseller. Spektakuläre Zukunftsvisionen sind sein Markenzeichen. Der SPIEGEL-Bestseller »Das Erwachen« widmet sich dem Thema Künstliche Intelligenz. Sein aktueller Wissenschaftsthriller »Ewiges Leben« zeigt Chancen und Gefahren der Gentechnik auf.



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