Pradas | Die Kleidermacherin | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Pradas Die Kleidermacherin

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-20046-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-641-20046-6
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Barcelona, 1917. Die hübsche Laia tritt eine Anstellung als Verkäuferin im Textilgeschäft Santa Eulalia an, in dem ihre Mutter als Näherin arbeitet. Laia ist von den luxuriösen Stoffen und schönen Kleidern fasziniert - und von der eleganten Roser. Diese will aus dem traditionsreichen Unternehmen ihrer Familie das erste moderne Modehaus Spaniens machen. Allen sozialen Gegensätzen zum Trotz freundet Laia sich mit der privilegierten Roser an. Doch dann tritt der charismatische Ferrán in ihr Leben - eine Begegnung, die das Leben beider Frauen für immer verändert ...

Núria Pradas stammt aus Barcelona. Sie arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. 'Die Kleidermacherin' ist eine Hommage an ihre Stadt, deren jüngere Geschichte sie zu neuem Leben erweckt. Der Roman entstand in engem Austausch mit dem luxuriösen Modehaus Santa Eulalia in Barcelona, das 1843 gegründet wurde.
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1

CAMPRODON,
FRÜHLING 1926

Es war ein sonniger Nachmittag, an dem nicht ein einziger Windhauch wehte. Die Luft duftete nach Frühling. Das Automobil, ein nagelneuer gelber Boattail, fuhr eine von Ulmen gesäumte Straße entlang. Sie hatten eben Sant Pau de Segúries hinter sich gelassen und näherten sich nun Camprodon. Ferran saß am Steuer und blickte konzentriert auf die Straße, während Roser, seine Frau, die vorbeisausenden Bäume vom Beifahrersitz aus betrachtete. Ihre riesigen Augen waren unter dem eng anliegenden Glockenhut kaum zu sehen.

Plötzlich funkelte ein Sonnenstrahl zwischen den Bäumen, und ein völlig neues Licht erhellte den Blick der jungen Frau. Sie sah hinüber zu ihrem Mann und lächelte, während sie die Hand auf seiner Schulter ruhen ließ. Ferran spürte ihren Blick, strich ihr zärtlich über die behandschuhten Finger und schenkte ihr sein schönstes Lächeln, ohne dabei die kurvenreiche Straße aus den Augen zu lassen. Der Augenblick währte nur ein paar Sekunden, aber in diesen vergaßen Ferran und Roser all die finsteren Gedanken, die sie zuvor so bedrückt hatten.

Das Ehepaar Ferran Clos und Roser Molins stand in enger Verbindung zu einem der renommiertesten Modehäuser in Barcelona: Santa Eulalia. Roser war die Tochter von Antoni Molins Gil, der das Geschäft bis zu seinem Tod im Jahr 1917 geführt hatte, und die Schwester des gegenwärtigen Besitzers, Andreu Molins Ros. Ferran Clos hatte 1918 unter etwas ungewöhnlichen Umständen bei Santa Eulalia zu arbeiten begonnen. Zunächst war er ein einfacher Angestellter in der Abteilung für Herrenbekleidung gewesen, aber bald hatte der junge Direktor Andreu Molins sein Talent fürs Zeichnen, sein Gespür für Farben und sein Auge für Texturen entdeckt. Ferran Clos hatte sich perfekt als neues Rädchen in das Getriebe von Santa Eulalia eingefügt, und Andreu Molins war froh, auf sein Potenzial zurückgreifen zu können, das so wunderbar zu seinen Expansionsplänen passte. So war ein unzertrennliches Duo entstanden, welches das Modegeschäft in sein goldenes Zeitalter geführt hatte. Dank des klaren Verstandes von Andreu Molins, einem weitsichtigen und effizienten Unternehmer, und der sprühenden Kreativität von Ferran Clos hatte sich das einst so bescheidene Bekleidungsgeschäft bald einen Namen in der Modewelt von Barcelona gemacht.

Abgesehen von seiner anspruchsvollen Arbeit, der all seine Leidenschaft galt, hielt Santa Eulalia für Ferran ein unerwartetes Geschenk bereit, nämlich Roser. Als er sie kennenlernte, war sie achtzehn Jahre alt, ein groß gewachsenes blondes Mädchen. Roser hatte einen schneeweißen Teint, eine edle Nase, feine Lippen, die sich nur selten zu einem Lachen verzogen, und riesige dunkle Augen. Auf den ersten Blick wirkte ihr ernstes Gesicht ein wenig melancholisch. Wer sie besser kannte, wusste jedoch, dass ihre Augen sprühen und ihre Lippen in verführerischer Unschuld lachen konnten. Außerdem hatte sie eine hervorragende Bildung genossen und war zu einer jungen Dame mit bemerkenswerter Ausstrahlung herangewachsen. Sie konnte nahezu jeder Unterhaltung folgen und auch etwas dazu beitragen, schließlich hatte sie nicht umsonst eine der besten kirchlichen Schulen für junge Fräulein in der Stadt besucht. Hinzu kam eine angeborene Eleganz, die Roser zu eigen war, und so richteten sich alle Blicke auf sie, wenn sie im Opernhaus Liceu am Arm ihres Vaters oder Bruders die große Freitreppe hinunterschritt. Ferran verliebte sich in sie, wie er sich in alle schönen Mädchen verliebte, die ihm über den Weg liefen. Aber bei Roser schwang noch etwas anderes mit. Er wusste, sie würde ihm Halt geben und seinem teils recht stürmischen, zu Exzessen neigenden Leben Beständigkeit verleihen. Sie heirateten am 18. Mai 1921 in Sant Pau del C er war damals fünfundzwanzig und sie einundzwanzig Jahre alt. Niemand würde bestreiten, dass sich Ferran seine Position bei Santa Eulalia durch Talent und Schweiß hart erarbeitet hatte. Durch seine Ehe mit Roser ging er jedoch auch eine ersehnte Verbindung mit einer der bekanntesten Familien der Stadt ein. Nun gehörte er voll und ganz zur Firma dazu, und es lag ohne jeden Zweifel eine vielversprechende Zukunft vor ihm. Somit erreichte er eines der Ziele, die er sich insgeheim gesetzt hatte, als er im Winter 1918 mit nicht mehr als einem Empfehlungsschreiben von seinem Vater, Dr. Clos, in Barcelona und Santa Eulalia eingetroffen war.

Bevor allerdings an jenem wunderschönen Morgen im Mai die Hochzeit gefeiert werden konnte, warteten auf sie Verrat, Geheimnisse und Lügen.

Und Schmerz.

Unendlicher Schmerz.

Wieder betrachtete Roser die Bäume. Wie rasch sie vor ihren Augen vorbeihuschten! Ihr wurde beinahe schwindelig von dem Anblick, der ihr in Erinnerung rief, in welchem Tempo die fünf Jahre ihrer Ehe mit Ferran vorbeigeflogen waren. Leider auf ganz andere Art und Weise, als sie es sich erhofft hatte. Jedermann hatte ihnen eine glänzende Zukunft vorhergesagt, und es stimmte schon, dass sie sich über das Leben an der Seite ihres Mannes kaum beklagen konnte. Ob Reisen oder Feste – ihr wurde alles zu Füßen gelegt, bevor sie auch nur darum bitten musste. Dies war das Leben, von dem sie immer geträumt hatte, für das man sie erzogen hatte. Dennoch war sie nicht glücklich.

Für Roser war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie Ferran damals im Modehaus ihrer Eltern über den Weg gelaufen war. Der junge Mann hatte vor Gefälligkeit, Selbstsicherheit und Vitalität nur so gesprüht. Er war nicht sehr groß, aber stattlich und trug das hellbraune Haar mit Pomade zurückgekämmt. Auf seinen Lippen lag fast immer ein Lächeln, so verschmitzt wie der Blick aus seinen kleinen, lebhaften Augen, die sie an Murmeln erinnerten, durchsichtig mit einem Farbtupfer in der Mitte. Er kleidete sich äußerst sorgfältig und achtete generell auf sein Äußeres. Roser mochte es, wie sein zurechtgestutzter Schnurrbart sie kitzelte, wenn er sie küsste. Und wie er sie damals geküsst hatte! Aber diese Tage schienen so lange zurückzuliegen, jene Zeit des Werbens, als er ihr die schönsten Worte zugeflüstert hatte, die man je zu ihr gesagt hatte. Damals hatte er ihr Woche für Woche sehnsuchtsvolle Briefe geschickt, voller Worte, die man nicht aussprechen, sondern nur aufschreiben durfte.

Das war für Roser die glücklichste Zeit ihres Lebens gewesen. Oh ja, damals war jeder Tag einem Freudentag gleichgekommen.

Es waren lichterfüllte Tage voller Hoffnung gewesen, bevor eine Zeit voller Einsamkeit und Flucht vor all den Verdächtigungen anbrach.

So vielen Verdächtigungen!

Schon vor ihrer Hochzeit waren Wolken aufgezogen, aber damals wagte Roser wenigstens noch zu hoffen. Vielleicht war sie auch einfach naiver. Sie dachte nämlich, nach der Trauung könnte sie die unbeständige Bestie bändigen, die Ferran in sich zu tragen schien. Aber da lag sie falsch, das Biest war unbezähmbar. Hinter Ferrans gewinnender und charmanter Fassade verbarg sich ein Frauenheld – ein wahrer Egoist, dessen Verantwortungslosigkeit keine Grenzen kannte, auch wenn er sich stets bezaubernd und unwiderstehlich gab. Nach und nach wurden die Verdächtigungen zu Gewissheiten, und das Glück bekam erste Risse. Ferran beteuerte zwar immer wieder, dass er sie liebte, und so war es auch wirklich. Aber sein Herz gehörte eben nicht ihr allein!

Roser hoffte, dass bald Kinder die zerbrechliche Bindung zwischen ihnen stärken würden, aber der ersehnte Nachwuchs blieb aus. Seine Abwesenheit legte sich auf ihre Brust wie ein dunkler Schatten und nahm ihr die Luft zum Atmen.

Am Anfang war ihre Kinderlosigkeit nur ein weiterer Rückschlag. Roser war dazu erzogen worden, repräsentative Pflichten in der Gesellschaft wahrzunehmen. Und so zeigte sie ihre Enttäuschung nicht in der Öffentlichkeit, sondern schützte eine Ruhe und Charakterstärke vor, über die sie in Wirklichkeit nicht verfügte. Sie ging auf Feiern, lachte, tanzte und tröstete sich mit dem Gedanken, dass ihr Mann und sie ja noch jung waren, dass sie alle Zeit der Welt hatten, um Eltern zu werden.

Trotzdem wuchs mit jedem Monat die Traurigkeit in ihr, und schon bald wusste sie sich nicht mehr zu trösten. Mehr noch, die dumpfe Wut, die ihre Seele erfüllte, drohte all ihre Träume zu zerstören.

Im Laufe der Zeit verwandelte sich die Enttäuschung in Besessenheit. Der Schmerz war so groß und hatte sich so dauerhaft in ihr eingenistet, dass sie ihn nicht länger verstecken konnte. Deshalb hielt sie es für nötig, mit Ferran darüber zu sprechen.

»Wir werden mit Sicherheit Eltern, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, meine Liebe. Daran zweifle ich nicht einen Moment. Du musst eben Vertrauen haben, gräm dich nicht länger.«

Aber Ferrans Worte erreichten Roser nicht, und sie versank weiter in ihrem Schmerz. Die Sehnsucht nach alten Zeiten und die Enttäuschung über ihr Leben wuchsen gleichermaßen.

Ferran hingegen vergaß die Sorge seiner jungen Frau augenblicklich wieder. Er wollte zwar durchaus Vater werden, aber dieser Wunsch war in seinem Leben nur zweitrangig. Schließlich gab es so viel anderes, was ihn gefangen nahm – Geheimnisse, Liebe, Arbeit, Projekte …

Ja, Projekte! Andreus und Ferrans gemeinsame Projekte! Die beiden verwandelten Santa Eulalia, das traditionsreiche Bekleidungsgeschäft an der Pla de la Boqueria, in ein modernes Unternehmen. Inspiriert von den allerneuesten Trends aus Paris, würden sie bald die Haute Couture in Barcelona einführen. Besonders wichtig war Ferran dabei sein neuestes Vorhaben. Roser würde niemals sein Gesicht vergessen, als er ihr davon erzählt hatte.

»Wir möchten zum ersten Mal unsere eigene Kollektion...


Pradas, Núria
Núria Pradas stammt aus Barcelona. Sie arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. »Die Kleidermacherin« ist eine Hommage an ihre Stadt, deren jüngere Geschichte sie zu neuem Leben erweckt. Der Roman entstand in engem Austausch mit dem luxuriösen Modehaus Santa Eulalia in Barcelona, das 1843 gegründet wurde.



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