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E-Book, Deutsch, Band 3, 448 Seiten
Reihe: Erebos
Poznanski Erebos 3
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7320-2628-9
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im SPIEGEL #1-Bestseller von Erfolgsautorin Ursula Poznanski ist Erebos stärker denn je!
E-Book, Deutsch, Band 3, 448 Seiten
Reihe: Erebos
ISBN: 978-3-7320-2628-9
Verlag: Loewe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ursula Poznanski ist eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Jugendbuchautorinnen. Ihr Debüt Erebos, erschienen 2010, erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis) und machte die Autorin international bekannt. Inzwischen schreibt sie auch Thriller für Erwachsene, die genauso regelmäßig auf den Bestsellerlisten zu finden sind wie ihre Jugendbücher. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. Mehr über die Autorin unter ursula-poznanski.de.
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»Willkommen zurück, Sarius.«
Ein Scherz, das musste ein Scherz sein. Es kam keinesfalls infrage, dass das Spiel ein drittes Mal sein Leben auf den Kopf stellte. »Sehr witzig«, sagte er mit belegter Stimme.
»Du freust dich? Umso besser. Wir haben diesmal etwas ganz Besonderes für dich vorbereitet.«
Das Foto des Teichs, das er auf dem Bildschirm geöffnet hatte, verdunkelte sich und zerfloss zu einer dunklen Landschaft. Augen leuchteten in den Büschen auf, dann bewegte das Bild sich weiter, durch einen Wald auf eine Schlucht zu.
Felswände aus schroffem schwarzen Stein. In Nebel gehüllte Bäume. Ein kleines Lagerfeuer, kurz vor dem Erlöschen.
Nick fühlte, wie sein Puls sich beschleunigte. Er kannte den Ort, und er hatte gehofft, ihn nie wieder sehen zu müssen. Dort hatte er, als er noch Schüler gewesen war, ein Gespräch mit einem Toten geführt.
Weiter ging es durch die Schlucht, über einen schmalen Fluss hinweg zum Eingang einer Höhle. »Nein«, hörte Nick sich sagen. »Ich mache diesmal nicht mit, okay?« Schon beim letzten Mal hatte sich die Rückkehr des Spiels durch Sabotage an seinen Fotos angekündigt. Damals hatte er gezwungenermaßen nachgegeben, hatte sich wieder in die Welt hineinziehen lassen.
Diesmal würde er das nicht tun.
Mit einem Ruck trennte er den Kartenleser von der Schnittstelle, um seine Fotos zu retten, und in der Hoffnung, dass dann einfach seine Desktopansicht erscheinen würde.
Was nicht passierte. Vor ihm öffnete sich jetzt die Höhle, beleuchtet von Fackeln in eisernen Halterungen. Ein riesiger dunkelgrüner Skorpion wurde sichtbar, verschwand aber sofort in einem der Seitengänge.
Nick schloss einige Sekunden lang die Augen. Das Spiel saß also wieder in seinem Computer. War vielleicht nie verschwunden gewesen, sondern hatte nur geschlafen und darauf gewartet, dass irgendein Impuls es erneut zurück ins Leben rief.
Hektisch tastete er nach seinem Smartphone und überprüfte die Apps. Hoffentlich hatte das Spiel sich nicht auch wieder auf sein Handy gestohlen, wie beim letzten Mal. Er wischte hin und her, auf der Suche nach dem roten Icon. Dem E, das für Erebos stand.
Doch davon war nichts zu sehen. Wenigstens ein gutes Zeichen. Im besten Fall hatte ein Bruchstück des Spiels irgendwo in den Tiefen von Nicks Dateien überlebt, war nun kurz an die Oberfläche geschwemmt worden, um Hallo zu sagen, und würde gleich wieder verschwinden.
Keine Spur mehr von dem Skorpion. Die Höhle lag verlassen da. Nick klickte auf die Mauern, den Steinboden, auf eine der Fackeln in ihrer eisernen Wandhalterung. Sie erlosch, und die restlichen fünf folgten, eine nach der anderen, bis nur noch Schwärze den Bildschirm füllte. Schwärze, die anhielt, als wäre das ganze System abgestürzt.
Nichts davon war neu für Nick. Ohne große Hoffnung hämmerte er auf die Escape-Taste ein, und als das nichts half, griff er nach seinem Headset und aktivierte die Bluetooth-Verbindung. Rückte das Mikrofon zurecht. »Was willst du, zum Teufel?«, fragte er in die Stille hinein.
»Zum Teufel. Teufel. Teufel«, hörte er sein eigenes Echo, seine eigene Stimme, mit jeder Wiederholung tiefer und verzerrter.
Gleichzeitig setzte ein Geräusch ein, ein Ticken wie von einer riesigen Uhr. Nick lauschte, erfüllt von einem Gefühl der Hilflosigkeit. Er hatte, kurz nachdem er zuletzt in die Machenschaften des Spiels hineingezogen worden war, einen neuen Rechner gekauft. Und natürlich die Daten des alten darauf übertragen. Dabei mussten auch Reste der Spieldateien mitgewandert sein, die jetzt zu neuem Leben erwachten. Was für ein bescheuerter Fehler.
Was, ganz gegen Nicks Willen, ebenfalls neu erwachte, war ein leichtes Prickeln in seinem Rücken, fast wie Vorfreude. Obwohl er genau wusste, wie rücksichtslos das Spiel mit denen umsprang, die es in seinen Klauen hielt. Wie kaltblütig es Menschenleben riskierte.
Aber das Erlebnis, die Welt, in die man eintauchte, das unvergleichliche Gefühl, ein Rätsel gelöst oder einen Kampf gewonnen zu haben– in keinem anderen Spiel hatte Nick das so empfunden wie in diesem.
Du Idiot, beschimpfte er sich selbst. Als ob du nicht mehr wüsstest, dass der Preis dafür immer zu hoch gewesen ist.
Die Schwärze auf dem Monitor begann nun, im Takt der tickenden Uhr zu pulsieren, und rote Buchstaben formten sich im Dunkel.
Dies ist Erebos.
»Ich weiß«, sagte Nick. »Ich weiß.«
Ein einzelner, halb verfallener Turm auf einem Hügel. Rundherum schiefe Steinhäuschen, hinter deren Fenstern Kerzenlicht flackert.
Und da, in der Mitte des Wegs, steht Sarius, der Dunkelelf, Nicks vertraute Spielfigur. Ein fahler, beinahe voller Mond lässt sein helles Haar so silbrig schimmern wie die Klinge einer Waffe.
Gutes Stichwort. Sarius sieht an sich hinunter. Das Schwert, das er am Gürtel trägt, ist neu, ebenso wie seine Stiefel und sein Brustharnisch, auf dem sich leuchtende Symbole bilden und wieder verschwinden, als würde eine unsichtbare Hand sie zeichnen.
»Ich will nicht«, hört er sich selbst sagen, in der hellen, klaren Elfenstimme, die der von Nick Dunmore kaum ähnelt. »Ich will nicht noch mal, verstanden? Ich habe wirklich andere Dinge zu tun.«
Keine Antwort. Nur der Ruf einer Eule aus dem nahe gelegenen Wald.
Sarius blickt sich um. Zu seiner Überraschung hat die Umgebung etwas Behagliches. Als würden nächtliche Wanderer in dieser Siedlung willkommen geheißen werden.
Einige Momente lang erlaubt er sich die Vorstellung, dass Erebos diesmal vielleicht wirklich nur spielen will. Dass es eine gute Idee sein könnte, den Turm, das Dorf und den Wald ein wenig zu erforschen– einfach nur so, als Zeitvertreib, der keine Folgen im wahren Leben nach sich ziehen wird.
Doch dann hört er in der Ferne Hufgetrappel, das rasch lauter wird, und er ahnt, wer sich da nähert.
Das Pferd, das auf Sarius zugaloppiert, ist schwarz gepanzert, der Reiter hat sich in den Steigbügeln aufgerichtet und über den Hals des Tieres gebeugt. Bereits jetzt sieht Sarius, wie es gelb unter der Kapuze hervorschimmert, und würde am liebsten davonlaufen.
Nur dass er nicht schnell genug wäre; außerdem scheinen seine Beine ihm nicht mehr zu gehorchen. Also harrt er aus, blickt dem Boten entgegen, der jetzt, nur wenige Meter entfernt, sein Pferd zügelt.
»Willkommen zurück, Sarius.« Er hebt eine knochige Hand zum Gruß. »Mein alter Freund.«
»Oh nein, das ist ein Irrtum.« Immer noch kann Sarius sich nicht fortbewegen. Steht trotz aller Bemühungen wie festgenagelt da. »Wir sind keine Freunde, ich wollte nicht herkommen, und ich will nicht wieder in deine Angelegenheiten verwickelt werden.«
Der Bote lächelt sein furchterregendes Lächeln. Zieht seine papierdünnen Lippen hinter die Zähne zurück. »Du weißt doch aber noch nicht, worum es geht.«
»Das ist mir egal. Und du würdest es mir ohnehin nicht sagen.«
Das Lachen des Boten gleicht dem Kreischen eines angreifenden Raubvogels. »Da hast du recht, Sarius. Siehst du, wir kennen einander gut. Deshalb habe ich dich zu mir gerufen. Weil ich um deine Stärken weiß. Und weiß, wozu du fähig bist.«
Das konnte man so oder so verstehen. Aber egal. Seine Antwort würde in beiden Fällen gleich ausfallen. »Ich möchte nicht. Ich habe keine Zeit und andere Probleme.«
»Du würdest es bereuen. Etwas Großes steht bevor.« Der Bote sagt es leichthin, und zu Sarius’ Erstaunen liegt keine direkte Drohung in seiner Stimme. Es klingt eher… mitfühlend.
»Das lass meine Sorge sein.« Damit versucht Sarius wieder, sich umzuwenden und zu gehen, aber das klappt immer noch nicht, verdammt. Er blickt erneut zu dem Boten hoch. »Du kannst mich also hier festhalten, schön. Aber du weißt sicher auch, dass ich dich theoretisch ganz leicht verschwinden lassen könnte. Ich muss nur einen Stecker aus der Wand ziehen, und schon bist du fort.«
Wieder lacht der Bote. »Ja. Aus deinem Blickfeld. Nicht aus deinem Leben.«
Er pfeift, hebt die Hand, und aus den Baumwipfeln des Waldes löst sich ein schwarzer Schatten, der auf den Boten zufliegt. Sich auf seiner Schulter niederlässt.
»Er war dein, jetzt ist er mein.« Wieder dieser mitleidige Ton.
Das Tier, das jetzt seinen Schnabel an der Wange des Boten reibt, ist ein Rabe. Nicht irgendeiner, sondern Nicks Rabe. Flox, der gestohlene Glücksbringer, hat die Seiten gewechselt und sieht Sarius aus riesigen Kulleraugen an. Nur dass die nicht mehr schwarz sind, wie bisher, sondern so gelb wie die seines neuen Herrn und damit bedeutend weniger niedlich.
»Wir wollen dich nicht unter Druck setzen, Sarius«, sagt der Bote sanft. »Aber es wird der Tag kommen, an dem du wünschen wirst, du hättest heute Ja gesagt.«
Sarius kämpft seine aufsteigende Wut nieder. »Ich fürchte, da irrst du dich.«
»Glaube mir, das tue ich nicht. Im Unterschied zu dir weiß ich beispielsweise, in wessen Besitz sich einige Dinge befinden, die du vermisst.« Er streicht über das glänzende Gefieder des Raben. »Manche Verluste ziehen ungeahnte Folgen nach sich. Du solltest das nicht unterschätzen.«
Damit ist eines klar: Der Rucksack ist nicht zufällig geklaut worden. Jemand hat einen Auftrag bekommen, wie das so üblich ist bei Erebos: Erledige eine Aufgabe in der realen Welt und erhalte eine Belohnung oder ein Level. Es muss also jemand gezielt auf eine Gelegenheit gewartet und ihn verfolgt haben. Vielleicht schon seit Tagen. Sarius schluckt seine aufsteigende Wut hinunter. Versucht sich noch einmal zu erinnern, was er in dem Rucksack bei sich gehabt hat.
Nichts Wertvolles und auch nichts,...