E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Post Durchs Feuer gehen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-910918-05-4
Verlag: Polar Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-910918-05-4
Verlag: Polar Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Für Judah Cannon ist das Leben nicht einfacher geworden. Er hat den hitzigen Showdown zwischen seinem Vater, der tyrannischen Pfingstpredigerin Schwester Tulah und dem geächteten Motorradclub Scorpions überlebt. Doch jetzt stehen Judah und Ramey neuen und gefährlicheren Gegnern gegenüber. Beim Versuch, die Cannon-Familie aus dem Verbrecherring zu befreien, gerät Judah ins Visier von Everett Weaver, einem kaltblütigen Killer und Drogenschmuggler in Daytona Beach. Bedroht von Weaver und belastet mit Schuldgefühlen wegen seines jüngeren Bruders Benji, ist Judah gezwungen, sich zu entscheiden. Unterdessen trifft Special Agent Clive Grant in der Stadt ein, der vom ATF-Hauptquartier in Atlanta geschickt wurde, um den Brand in der Kirche von Schwester Tulah zu untersuchen. Clive, der sich beweisen will, ist besessen von Tulah und ihrem eisernen Griff um Bradford County. Er ist entschlossen, sie zu Fall zu bringen. Bald geraten die Cannons in ein zunehmend verworrenes Netz aus Gewalt, Lügen und Vergeltung.
Steph Post ist Autorin der Romane Miraculum, LIGHTWOOD, DURCHS FEUER GEHEN, Holding Smoke und A Tree Born Crooked. Sie absolvierte das Davidson College als Empfängerin des Patricia Cornwell-Stipendiums und hat einen Master-Abschluss in Graduate Liberal Studies der UNCW. Ihre Arbeiten waren zuletzt in Garden & Gun, Saw Palm und Stephen Kings Contemporary Classics zu sehen. Sie wurde für einen Pushcart Prize und einen Rhysling Award nominiert. Sie war Halbfinalistin für den Big Moose Prize. Steph Post lebt in Florida.
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1
Ramey schloss die Augen, lehnte sich gegen das Glas zurück und wünschte sich einen Moment lang, alles würde verschwinden. Die von der Sonne aufgeheizte Windschutzscheibe brannte an ihren Schulterblättern und den nackten Oberarmen. Sie drückte ihre Handflächen gegen die flirrende Kühlerhaube des silbernen Cadillacs und verlor sich in dem fiebrigen Gefühl. Das Brennen war wie ein verschwitzter Juckreiz, den sie endlich kratzen konnte. Um sie herum bewegte sich kein Windhauch und die spätabendliche Stille des Schrottplatzes war gleichermaßen erstickend und beruhigend. Ramey öffnete träge ihre Augen, schaute auf das unfassbar tiefe und kühle Kobaltblau des Himmels, so weit weg von den Stapeln zerquetschter, Hitze abstrahlender Autos, die sie umgaben, und seufzte. »Lesser, ich weiß, dass du da bist. Was willst du?« Ramey setzte sich auf und rieb ihre Hände über die Oberschenkel ihrer Jeans. Sie rutschte an den Rand der Kühlerhaube des Cadillacs und wickelte ihr langes, rotbraunes Haar um ihr Handgelenk. Sie verdrillte es und zog es hoch, aus dem Nacken, während sie darauf wartete, dass der verlegene Siebzehnjährige hinter einem Stapel Sperrholzpaletten hervorkam. »’tschuldige. Ich wollte mich nicht an dich ranschleichen. Aber das hab ich wohl trotzdem, ne?« Lesser grinste, senkte dann aber schnell den Blick, als er sein strähniges blondes Haar hinter die gepiercten Ohren strich. »Ich weiß, dass du manchmal hier rauskommst, um deine Ruhe zu haben. Vor mir, schätze ich. Oder Benji und seinen Launen. Ich schwör’, ich hab dir nicht hinterherspioniert.« Den Blick nach wie vor gesenkt, stieß Lesser mit der Spitze seines dreckigen Converse Sneakers gegen ein Stück Gummischlauch. Ramey wartete, bis er wieder zu ihr aufsah und zuckte dann erwartungsvoll mit den Schultern. »Lesser. Was willst du?« »Oh, entschuldige. Judah ist hier. Er ist zurück. Gerade reingekommen. Er ist oben in der Werkstatt. Sagte, er will mit dir reden.« Lesser hob den Kopf und lächelte sie an, bevor er seine Hände in die Taschen rammte und auf dem Absatz kehrtmachte. Ramey versuchte, nicht zu lachen, als sie ihm einen Dank nachrief. Lesser arbeitete seit fast zwei Monaten bei Cannon Salvage, war aber nach wie vor total verklemmt, wenn er mit ihr allein war. Aber er war ein guter Junge. Er hatte die Highschool abgebrochen, das stimmte, aber er war ein halbwegs anständiger Mechaniker und Ramey hätte nicht gewusst, wie sie ohne ihn klargekommen wären. Sie sah sich ein letztes Mal in ihrer kleinen, abgeschiedenen Nische um, die sie sich in einer hinteren Ecke des Platzes eingerichtet hatte, und kehrte dann zur Werkstatt zurück. Als sie aus dem Gewirr von ausgeschlachteten Autowracks und Haufen von verdrehtem Metallschrott und Müll herauskam, sah sie Benji, der sich endlich aus dem durchgesackten Aluminium-Gartenstuhl gehievt hatte, in dem er sich früh am Morgen niedergelassen hatte. Vermutlich hatte es etwas damit zu tun, dass Judah zurück war, schätzte sie. Er lehnte unbeholfen an der Stoßstange eines türkisfarbenen Firebird, eine Krücke unter den Arm gerammt, die andere im öligen Kies zu seinen Füßen. Benji sah zu ihr auf, als er den Öldeckel abschraubte, und sie konnte sehen, dass sein Blick unter den blonden Ponyfransen abwesend und glasig war. Ramey hob im Vorbeigehen die heruntergefallene Krücke auf und lehnte sie gegen den eingedellten Kotflügel des Wagens. Benji knurrte nur. Sie trat durch eines der großen Rolltore in den kühlen Schatten der Doppelgarage. Judah stand mit dem Rücken zu ihr und starrte auf das Papierchaos, das ausgebreitet auf dem Metallschreibtisch in der Ecke lag. Ramey verschränkte die Arme und lehnte sich an einen Stahlschrank direkt neben dem Tor. »Willst du es mal versuchen? Macht jede Menge Spaß, glaub mir.« Judah stach in einen Haufen gewellter, gelber Notizblöcke und drehte sich dann um. »Machst du Witze?« Ramey hob eine Augenbraue und grinste ihn an. »Ach, komm. Es sind doch nur Sherwoods verdrehte Konten und die frisierte Buchhaltung eines ganzen Lebens. Jede Transaktion mit lediglich dreißig Schritten verschleiert, um sicherzustellen, dass sie nach der Wäsche alle sauber sind.« Judahs Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. In seinen grauen Augen blitzte ein Funken auf, als er durch die Werkstatt zu ihr herüberkam. »Na, dann ist es ja gut, dass ich dich in meinem Leben habe, Ramey Barrow. Du bist die Einzige hier, die klug genug ist, um das alles irgendwie zu durchschauen.« »Ist das der einzige Grund, warum du mich in deinem Leben haben möchtest?« Judah legte den Arm um ihre Taille und beugte sich vor. »Einer davon.« Er küsste ihr Schlüsselbein und Ramey legte die Hände um seinen Nacken und vergrub die Finger in seinem dunklen Haar. Judah brauchte einen Haarschnitt. Er brauchte ständig einen neuen Haarschnitt. Sie lehnte ihren Kopf gegen seinen, als er über ihre Schulter auf den Schrottplatz schaute. »Wie geht es ihm heute?« Ramey wusste, dass er Benji meinte. Judah legte seine Hand an ihre Hüfte und an der Art, wie er seinen Körper bewegte, spürte sie seine Anspannung. Doch in seiner zusammengesackten Haltung und den schlappen Fingern lag auch eine gewisse Müdigkeit. Genau wie in der Art, wie sein Kinn an ihrer Schulter ruhte, als er Cannon Salvage betrachtete, die Fassade des kriminellen Unternehmens, dem er so verzweifelt hatte entkommen wollen, doch zu dem er jetzt durch die Hintertür zurückgekehrt war, wie eine Schlange, die ihren eigenen Schwanz frisst. Judah schien davon nicht freizukommen. Rameys einzige Hoffnung war, dass er das immer noch wollte. »Unverändert. Ich bin mit meinem Kram aus dem Büro in die Werkstatt umgezogen, damit ich ein Auge auf ihn haben kann.« »Und wie viele Pillen, was meinst du?« Judah löste sich von ihr, sein Blick haftete weiter an seinem jüngeren Bruder. Ramey schüttelte den Kopf. »Wenn ich das, zum Teufel, wüsste. Er ist jetzt seit zwei Wochen wieder auf den Beinen, liegt nicht mehr im Bett. Ich kann nicht mehr kontrollieren, was er nimmt.« »Ich weiß.« Judah zog die Stirn kraus und rieb sich mit den Handballen die Augen, als wolle er den Staub des Tages wegwischen. Er ging hinüber zum Pokertisch und ließ sich auf einen der Metallklappstühle sinken. Ramey folgte ihm, nahm sich ihre Zigaretten und das Feuerzeug vom Schreibtisch und ließ sie auf den fleckigen, grünen Filz vor Judah fallen. Er zündete zwei an und reichte ihr eine, als sie sich neben ihn setzte. »Also. Wie ist es heute gelaufen?« Judah klopfte seine Zigarette am Rand des orangefarbenen Plastikaschenbechers ab. »Willst du das wirklich wissen?« Ramey nickte und wartete. Judah lehnte sich zurück und starrte auf den Tisch. »Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mit Gary durch die Gegend zu fahren und Lonnie Able zu suchen.« Sie schaute ihn über die Zigarette hinweg schräg an. »Den ganzen Tag? Ich dachte, die Bar wäre gleich drüben in Keystone Heights.« »Wie sich herausstellte, vertickt Lonnie Gras an die Mittelschüler in Alachua, wenn er nicht gerade im Drunk Goats für uns Wetten laufen hat. Wer hätte gedacht, dass ein solcher Held für uns arbeitet?« »Tja, Sherwood wusste, wie man Leute auswählt.« Judah verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. »Du machst dir ja keine Vorstellung: Ich habe mir noch nie im Leben so sehr eine Dusche gewünscht wie heute. Erst habe ich zwischen Lonnie und dem alten Sack hinter der Bar im Goats gesessen, der, ich schwöre bei Gott, sich bestimmt mit Katzenpisse einparfümiert, dann saß ich den ganzen Tag in Garys Van fest. Nichts als Big-Mac-Kartons und zusammengeknüllte Schweißsocken überall, Pornohefte auf dem Boden, und dann der Geruch, Himmel, als wäre hinten im Van jemand gestorben. Ich meine, was zum Teufel stimmt nicht mit diesen Leuten?« Ramey schüttelte den Kopf. »Hast du wenigstens das Geld bekommen?« »Der Barkeeper hatte die Kohle für die Zigarettenladung, die die Daughtry-Jungs letzten Monat aus Alabama mit runtergebracht hatten.« »Das ist gut. Aber der Rest? Die Einnahmen aus den letzten beiden Wochen? Es war nicht viel los, aber das Brickyard-Rennen sollte doch für etwas Action gesorgt haben. Das hat es zumindest im Ace und drüben im Ponies.« Sie sah, wie sich Judahs Gesicht anspannte. »Lonnie war ein paar Tausend leichter.« Ramey blinzelte den Rauch aus ihren Augen. Sie versuchte, ihren Frust zu verdrängen. »Jetzt, wo Sherwood nicht mehr da ist, versuchen alle, sich ihren Teil zu sichern, schätze ich. Selbst Burke redet davon, einen größeren Teil des Spielgewinns einzubehalten. Sie sind alle ein verdammter Haufen Aasgeier.« Judah nickte langsam. »Jepp.« Ramey pulte an einem Kratzer in der Tischkante. »Wir müssen das Geld rüber ins Ace bringen. Bei dem großen Kampf im Kabelfernsehen diese Woche braucht Burke es zum Verleihen. Wir haben bereits sämtliches frisches Geld umgeschichtet.« Judah nickte wieder. »Ich weiß. Aber ich denke, wir haben Lonnie wieder zurück auf der Spur. Er macht keine großen Probleme, sondern versucht nur, was abzuschöpfen. Testet aus, wie weit er gehen kann, seit Sherwood und Levi nicht mehr im Spiel sind. Solchen Scheiß eben. Er hat beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als Gary etwas deutlicher wurde. Hat angefangen...