E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Dein Erfolg
Portner Virtuell verhandeln
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96740-324-4
Verlag: GABAL
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Online-Verhandlungen optimal führen
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Reihe: Dein Erfolg
ISBN: 978-3-96740-324-4
Verlag: GABAL
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jutta Portner ist Gründerin und Geschäftsführerin von C-TO-BE. THE COACHING COMPANY und spezialisiert auf Verhandlungsführung und Verhandlungsberatung. Als Business Coach und Management Trainerin ist sie für internationale Unternehmen wie Daimler, Volkswagen, Siemens, Telefonica, Airbus u.a. tätig und führt weltweit Verhandlungstrainings für Führungskräfte durch. Jutta Portner lebt in Ambach am Starnberger See.
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2. Was hat die Bedürfnispyramide von Maslow mit Online-Verhandlungen zu tun?
Die Maslow’sche Bedürfnishierarchie kennen viele von uns unter dem gängigen Begriff der Bedürfnispyramide.3 Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow erlangte durch seine vereinfachte Darstellung von menschlichen Bedürfnissen und deren Bedeutung zur Motivation weltweit Bekanntheit. Seine Theorie fand Eingang in viele andere Wissenschaften. Sie wird in den Wirtschaftswissenschaften, der Organisationspsychologie und auch in der Philosophie behandelt.
Das Prinzip der Bedürfnishierarchie basiert auf der Annahme, dass es unterschiedliche Arten von Bedürfnissen gibt, die durch unterschiedliche Inhalte und Wirkungen unsere Zufriedenheit und damit unser Verhalten bestimmen. Maslow beobachtete, dass einige Bedürfnisse Vorrang vor anderen haben. Konkrete Ranglisten aufzustellen hält Maslow für wenig hilfreich. Man könne Bedürfnisse jedoch zur groben Orientierung fünf größeren Bereichen zuordnen. Er beginnt mit den grundlegenden, den physiologischen Bedürfnissen (physiological needs) und den Bedürfnissen nach Sicherheit (safety needs). Diesen folgen soziale (love needs) und Individualbedürfnisse (esteem needs) bis hin zum hoch entwickelten humanen Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (needs for self-actualization). Daraus ableitend erklärt Maslow, dass Bedürfnisse entweder gestillt oder unbefriedigt sein können. Unbefriedigte Bedürfnisse sind Mangelbedürfnisse, auch Defizitbedürfnisse genannt. Solange ein Bedürfnis unbefriedigt ist, beeinflusst und triggert es unser Handeln dahingehend, dass wir es stillen wollen. Mit zunehmender Befriedigung eines Bedürfnisses nimmt der Drang, aktiv zu werden, um dieses Bedürfnis zu befriedigen, zunehmend ab. Wenn der Magen nicht mehr knurrt, denken wir nicht mehr ununterbrochen ans Essen.
Lassen Sie uns die fünf Bedürfnisebenen in Bezug auf ihre Bedeutung für virtuelles Verhandeln genauer unter die Lupe nehmen.4 Wir werfen zunächst einen Blick darauf, was die jeweilige Bedürfnisebene grundsätzlich bedeutet, dann überprüfen wir, was beim virtuellen Verhandeln anders ist, und im dritten Schritt erhalten Sie Empfehlungen und lernen Tools kennen, mit deren Hilfe Online-Verhandlungen produktiver werden können. Zuerst ein Blick auf die physiologischen Bedürfnisse:
Physiologische Bedürfnisse. Gut hören. Gut sehen … und noch viel mehr
Physiologische Bedürfnisse sind Grundbedürfnisse. Sie sind zum Erhalt des menschlichen Lebens notwendig. Verfügt der Raum, in dem wir sitzen, über ein angenehmes Raumklima? Verhandelnde wollen weder frieren noch schwitzen. Auch Hunger und Durst wollen gestillt sein. Ein gesundes Frühstück und genügend Wasser am Arbeitsplatz tragen wesentlich dazu bei, konzentriert arbeiten zu können. Wir benötigen genügend Sauerstoff zum Atmen. Verbrauchte Luft lässt die Aufmerksamkeit sinken, gut gelüftete Räume wirken dem entgegen. Auch die Haltung unseres Körpers spielt eine große Rolle beim Verhandeln vor dem Bildschirm. Habe ich einen Bürostuhl, auf dem ich lange und bequem sitzen kann? Ist meine Haltung aufrecht, oder schmerzt der Rücken? Kann ich beim virtuellen Verhandeln das Gesagte gut hören, oder knackt und rauscht es im Hintergrund? Kann ich das Präsentierte gut sehen, oder sind die Kacheln mit den Gesichtern der Verhandlungspartner auf Briefmarkengröße geschrumpft? Darüber hinaus frisst es Verhandelnde förmlich auf, dass ein so großer Teil der Aufmerksamkeit gebunden ist, das Rauschen zu durchdringen und Texte auf eng beschriebenen Folien zu entziffern. Last but not least spielt auch die Wahrnehmung der Umwelt eine große Rolle: Spielt der 15-jährige Sohn ein Computerspiel im Hintergrund und battelt sich mit seiner Gang? Wird im Nachbarhaus das Dach abgedeckt, und den ganzen Tag schon fallen Ziegel scheppernd in den Container? Telefoniert die Kollegin am Schreibtisch gegenüber mit ihrer durchdringenden Stimme? Es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, wie groß der Einfluss gestillter physiologischer Bedürfnisse auf das Wohlbefinden ist. Von der gefüllten Kaffeekanne übers Fensteröffnen vor der Verhandlung bis zur Überprüfung der Präsentationstechnik – für diese Dinge war bisher der/die Einladende verantwortlich. Jetzt ist es Aufgabe jedes virtuell Verhandelnden selbst.
Physiologische Bedürfnisse im digitalen Raum. Was ist anders?
Verhandelnde befinden nicht mehr gemeinsam in einem Raum. Jeder Einzelne sitzt allein am Arbeitsplatz oder im Homeoffice. Damit ist jede:r virtuell Verhandelnde selbst für die Versorgung mit Essen und Getränken sowie für ein angenehmes Raumklima und eine gesunde Arbeitsumgebung zuständig. Auch die Qualität des zu Sehenden und Hörenden hängt maßgeblich von den gewählten technischen Lösungen ab. Außerdem regen virtuelle Verhandlungen nicht zur körperlichen Bewegung an, sodass auch in diesem Punkt der Verhandelnde Verantwortung für sich übernimmt.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Vor Beginn der Online-Verhandlung mit der Technik vertraut machen, Tools testen und sich selbst einen Kaffee oder Tee kochen. Noch ein kleiner Tipp: Legen Sie sich eine Vorverhandlungscheckliste an, die all Ihre physiologischen Bedürfnisse auf einen Blick erfasst und sich in der Vorbereitung Punkt für Punkt abhaken lässt!
Physiologische Bedürfnisse im digitalen Raum. Tools und Methoden
Für gutes Zusammenarbeiten im digitalen Raum benötigen wir vier Kanäle:
- ¦ Visualisierungs-Tool, zum Beispiel ein digitales Whiteboard für digitale Post-its.
- ¦ Sharing-Dienst oder eine Cloud-Lösung, um Inhalte zur Verfügung zu stellen.
- ¦ Videokonferenz-Tool, idealerweise mit Kachelansicht der Verhandelnden, um Echtzeit-Kommunikation zu ermöglichen.
- ¦ Kommunikationstool mit E-Mail- und Chatfunktion, auch dies ermöglicht Echtzeit-Kommunikation.
VIRTUELL VERHANDELN. BEST PRACTICE
Virtuell Verhandelnde müssen zwei Dinge gleichermaßen gut sehen können: sich gegenseitig und die Inhalte, die verhandelt werden. Benutzen Sie deshalb nach Möglichkeit zwei Bildschirme.
Sicherheitsbedürfnisse. So viel Inhalt. So viel Technik … HELP!
Sind physiologische Bedürfnisse im Großen und Ganzen befriedigt, melden sich zunehmend die Sicherheitsbedürfnisse. Fühlen Menschen sich sicher, haben sie das Gefühl, die Kontrolle über das Geschehen zu haben. Sie sind entspannt. Fehlende Sicherheit im Gegensatz dazu bedeutet Angespanntheit und das Gefühl von Ungewissheit durch fehlende Kontrolle. Das führt zu Stress und einem Gefühl von akuter Gefahr. Laut Maslow zeigt sich im weiteren Sinne die Suche nach Sicherheit und Stabilität auch in der menschlichen Bevorzugung des Bekannten gegenüber dem Unbekannten. Darüber hinaus strebt der Mensch danach, sich unbekannte Phänomene erklären und Zusammenhänge verstehen zu wollen. Auch die Suche nach einer beschützenden Person, die als Autorität vertrauensvoll die Richtung weist, gibt Sicherheit.
Sicherheitsbedürfnisse im digitalen Raum. Was ist anders?
Digitale Technik, Tools und Arbeitsweisen sind für viele Menschen ungewohnt und mitunter auch mit Vorbehalten verbunden. Deshalb ist eine gute Vorbereitung zentral für das Gelingen von virtuellen Verhandlungen – für beide Seiten. Dazu ist es hilfreich, die Teilnehmenden im Vorhinein nicht nur mit der Agenda, sondern auch mit Tutorials und Aufgaben zu versorgen. Denn erst wenn sich alle in der Situation und mit der Technik wohlfühlen, wird das notwendige Sicherheitsgefühl entstehen, das konstruktives Verhandeln ermöglicht.
Auch die Rolle von Verhandlungsführenden ist ein Stellhebel, den diese geschickt bedienen können, um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Je ruhiger und entspannter die Moderierenden, desto relaxter sind die teilnehmenden Verhandelnden. Da die Technik als zusätzliches Element in einer Online-Verhandlung beherrscht werden muss, ist zudem die Aufmerksamkeitsspanne bei virtuellen Verhandlungen kürzer.
Sicherheitsbedürfnisse im digitalen Raum. Tools und Methoden
Alle Verhandelnden sollen sich im digitalen Workshop-Raum wohlfühlen. Dabei sind die Hürden oft eher neue Tools und Methoden, gar nicht so sehr die Motivation. Warm-ups und kurze Erklärungen helfen, um die Interaktion in der oft ungewohnten Umgebung besser kennenzulernen und zu verstehen. Besonders virtuell Verhandelnde, die schon länger mit einzelnen Plattformen arbeiten, vergessen manchmal, dass die gleiche Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Technik bei Kolleg:innen im eigenen Team oder auch bei Partner:innen der Gegenseite nicht immer der Fall ist. Dabei ist es wichtig, eine vertrauensvolle Umgebung zu...