E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Portmann Durst
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-85791-920-6
Verlag: Limmat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-85791-920-6
Verlag: Limmat Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Beat Portmann, geboren 1976 in Luzern. Vorkurs an der Jazzabteilung der Musikhochschule Luzern, lebt als freier Autor und Singer/Songwriter in Luzern. Er wurde mit einem Werkpreis des Kantons und der Stadt Luzern ausgezeichnet. "Durst" ist sein erster Roman, dessen Fortsetzung folgt in "Alles still".
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Da Faruk zur Halbzeit noch nicht erschienen war, suchte ich eine der Telefonkabinen vor dem Lokal auf. Ich prägte dem Tastenfeld die Nummer ein und wartete eine Anzahl Klingeltöne ab. Ich legte auf und wiederholte das Ritual. Dann steckte ich Geld und Telefonnummer ins Portemonnaie und ging zurück. Gerade als die Glasflügel der elektrischen Schiebetür auseinanderfuhren, machte sich das Gerät mit scherbelndem Laut vernehmbar. Ich kehrte um und murmelte ein «Hallo?» in die Sprechmuschel.
«Kush është?»
«Faruk? Hör mal, ich versuch dich seit Stunden zu erreichen – du solltest doch im ‹Thomy’s› bei der Arbeit sein!»
«Witzbold.»
«Im Ernst – kommst du heute nicht mehr vorbei?»
«Worum gehts denn?»
«Ich hab Neuigkeiten … Zudem brauch ich ein paar Auskünfte von dir.»
Ich behielt durch die Glasscheibe der Kabine und die des Lokals den Bildschirm im Auge: das kantige Gesicht des Moderators und sein Grinsen, das ebenso gut Ausdruck überraschend eintreffenden Schmerzes hätte sein können – Schnitt – eine Horde von verwahrlosten Fussballfans – Schnitt – die Spieler beider Teams, die der Tunnel zum Kabineneingang nach und nach ausspuckte.
«Ich muss nun Schluss machen. Kommst du vorbei, ich bin sicher noch eine Stunde hier.»
«Ist zu gefährlich. Können wir uns nicht woanders treffen?»
Ich beobachtete, wie sich ein phlegmatischer Typ meinen Barhocker unter den Hintern klemmte. Die unmissverständliche Botschaft, die meine zur Hälfte getrunkene und von Markus beschützte Stange vermittelte, schien nicht durch die Fettschichten gedrungen zu sein.
«Scheisse. Also, warte mal … Elf Uhr beim oberen Friedhofportal.»
«Wo ist das?»
Der Kerl legte sich mit beiden Unterarmen auf die Theke und schob dabei mein Bier ein wenig zur Seite.
«Wo das ist? Bei der Kirche natürlich!»
«Welche Kirche?»
Die zweite Halbzeit hatte in dem Moment begonnen.
«Gerliswiler! Hör mal, erkundige dich woanders, ich muss jetzt gehen.»
Der Fettsack machte keinen Wank, als ich mein Bier wieder in Besitz nahm. Ich steckte mir eine Zigarette an und überlegte, wie ich zu meinem Recht käme.
«Ich mag es nicht, wenn mir jemand den Platz wegschnappt.»
Unendlich langsam drehte er den Kopf und beglotzte mich aus bebrilltem Mondgesicht.
«Wusste nicht, dass dieser Platz jemandem gehört …»
«Jetzt weisst dus.»
Markus hatte eine ruhige Minute und folgte, hinter der Theke zurückgezogen, dem Geschehen auf dem Bildschirm.
«He, Markus, gehört der Platz dem da?»
Ich betrachtete den dicken Daumen, der auf mich gerichtet war.
Markus erfasste mit einem Blick die Situation und meinte diplomatisch: «Würd schon sagen …»
Zu meinem Erstaunen erhob sich der Kerl, griff kommentarlos seine Cola und liess sich an einem leeren Zweiertisch nieder. Markus zuckte die Schultern und wandte sich wieder dem Spiel zu. Ich setzte mich auf den angewärmten Barhocker, trank und versuchte, meine Aufmerksamkeit dem Treiben der winzigen Männer in kurzen Hosen zuzuwenden.
Das Spiel hielt nicht, was es noch zur Halbzeit versprochen hatte. Auf einmal war es nicht mehr so wichtig, wer den Platz als Sieger und wer als Verlierer verlassen würde. Ich euphorisierte mein Hirn mit einem letzten Bier und brach dann auf.
An das Gefühl, beobachtet zu werden, musste ich mich erst noch gewöhnen. Wer sich beim Verlassen eines Lokals umschaut, machte sich verdächtig; was beim Überqueren des verkehrsreichen Sonnenplatzes schon weniger der Fall war. Ich bestieg den Kirchenhügel nicht über die breite Treppe von der «Piazza» her, sondern machte einen Umweg über die Haldenstrasse. Ich betrat das Friedhofgelände durch den Westeingang und näherte mich über einige Treppen dem Hauptportal.
So sehr ich mich auch bemühte, verriet mich doch jeder meiner Schritte auf dem Kies durch ein helles Knirschen. Auf einigen Gräbern brannten Kerzen, warfen flackerndes Licht auf Grabsteine, Engel- und Heilandstatuen.
Ich erschrak zu Tode, als mich eine der Figuren ansprach und sich zu bewegen begann.
«Faruk, wir haben doch beim Portal abgemacht!»
In der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, ob er meinen Schrecken bemerkt hatte.
«Wollte auf Nummer sicher gehen …»
Er kam über die Einfassungsmauer des Grabes auf mich zu und hielt mir die Rechte hin.
Das terrassierte Friedhofgelände erstreckte sich über den Nordhang des Kirchenhügels. Die verschiedenen Ebenen waren durch Treppen miteinander verbunden. Wir setzten uns auf die Stufen der höchstgelegenen Treppe. Von hier aus hatten wir eine gute Übersicht. Ich wollte mir eine Zigarette anstecken, aber Faruk hielt mich davon ab.
Wir unterhielten uns flüsternd: «Richtig – dann lass es uns kurz machen: Ich kenn den Namen des Polizisten, der die Ermittlungen geleitet hat.»
«Und, wie heisst er?»
«Furrer, Ruedi Furrer.»
«Sagt mir nichts …»
«Schade. Ich hatte gehofft, er könnte dir bekannt vorkommen… »
Da Faruk nichts erwiderte, fuhr ich fort: «Im Computer der Polizei finden sich keine Informationen zum Fall Slavkovic. Die Ermittlungen, falls es überhaupt welche gegeben hat, wurden verdeckt geführt.»
«Ich hab doch gesagt, dass die Zeitungsmeldung ein Täuschungsmanöver war. Der Mörder ist weiterhin auf freiem Fuss.»
«Genau. Aber das ist noch nicht alles: Ruedi Furrer, der sich der Sache ange…»
«Woher willst du das wissen, wenn es nicht mal im Computer drin ist.»
«Ein Polizist hat es mir verraten … Aber lass mich ausreden: Ruedi Furrer arbeitet nicht etwa bei der Mordkomission, die sich naturgemäss mit dem Fall Slavkovic befassen müsste …»
Ich machte eine Kunstpause und wartete Faruks «Sondern?» ab.
«Ist Chef der Drogenfahndung.»
«Drogenfahndung … Ja qifsha nonon!»
Schritte im Kies liessen uns verstummen. Ein Mann durchquerte den Friedhof vom unteren östlichen Eingang her. Wir folgten ihm mit den Augen, bis er verschwunden war. Dann nahm ich das Gespräch wieder auf.
«Wenn ich nur wüsste, wer bei Slavkovic Geld angelegt hat … Ich bin überzeugt, das würde uns einen grossen Schritt weiterbringen. Wie du gesagt hast: Hätte Slavkovic unter Androhung einer hohen Gefängnisstrafe zu sprechen begonnen, wären all jene Leute, die bei ihm Geld angelegt oder Kredit aufgenommen haben, ebenfalls ins Visier der Justiz geraten. Diese Leute haben also ein vitales Interesse daran, dass Slavkovic zum Verstummen gebracht wird …»
Ich vergegenwärtigte mir, was Faruk in der Zentrale erzählt hatte: dass er jeweils sein Drogengeld bei Slavkovic abgab, damit es von da aus auf sein Konto bei der Kantonalbank überwiesen wurde. Formell wurde dieser Betrag als Lohnauszahlung der Firma «Srpska-Travelling» für geleistete Carfahrten abgerechnet. Damit war das Geld seines schmutzigen Ursprungs enthoben. Faruks Darstellung zufolge waren es verhältnismässig kleine Beträge: an die sechstausend Franken monatlich. Einen Teil davon liess er ebenfalls über Slavkovics Reisebüro seinen Verwandten zukommen.
«Du kannst mir doch bestimmt ein paar Hinweise geben.»
«Wie stellst du dir das vor? Das ging alles äusserst diskret vor sich. Ich war nur ein einziges Mal in seinem Büro. Sonst gab ich das Geld seinem Mitarbeiter, jedesmal an einem anderen Ort. Manchmal schickte ich es auch per Post.»
«Hiess der Typ Dragan Martic?»
«Möglich, er hat sich mir als Drag vorgestellt …»
«Mhm. Sag mal, woher beziehst du eigentlich deine Ware?»
Faruk lachte spöttisch.
«Im Ernst, das könnte mir weiterhelfen.»
«Das hat doch nichts miteinander zu tun …»
«Warum bist du dir da so sicher?»
Faruk schwieg.
Ich wurde nun doch ein wenig nervös. «Nennst du das Zusammenarbeit? Ich unterziehe mich hier nicht zum Spass einem Nikotinentzug! Wer – beliefert dich – mit dem Stoff?»
Faruk seufzte: «Ein entfernter Verwandter; aber du liegst falsch, wenn du denkst …»
«Dieser Cousin ist nicht zufällig ein Geschäftspartner von Slavkovic?»
Nun wurde er heftig: «Fick dich – er operiert im Raum Zürich. Dass er mich beliefert, ist eine Ausnahme. Der zentralschweizerische Markt wird von anderen kontrolliert.»
«Von wem, bitte...




