E-Book, Deutsch, Band 5, 380 Seiten
Reihe: Frank Liebknecht ermittelt
Pons Lügenpfad
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7325-8826-8
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Odenwald-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 5, 380 Seiten
Reihe: Frank Liebknecht ermittelt
ISBN: 978-3-7325-8826-8
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Wahrheit auf der Spur ...
Mehr als zwanzig Jahre ist es her, seit das amerikanische Militär sein Munitionslager im Wald nahe Vielbrunn aufgegeben hat. Mehr als zwanzig Jahre, seitdem die letzten Friedensaktivisten vor dem Zaun demonstrierten. Als Frank Liebknecht aus reiner Neugier Fragen stellt, reißt er nichtsahnend alte Wunden auf und bringt dadurch seinen besten Freund in Gefahr. Erst spät beschleicht ihn eine Ahnung, wie alles zusammenhängen könnte ...
Ein spannender Regio-Krimi aus dem Odenwald - jetzt als eBook bei beTHRILLED. Mörderisch gute Unterhaltung.
Brigitte Pons schreibt Romane und Kurzgeschichten und ist Mitglied der "Mörderischen Schwestern". Bei beTHRILLED sind bislang fünf Regionalkrimis sowie eine Kurzgeschichte mit dem sympathischen Polizisten Frank Liebknecht erschienen, der in Vielbrunn im Odenwald ermittelt. Als Isabella Esteban veröffentlicht die Autorin Barcelona-Krimis bei Bastei Lübbe (Band 1: "Mord in Barcelona"). Brigitte Pons ist verheiratet, Mutter von zwei erwachsenen Kindern und lebt in der Nähe von Frankfurt am Main.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Donnerstag, 26. September 2013, Vielbrunn, 18:10 Uhr
– Frank Liebknecht –
Das war es dann also. Leere Einlegeböden offenbarten die Schrammen vieler Jahre, eine Handvoll nackter Bügel schaukelte an der Kleiderstange.
»Du bist sicher, dass du sonst nichts mitnehmen willst?«
Frank schloss die Schranktür, drehte sich um und nickte. Seine Zeit als Untermieter endete genau jetzt. »Nur die Teile auf der Spüle, für die ersten Tage. Wenn du willst, bringe ich sie dir dann wieder.«
»Untersteh dich!«
Er schob die vollgestopfte Reisetasche neben seinen Rucksack im Durchgang zwischen der Schlafnische und dem Wohnraum und nahm einen Bogen Zeitungspapier vom Tisch. Brunhilde Schreiner war ein Goldstück – mit Haaren auf den Zähnen. Und über der Oberlippe, wie sich bei passender Beleuchtung erkennen ließ oder wenn sie bei einem Anraunzer auf kurze Distanz ging. Am Anfang hatte ihn ihre ruppige Art mächtig eingeschüchtert. Da war sie noch seine Chefin gewesen und er ein blutiger Anfänger in Sachen Polizeidienst »in der Prärie«, wie sie es nannte. Keine leichte Lektion, obwohl er ja selbst ein Landei und gar nicht weit entfernt in Heppenheim aufgewachsen war. Er war zu ungeduldig, zu forsch, wenn er etwas wollte, womit er seine Unsicherheit zu kaschieren versuchte und meist das Gegenteil erreichte. Inzwischen war er bei den Einheimischen als Brunis Nachfolger akzeptiert – mit kleinen Abstrichen. Ein hartes Stück Arbeit für alle Beteiligten. Manche Leute nahmen an seinen etwas längeren Haaren Anstoß, wie von Bruni prophezeit. Auch noch nach zwei Jahren als einziger Polizeibeamter im örtlichen Revier. Aus Trotz hatte er sie wachsen lassen, bis es für einen richtigen Zopf reichte. Da mussten sie durch. So, wie er damit klarkommen musste, dass sein Singledasein nicht nur seine Mutter zu Kuppelversuchen animierte. Eine Katze allein reichte ihnen als seine Gefährtin nicht aus. Trinity streunte durchs Zimmer, den Schwanz hoch erhoben. Gepackte Taschen weckten ihren Argwohn, und das dauernde Rascheln und Knistern versetzte sie in Stress.
Er verbiss sich ein Grinsen und half Bruni, das Geschirr einzuwickeln. Blümchen mit Goldrand, blaues Odenwälder Steingut, ein wildes Sammelsurium, das sie ihm zur Verfügung gestellt hatte, wie auch die Möbel im ausgebauten Heuboden über ihrem Schuppen. Aus der Chefin war seine Vermieterin geworden und eine Freundin, auf die er immer zählen konnte.
Stillschweigend verpackten sie auch das, was zurückbleiben würde. Eingelagert in Kisten, für alle Fälle. Man konnte ja nie wissen. Bruni war gern vorbereitet.
»So ein Mist.« Leise fluchend strich sie eine eben zerknüllte Zeitungsseite glatt. »Mir ist die Ausgabe von heute dazwischengeraten. Die hab ich noch gar nicht durch.«
»Weltbewegendes wirst du nicht verpasst haben.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst. Die Chorprobe hätte ich jedenfalls verschwitzt.«
»Ein echtes Drama.«
»Mach dich nur lustig. Irgendwann rächt sich das. Information ist alles, und in unserem guten altmodischen Blättchen steckt oft mehr, als du denkst.« Ihr Zeigefinger rutschte weiter die Zeilen entlang und klopfte dann auf eine Überschrift. »Das war damals weltbewegend. Und hätte ein echtes Drama werden können.«
»Heute vor dreißig Jahren«, las Frank laut. Eine schwarze Umrandung hob die Rubrik aus dem übrigen Text hervor. »Der Held, den keiner kannte: Stanislaw Petrow.«
Zwischen den Knitterfalten lächelte ein Mann in Uniform, auf dem Trinity mit einem geschmeidigen Satz landete.
»Schon mal gehört?«
»Nein.«
»Dachte ich mir. Der Bursche hat nicht mehr und nicht weniger als den Dritten Weltkrieg verhindert. Um ein Haar wären wir alle futsch gewesen.«
»Die Gelegenheit gab‘s schon häufiger.«
»Da sagst du was. Trotzdem war der Vorfall besonders heikel.« Sie seufzte. »Wir leben, weil er auf seinen Verstand gehört und seinem Computer nicht getraut hat. Der zeigte nämlich einen Angriff von ein paar US-Raketen in Richtung Sowjetunion an. Petrow glaubte nicht daran und meldete einen Fehlalarm, was es auch war, wie sich herausstellte. Das Ganze wurde erst zehn Jahre später publik, und danach wurde er weltweit als Held gefeiert.«
»Dass einer beim Militär seinen Verstand benutzt? Das klingt ja auch nach einer Falschmeldung.« Frank grinste und nahm die Katze hoch, kraulte besänftigend ihren Rücken. Mit mäßigem Erfolg. Ihre Krallen ziepten auf seinem Bauch, und der Schwanz wischte ihm aufgeregt durchs Gesicht. Seelenverwandte. Das Tier spürte die Melancholie des Abschieds, die Bruni und er voreinander zu verbergen versuchten. Dabei blieb er im Dorf, zog nur ein paar Straßen weiter den Hügel rauf. Ungefähr zehn Minuten zu Fuß. Fünfzehn für Bruni, sieben für ihn.
»Du hast keine Ahnung, wie sich das damals angefühlt hat.«
»Geb ich zu. Der ganze Kram – Ostblock, Westmächte, politische Krisen –, kam in der Schule zwar vor, fand ich aber nicht so prickelnd.«
»Wenn ihr jungen Leute an die 80er denkt, habt ihr nur Musik im Kopf: Nena und ihre Luftballons. Oder euphorische Bilder von der Maueröffnung.«
»Stimmt auffallend, Bruni. Die Musik war geil und ist es noch. Kann man immer anhören.«
Sie riss die Spalte mit dem verschobenen Termin der Chorprobe aus, faltete den Rest der Seite und drückte sie ihm vor die Brust. »Hier, nimm das mit. Nachhilfe in Geschichte als Lektüre für einsame Abende im neuen Heim.«
»Aber klar doch.« Er schaute noch mal auf das Datum. »Als dieser Petrow die Welt gerettet hat, war ich fünf Monate alt. Da kam nicht viel von der großen Politik bei mir an. Und das verschlafene kleine Vielbrunn war bestimmt eine friedliche Oase, fernab der bösen Realität. Wie immer.«
»Genau. Hier ist ja nie was los, das weißt du aus eigener Erfahrung.« Bruni lachte laut auf und schloss die Laschen des Kartons. »Schluss für heute, du Kindskopf. Deine Herzdame fühlt sich unwohl, du solltest ihr eine angemessene Übergangsfrist gönnen, um sich einzugewöhnen, und ihr die neue Umgebung schmackhaft machen. Ich werde ein Auge drauf haben, dass sie die nächsten Tage hier noch rein kann. Allerdings fürchte ich, dass das ein Ende hat, sobald Chris einzieht.«
Ihre drei Söhne waren schon lange flügge, nun zog es einen zurück. Und zwar mit Frau und Kind, weshalb im Obergeschoss des Wohnhauses ein Umbau anstand. Solange würde Chris den Heuboden nutzen, aus dem später ein Büro werden sollte. Und Frank musste weichen. Hoffentlich fühlte Trinity sich nicht berufen, den Eindringling aus ihrem Revier zu vertreiben. Ihr Unmut äußerte sich gelegentlich auf unappetitliche Art – Schuhe sollte er besser nicht vor der Tür stehen lassen.
Wenig später hatte Frank alle Pappkartons über die steile Außentreppe in den Hof geschleppt und bis auf einen im Schuppen darunter verstaut. Der eine klemmte mit einem Spanngummi verzurrt auf dem Fahrradgepäckträger. Er packte die Reisetasche auf die Lenkergabel und rieb sich den Nacken. Eine wackelige Angelegenheit und wenig Platz zum Sitzen, obendrein störte der Rucksack.
»Vergiss es.« Bruni öffnete das Tor und trat vor ihm hinaus auf den Bürgersteig. »Das geht schief.«
Er musste nur die Balance finden. Zweimal fahren, oder sein Auto zu holen, weil er sich mit der Menge verschätzt hatte, war keine Option. Die paar Meter schaffte er auch so. Es nervte und spornte ihn zugleich an, dass Bruni ihm zusah. Trinity kletterte auf den Sattel und stieg von dort aus in den Ausschnitt seiner Sweatjacke. Eine kurze Drehung, dann kam ihr Kopf wieder zum Vorschein.
»Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben, Bruni. Sagt man doch so.«
Sie zog den Zip seines Reißverschlusses eine Zacke höher und tätschelte ihm die Wange. »Der faule Esel schleppt sich auf einmal tot. Das sagt man auch.«
Stanislaw Petrows Antlitz samt Heldengeschichte segelte gemächlich zwischen die Geschirrkiste und die Bücherstapel, die Frank schon beim ersten Umzugseinsatz im Wagen mitgenommen hatte. Genau wie seinen E-Bass und den uralten Fernseher. Neben dem Wäscheberg stapelten sich Lebensmittel. In der Küche ragten bisher nur abgeklemmte Rohre und elektrische Anschlüsse aus den Wänden.
»Home sweet home«, flüsterte er in Trinitys Ohr, die sich weigerte, den Platz in seiner Jacke zu verlassen. »Gemütlich da drin, oder?« Seine Stimme hallte durch die kahlen Räume. Es roch nach Zementstaub und Baustelle.
Er schloss die Schlafzimmertür, streckte sich auf der Gartenliege aus und kickte die Schuhe von den Fersen. Der Liefertermin für sein Bett war schon wieder verschoben worden. Trotzdem wollte er seine erste Nacht im eigenen Haus nicht länger hinauszögern. Hinter sich bringen. Dabei sollte der Gedanke eigentlich Vorfreude auslösen.
»Einen armseligen Dosenöffner hast du dir ausgesucht.« Wenigstens bewahrte Trinity...




