E-Book, Deutsch, 335 Seiten
Pons Liebe ist der beste Koch
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-872-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Ein spritziger Liebesroman über die Fallstricke des Lebens und die Lust am Kochen
E-Book, Deutsch, 335 Seiten
ISBN: 978-3-98952-872-7
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Brigitte Pons lebt und arbeitet in Hessen, in der Nähe von Frankfurt/Main. Sie ist Mitglied der »Mörderischen Schwestern«, schreibt Romane und Kurzgeschichten und ist immer auf der Suche nach dem perfekten Text. Ihre Geschichten variieren zwischen mörderisch und heiter, provokant bis tiefsinnig. Die Website der Autorin: brigittepons.de Die Autorin bei Facebook: facebook.com/brigitte.pons.autorin/ Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihren Thriller »Todesdichter« und ihre kulinarische Romanze »Liebe ist der beste Koch«.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2
Der Dienstag im Büro verlief ähnlich spannend wie jeder andere Tag auch. Größter Aufreger war ein falsch abgehefteter Vorgang, nach dem eine halbe Stunde lang gesucht werden musste. Miriam brauchte bei der Arbeit keine Uhr, sie konnte die Zeit am Verhalten der Kollegen ablesen, wer sich wann Kaffee holte, aufs Klo ging oder zum Rauchen auf den Balkon. Rituale mit großer Präzision, die jede Stunde bis auf wenige Minuten genau takteten. Im Lauf des Nachmittags erwischte sie sich bei dem Wunsch, die Intervalle schneller zu drehen. Überpünktlich schloss sie zum Feierabend die Schreibtischschublade ab, hatte den Computer schon vorher heruntergefahren und den Lamellenvorhang vors Fenster gezogen. Die beiden älteren Kolleginnen, mit denen sie das Büro teilte, wechselten missbilligende Blicke, sagten aber nichts. Miriam widerstand dem Impuls, eine Erklärung abzugeben, lächelte und winkte freundlich, dann rannte sie aus dem Gebäude. Seit sie ihre kleine Wohnung am Stadtrand bezogen hatte, nahm sie den Bus zur Arbeit. Das Bistro musste etwa auf halber Strecke liegen. Ungefähr dort, wo Altstadt und Studentenviertel aufeinandertrafen. Der Straßenname war ihr zwar bekannt, mehr aber nicht. Da sie das Internetdatenvolumen ihres Smartphones restlos aufgebraucht hatte, würde sie sich irgendwie anders zurechtfinden müssen. Sie erinnerte sich, an der Haltestelle eine Umgebungskarte gesehen zu haben, und ging schneller. Doch die Karte versteckte sich genau wie der Fahrplan unter einer bunten Variation frischer Graffitis, Entziffern unmöglich. So ein Mist. Obwohl sie ziemlich sicher war, morgens und abends an der passenden Station vorbeizuschaukeln, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich im Bus danach zu erkundigen. Vorausgesetzt, der Busfahrer kannte seine Strecke, war der deutschen Sprache mächtig und gewillt zu kommunizieren. Eigentlich ein fieses Vorurteil, aber alle drei Faktoren trafen erfahrungsgemäß selten zusammen. Genau wie Pünktlichkeit und funktionierende Ansagen. Heute brauchte sie alles auf einmal – also nichts Geringeres als ein Wunder. Unglaublich, dass der Gedanke an das Bistro sie nun doch nervös machte. Was sollte schon schiefgehen? Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Wenigstens musste sie sich keine Gedanken um ihr Abendessen machen. Hunger wirkte sich negativ auf ihre Geduld aus. Ihr Magen knurrte und zauberte ihr Bilder von Rührei und Pizza auf die Wunschliste fürs Probeessen. Oder sollte sie lieber einen Bistro-Klassiker testen? Flammkuchen mit Speck, Baguette mit Hackfleisch und Käse ... Einmal die Speisekarte rauf und runter. Qualitätssicherung musste schließlich sein.
Endlich rollte der Bus heran. Sie reihte sich an vierter Stelle in die Warteschlange und beäugte den Mann hinter dem Lenkrad. Gestutzter Bart, buschige Augenbrauen, dunkle, sehr kurz rasierte Haare, goldene Panzerkette und im Hemdausschnitt festgeklemmt eine Sonnenbrille. Er war etwa in ihrem Alter, was die Chancen auf eine brauchbare Verständigung erhöhte. War es eigentlich rassistisch, dass sie sofort wieder über Sprachbarrieren nachdachte, nur weil der Typ einen deutlich sichtbaren Migrationshintergrund hatte? Grübelnd durchwühlte sie ihre Tasche. Beim Einsteigen hatte sie den Zettel mit der Adresse griffbereit in der einen Hand und mit der anderen hielt sie dem Fahrer die Monatskarte unter die Nase.
»Fahren Sie am Friedensplatz vorbei?«
»Nein.«
»Und an der Hartwigstraße?«
»Nein. Auch nicht.« Die Antwort kam schnell, gut gelaunt und akzentfrei. Hilfreich war sie nicht.
»Aber das hier ist doch die Linie drei?«
»Rischdisch.« Der Fahrer grinste.
Miriam runzelte die Stirn und schaute ihn verwirrt an. »Ich will in den Fliederweg, und soweit ich weiß, muss ich dann entweder am Friedensplatz oder in der Hartwigstraße raus. Wie komme ich denn dann dorthin?«
»Ich schlage vor, Sie setzen sich und drücken auf den Knopf, wenn es so weit ist.«
»Dann fahren Sie doch dort vorbei?«
»Nicht, wenn Sie drücken.« Mit einem Zwinkern winkte er sie näher und wisperte konspirativ, aber mit unverminderter Lautstärke. »Keine Sorge, wenn Sie es verpassen – irgendeiner drückt immer, darum halte ich auch immer an. Jetzt mal ehrlich: Wenn ich am Friedensplatz nur vorbeifahre, hätte Ihnen das doch nix genützt. Oder wollten Sie lieber bei voller Fahrt abspringen?«
Miriam blieb kurz der Mund offenstehen, dann rollte sie kommentarlos die Augen und suchte sich einen Sitzplatz. Um sie herum wurde unterdrückt gekichert. Na toll, die dämliche Unterhaltung hatten offenbar alle mitbekommen. Das hatte sie jetzt von ihrem herbeigesehnten Wunder. Im Rückspiegel sah sie den Fahrer die Lippen spitzen und fröhlich pfeifen. Rasch wandte sie sich dem Fenster zu. Wenige Minuten darauf knackte der Buslautsprecher.
»Good evening, ladies and gentlemen. Guten Abend sehr verehrte Damen und Herren. Welcome on board of the Linie drei. Herzlich willkommen in der Linie drei. If you want to leave, just: push the button, let me know.«
Du liebes bisschen, jetzt fing der auch noch an zu singen. Kopfschüttelnd beobachtete Miriam ihre Mitreisenden, die sich köstlich amüsierten.
»Wer aussteigen will, please ring my be-e-ell – ring my bell! Bitte das rote Knöpfchen drücken. Ist vollkommen ungefährlich, wir führen weder Kurz- noch Langstreckenwaffen mit uns. Ich halte auf Knopfdruck einfach nur an. Und nun eine spezielle Nachricht an Supergirl – damit meine ich die mutige Stuntfrau, die überlegt hat, ohne Stopp abzuspringen. Ihre Gelegenheit mir mit einem Fingertipp Einhalt zu gebieten ist genau: jetzt.«
Die Busgesellschaft grölte. Miriam biss sich auf die Zunge, drückte den Knopf und drängte sich mit hochrotem Kopf zum Ausstieg.
»Zum Fliederweg müssen Sie an der nächsten Ecke links abbiegen und dann gleich wieder rechts«, hörte sie den Mann noch sagen, als sie mit einem Fuß bereits auf dem Bürgersteig stand. Die Tür schloss sich hinter ihr und unter das Zischen der Druckluftverriegelung mischte sich Gelächter.
Miriam atmete tief durch und machte sich auf den Weg. Der Zettel mit der Adresse war verschwunden, doch den hätte sie ohnehin nur noch gebraucht, um ihn vor Wut zusammenzuknüllen. Das irritierende Gefühl, gerade grundlos und unverschuldet zum Affen gemacht worden zu sein, klebte ihr an den Hacken, bis sie den Kiosk entdeckte und zwei Häuser weiter das Bistro. Über dem Eingang baumelte ein Blechschild, auf dem genau dieses eine Wort stand: »Bistro«. Links und rechts davon stand je ein Topf mit einem Buchsbaum. Undeutlich erkannte sie auf der Fensterscheibe daneben aufgeklebte Buchstaben. Sie zuckte die Schultern. Wen interessierte es, ob Felix seinen neuen Spielplatz Melanie oder Mareike gewidmet hatte? Namen bedeuteten nichts. Nur im immer gleichen Anfangsbuchstaben bei der Auswahl seiner Freundinnen mochte eventuell ein Hinweis stecken. Aber sie war zum Glück nicht seine Psychotherapeutin.
Nun also erst der Ersatzschlüssel, dann wurde es ernst. Pragmatisch nannte ihre Mutter sie gern und Miriam war nie sicher, ob das als Lob gemeint war. Dabei konnte sie nichts Falsches daran finden, wenn man sich bei Entscheidungen an den Notwendigkeiten orientierte oder daran, was am dringendsten erledigt werden musste. Ein bisschen Logik erleichterte das Leben ungemein. Sie betrat den Kiosk und stellte sich der Inhaberin vor, die ihr ohne Umschweife den Schlüssel aushändigte. Logisch war es ihr trotz Felix’ undurchsichtigen Aussagen auch erschienen, an den Einsatz im Bistro unvoreingenommen heranzugehen. Kein vorschnelles Urteil und keine unnötige Hektik. Alles ganz easy, hatte Dilli gesagt. Darum hatte sie am Vorabend weder im Internet nach weiteren Informationen noch nach Kommentaren zum Bistro gesucht, sondern lieber mit einer Freundin gechattet. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, aber Misstrauen der Vater aller Scherben.
Beschwingt legte sie die letzten Meter zurück und freute sich mit einem Mal darauf, das Bistro gleich in Augenschein nehmen zu können. Auch das hungrige Grummeln in ihrem Magen hatte daran einen gewissen Anteil.
Auf den Stufen vor der Tür, und ihrem Blick zuvor durch ein Buchsbäumchen verborgen, saß ein übergewichtiger Mann mit Ziegenbart. Am Fenster lehnte eine spindeldürre Frau, die mit fahrigen Gesten rauchte. Das war also Felix’ Team.
Das einzig sichtbar verbindende Element zwischen den beiden war der übellaunige Gesichtsausdruck.
Ungerührt wedelte Miriam mit dem Schlüsselbund. Eingang, Hintertür zum Hof und Wohnungsschlüssel für die erste Etage. Über die Sache mit dem Wohnungsschlüssel hatte sie sich ein wenig gewundert, aber nicht nachgehakt, und auf ein Missverständnis getippt.
»Hi«, flötete sie und zog das kleine Wort zu einem großen Ha-ai in die Länge. Menschen mit schlechter Laune passten nicht zu Dillis Grundeinstellung, sicherlich ließen sich die zwei Muffköppe schnell aufheitern.
»Grüße von Felix. Er fällt vorübergehend aus, daher hat er mich ...«
»Bist ganz schön spät«, fiel ihr der Mann ins Wort und wuchtete sich schnaufend hoch. Sofort sah er viel weniger dick aus, wenngleich immer noch etwas unförmig. Hinter ihm kam ein Einkaufskorb zum Vorschein, in dem ein Sammelsurium aus Gemüse, Pappschachteln und Papiertüten steckte.
Die Dürre aschte auf den Boden und rauchte stumm...




