E-Book, Deutsch, 208 Seiten, eBook
Polt Ja, mei...
1. Auflage, neue Ausgabe 2022
ISBN: 978-3-0369-9603-5
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Polt 1
E-Book, Deutsch, 208 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-0369-9603-5
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen.
Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Die Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.
Autoren/Hrsg.
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Ein Büroraum mit zwei Schreibtischen, darauf je ein Telefon, über der Eingangstür eine große Bürouhr, die 14.45 Uhr anzeigt. Herr Smrch, der Hausbote, telefoniert an einem der beiden Apparate.
SMRCH wählt sehr lange Nummer, wartet, dann Please can I have apartment seven-two-three? Yes, seven-two-three, thank you. – Hallo, Steffi, bist du’s? – Ja. – Ich rufe vom Büro an, lass dir ruhig Zeit. – Ja. – Wie is ’n das Wetter bei euch in New York? – Bei uns hat’s die ganze Nacht geregnet, aber jetzt soll’s besser werden, laut Wetterbericht. – Wie spät ist es bei euch grade? – Dann gehst du jetzt frühstücken? – Wir haben schon Mittag gegessen hier – ausgezeichnet, fast wie ein Ortsgespräch … Annerose Waguscheit betritt den Büroraum. Jawohl, Herr Grunow, ich komme sofort. Selbstverständlich. Gut, Wiederhören. Hängt ein.
WAGUSCHEIT Mahlzeit.
SMRCH Mahlzeit.
WAGUSCHEIT Ah, Herr Smrch – warten S’ an Augenblick, ich hab was für Sie. Kritzelt in einen Aktenordner etwas hinein. De Akte Reitmoser-Schwöpf, ich weiß auch net, irgenwie is sie mir liegenblieben. Da. Gibt Smrch den Ordner. Wenn’s geht, noch vorm Kaffee.
SMRCH Wohin?
WAGUSCHEIT Des is egal, halt irgendwo nauf in’n dritten Stock.
DEUTELMOSER betritt kauend das Büro Mahlzeit.
WAGUSCHEIT Mahlzeit.
SMRCH Mahlzeit. Will gehen.
DEUTELMOSER Herr Smrch, ich hätt da zwei Einschreiben, de müaßatn heut no naus auf d’ Post.
Smrch nimmt die beiden Einschreibebriefe und geht.
DEUTELMOSER … oder spätestens morgen. Ordnet seinen Schreibtisch. Und a bissl mehr Schlagrahm! – Ah, is er scho weg.
WAGUSCHEIT rennt zur Tür und ruft dem Boten nach Herr Smrch, a bissl mehr Schlagrahm wie gestern!
DEUTELMOSER ordnet seine Mappe Ah, Fräun Waguscheit, die Akte Reitmoser-Schwöpf, is die schon wieder zurück?
WAGUSCHEIT Aber Herr Deutelmoser, die hab ich doch scho vorige Woch losgschickt. Ich hab sogar noch an Vermerk »Dringend« draufgschriebn.
DEUTELMOSER War er scho beim Brchemisl? Nimmt Bildzeitung aus der Mappe, liest.
WAGUSCHEIT Müaßad i amal nachfragn. Moment. Nimmt Telefonhörer, wählt – Ja, Grüß Gott. Fräun Baaz, Waguscheit, könnt ich bittschön an Herrn Brchemisl haben?
Ein jüngeres Subjekt betritt den Raum ohne anzuklopfen.
DEUTELMOSER blickt hoch So hamma’s gern. Liest weiter.
WAGUSCHEIT Wie lang is er noch in Kur? – Ich fahr jetzt dann auch a paar Tag weg. Ich bin ja so erledigt. – So, Sie san grad kemma, wo warn S’ denn? – Ja, sehr schön, des glaub ich. Kichert. – Aber, Fräun Baaz, wegen de Akte Reitmoser-Schwöpf, es wär halt schön gwesen, wenn mir’s noch nausbracht hätten, bevor der Herr Deutelmoser in Urlaub geht, weil danach kemman dann doch auch noch die Feiertag daher.
SUBJEKT Ähm – Verzeihung, bin ich hier richtig? Ah, ich wollte wegen …
DEUTELMOSER I hab koa Zeit. Um was handelt es sich?
SUBJEKT Ich wollte, ah, ich müsste meine Aufenthaltsgenehmigung, ähm, die Verlängerung …
DEUTELMOSER Warn S’ denn schon in Zimmer 237 A?
SUBJEKT Wieso?
DEUTELMOSER Ja, dann gehnga S’ zerscht mal ins Zimmer 237 A, holen S’ Eahna die Anträge ab, mit de Anträge gehnga S’ ins Zimmer 14 und lassen S’ sich bestätigen, nachert gehnga S’ abi zur Kasse, und nachert schauma weiter.
SUBJEKT Zimmer 14? Wartet. Deutelmoser liest wieder.
WAGUSCHEIT Ja, ich probier’s dann beim Dr. Berzelmeier. – Ah, Fräun Baaz, mal was anders, war der übrigens vorgestern beim Betriebsabend dabei? Ham Sie da was ghört?
DEUTELMOSER 237 A, 14 Bestätigung, Kasse und dann »huit« … Deutet »hierher« an, liest wieder.
SUBJEKT Ah … Steht noch eine Weile da und geht dann ab.
WAGUSCHEIT So, na soll er da gwesen sein? Weil die Fräun Weithas, die sitzt auf 409 im Vorzimmer von der Frau Löffler, die hat behauptet, dass er net kemma wär. – Der Dr. Berzelmeier. – So, na war er an der Bar? – Also, ich probier’s dann amal. – Ja, danke, Ihnen auch – und a schöns Wochenende. Also, Wiederschaugn. Es klopft.
DEUTELMOSER Ja?
HÄGÄDÜSCH betritt vornehmschüchtern, nicht ganz devot, das Büro Guten Tag, mein Namä is Hägädüsch, Balasch Hägädüsch, heißt auf deitsch Geiger Blasius. Ja, schön, ich brauchä Nachweis wägen Deitschstämmigkeit, die in meinem Fall unbästritten vorliegt, wissän Sie, meinä Urgroßtantä stammt aus Böblingen, ist angesiedelt worden in Weißkirchen, Banat, und zu Hausä wir haben nur deitsche Lieder gäsungen, am Brunnän vor däm Torä und so weitär …
DEUTELMOSER San Sie jetz ein Flüchtling oder a volksdeutscher Einwanderer, also a Umsiedler, oder san S’ a Dissident?
WAGUSCHEIT Ah, Herr Deutelmoser, es hat gheißen, de Akte Reitmoser-Schwöpf sei beim Dr. Berzelmeier, da rührt sich aber niemand.
DEUTELMOSER Vielleicht is er krank. Oder er is früher gangen, oder er is noch zu Tisch. Probiern S’ es halt amal wieder.
HÄGÄDÜSCH Wissen Sie, ich kann bälägän, dass ich hobä auch gearbeitet als Koch bei Wehrmacht fir deitsche Offiziere. Tantes Namä Elfriede Läpple gäwäsän. Gestorben 1903 in Prag.
DEUTELMOSER Ah, Fräun Waguscheit, was macht ’n der Kaffee? Kramt in seiner Mappe.
WAGUSCHEIT Na ja, an Moment dauert’s noch.
HÄGÄDÜSCH Bittä schön, Grobstein in Prag hatte deitsche Inschrift mit gotischän Buchstabän.
DEUTELMOSER Herrgottsakrament, wo is denn des Dessert?! Allweil vergissts mein Nachspeiserl. Wenn ich meinen Dienst so tätigen würde wie meine Frau den Haushalt, wie die den Haushalt schmeißt, dann würde der Steuerzahler spitzen.
WAGUSCHEIT Sie können von mir was haben. Mögn S’ a Schweinsohr?
DEUTELMOSER Ja, nachert, wenn der Schlagrahm kimmt.
HÄGÄDÜSCH Urgroßtantä hatte einä Schwester Aniko, und Tochter von ihr lebtä mit Mann in Badagonni.
DEUTELMOSER Moment amal.
HÄGÄDÜSCH Bolschäwiken alläs wäggänommän.
DEUTELMOSER Existiert da eine Akte?
HÄGÄDÜSCH Russen hobän alläs vernichtät.
DEUTELMOSER Ja, dann muss ma, glaub ich, erst amal an Akt anlegen. Fräun Waguscheit, bringen S’ amal an Leitz. – Ja, was wir hier leisten, des geht auf keine Kuhhaut.
HÄGÄDÜSCH No, das glaub ich Ihnän.
DEUTELMOSER Weil wenn wir net dawärn, müaßadn de ganzen Ausländer ohne irgendeine Genehmigung hier einfach frei herumlaufen, und das wäre doch eine Schlamperei, die wo seinesgleichen sucht.
HÄGÄDÜSCH Wenn man bädänkt, wie vielä Ausländär äs gibt.
DEUTELMOSER Genau genommen sans ja alles Ausländer, nur der Deutsche nicht, und sogar da gibt es Grenzfälle.
HÄGÄDÜSCH Ich bin Deitscher, Volksdeitscher, das kann ich bäweisän.
WAGUSCHEIT Da, der Leitz.
DEUTELMOSER Ja, haben Sie irgendwelche Papiere? – Ausweise, Belege?
HÄGÄDÜSCH Kännän Sie Major von Haßlitz. Wohnt jetzt in der Nähä von Salzburg. Er kann Ihnen bästätigän, dass ich bei Währmacht gäkocht habe fir deitsche...