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E-Book, Deutsch, Band 6583, 191 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Pollack Große Versprechen

Die westliche Moderne in Zeiten der globalen Krise

E-Book, Deutsch, Band 6583, 191 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-82890-4
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Jenseits der Empörung. Ein Beitrag zum Verständnis der Gegenwart Woher kommt das Unbehagen in der modernen Kultur? Warum suchen immer mehr Menschen nach Alternativen zum politischen und ökonomischen System des Westens? Detlef Pollack zeigt, wie die Moderne an ihren eigenen großen Versprechen von Freiheit, Wohlstand und Frieden irre wird, zumal angesichts von Kriegen und Krisen, die zu Verlusten, Wut und Enttäuschung führen. Sein Buch ist ein engagiertes Plädoyer dafür, trotz allem an der Moderne und ihren Erwartungen festzuhalten. Nach 1789 fragten die Gebildeten in Europa, ob die Französische Revolution, die sie zunächst gefeiert hatten, wirklich Freiheit oder nicht vielmehr Terror, Despotie und Entfremdung gebracht habe. Doch bald schon wurde anerkannt, dass "die Gattung auf keine andere Art hätte Fortschritte machen können" (Schiller). Detlef Pollack zeigt in seiner kurzen Theorie der Moderne in a nutshell, dass der Moderne die Fähigkeit zu Selbstkritik und Selbstkorrektur von Anfang an eingeschrieben ist. Die großen Krisen der Gegenwart – neue militärische Bedrohungen, Klimakrise, Migrationsbewegungen und Rechtspopulismus – untergraben das Vertrauen in Freiheit und Demokratie. Die Sehnsucht nach neuer alter Einfachheit ist groß. Wir sollten ihr widerstehen. Denn die Moderne, so das erhellende Buch, ist mit ihrer Fähigkeit zur Selbstkorrektur noch längst nicht am Ende. "Die großen Erwartungen, mit denen die westliche Moderne gestartet ist, lassen sich durch die eingetretenen Enttäuschungen nicht austreiben." Detlef Pollack Freiheit, Frieden, Fairness, Wohlstand: Warum wir trotz Krisen und Enttäuschungen an den Versprechen der Moderne festhalten sollten Eine scharfsinnige Analyse gegen den Abgesang auf die westliche Demokratie
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Einleitung
Die Moderne ist ein Versprechen an die Zukunft, dessen Einlösung mehr und mehr Menschen in Gefahr sehen. Sie befürchten den Klimakollaps, das Ende der Demokratie, den Absturz immer größerer Teile der Bevölkerung in die Armut. Zugleich verfolgen die meisten unverdrossen ihre persönlichen Interessen und arbeiten an einer Verbesserung ihrer individuellen Lebenssituation, als stünde die Welt nicht kurz vor dem Abgrund. Im Schatten der befürchteten Katastrophe halten sie an ihren Lebenszielen fest und entwerfen neue Pläne, wenn alte in die Brüche gehen. Sofern es um unsere eigene Biografie geht, sind wir kaum bereit, den Kampf für eine bessere Zukunft aufzugeben. Und das durchaus mit guten Gründen. Diese liegen nicht einfach nur in unseren Ansprüchen auf Freiheit, Gleichberechtigung, Anerkennung und Erfolg. Sie liegen auch darin, dass wir uns viele unserer Wünsche nach wie vor erfüllen können, manche sogar besser als früher, wie etwa den Wunsch nach einem passenden Job, einem Urlaub in der Toskana oder Gesundheit im Alter. Treten individuelle Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Gestaltungskapazität also zunehmend auseinander? Bestärkt diese wachsende Diskrepanz die Neigung vieler, sich auf ihr individuelles Glück zu konzentrieren? Oder stimuliert sie ganz im Gegenteil intensivere politische Aktivitäten zur Abwendung der drohenden Gefahr? Die Zahl derer, die mit der Situation im Lande unzufrieden sind, sich entrüsten und der Regierung Untätigkeit vorwerfen, nimmt zu. Durch öffentlichkeitswirksame Aktionen versuchen sie, Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Manche sehen allein in gezielten Gesetzesverletzungen noch eine Chance, die Verantwortlichen aufzurütteln und zum Handeln zu bewegen. Andere fühlen sich gestört, halten die Protestaktionen derer, die sich auf Straßen festkleben, Konzerte unterbrechen, Kunstwerke und Denkmäler beschädigen und sich als «Letzte Generation» bezeichnen, für übertrieben, verteidigen ihre Gewohnheiten und wehren sich gegen vermeintlich elitäre Weltrettungsversuche verwöhnter Bürgerskinder. Ein Kulturkampf zwischen Veganern und Fleischessern, Lastenradfahrerinnen und SUV-Fahrern, Kosmopoliten und Heimatverbundenen scheint ausgebrochen zu sein. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die in der zunehmenden kulturellen und ethnischen Vielfalt eine Bereicherung sehen, auf der anderen die, die sie als Bedrohung wahrnehmen. Die einen legen Wert auf die individuelle Freiheit zur Wahl der eigenen sexuellen Identität, die anderen sprechen von Gender-Gaga. Die Auseinandersetzungen haben eine Tendenz zur Polarisierung,[1] und angesichts der Vehemenz, in der die Auseinandersetzungen geführt werden, haben viele den Eindruck, die Möglichkeiten einer Verständigung rückten in immer weitere Ferne. Es überrascht nicht, dass angesichts der Erhitzung der Debatte der allfällige Aufruf zur Besinnung auf gemeinsam geteilte Werte erfolgt. Klar ist aber auch, dass ein solcher Aufruf zu kurz greift, denn hinter den polemisch geführten Auseinandersetzungen stehen ernsthafte Probleme: das Erstarken populistischer Strömungen, die sich anbahnende Klimakatastrophe, zunehmende Migrationsbewegungen, militärisch ausgetragene internationale Konflikte. Der Begriff des Kulturkampfes ist selbst Teil der kontrovers ausgetragenen Debatten. Er wird gern eingesetzt, um der anderen Seite die Überzeichnung von Marginalien und die Ablenkung von den zentralen Problemen vorzuwerfen. Kulturkämpfe führen stets die anderen. Aber auch wenn Begriffe wie Kulturkampf, Lifestyle-Diskurs oder Cancel-Culture oft aus rein rhetorischen Gründen gebraucht werden, lässt sich nicht ausschließen, dass sich hinter den symbolisch aufgeladenen Kämpfen Spannungslinien verbergen, die eine soziale, politische, rechtliche und ökonomische Basis haben: die Spannung zwischen Kapital und Arbeit, Stadt und Land, Ökologie und Ökonomie oder auch zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus. Solche Spannungen öffentlich zu diskutieren erhöht die Chance, sie wirkungsvoll bearbeiten und verringern zu können. Ihre rhetorische Aufladung verstärkt aber auch die Gefahr, sie zu vertiefen, die einander gegenüberstehenden Lager zu stabilisieren und mögliche Brücken einzureißen. Ein Wort gibt das andere, eine Anschuldigung provoziert den Gegenvorwurf, eine Übertreibung rechtfertigt die nächste. Auf einmal stimmen die Streitenden, die sich auf kaum etwas einigen können, in einem überein: dass der Bestand unserer rechtsstaatlichen Demokratie und unsere Art zu leben bedroht sind. Die einen begrüßen die Problematisierung unserer politischen und ökonomischen Ordnung und fordern ihren radikalen Umbau, vielleicht sogar den Ausstieg aus ihr. Die anderen arbeiten aktiv an ihrer Unterwanderung und freuen sich über jeden Akt ihrer Zersetzung. Und oft geben selbst die eifrigen Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats mit ihren hilflos wirkenden Rechtfertigungs- und Bagatellisierungsversuchen noch ein Zeugnis davon, wie schlimm es um unsere Demokratie stehen muss. Dass unsere öffentlichen Diskurse in eine solche Polarisierung hineingeraten sind, hat viel damit zu tun, dass die gebotene Kritik der Gegenposition oft mit deren Abwertung verbunden ist. Man verneint nicht nur die gegenteilige Meinung, sondern schon die Kompetenz der anderen, Lösungen finden zu können, und manchmal sogar ihre Bereitschaft, sie überhaupt finden zu wollen. Man garniert die Abgrenzung von der Gegenposition mit kopfschüttelndem Unverständnis, zur Schau getragener Geringschätzung und kaum verhohlener Häme. Die Verweigerung von Respekt kann in einer Gesellschaft, in der soziale Anerkennung zu einem Höchstwert aufgestiegen ist, nicht unerwidert bleiben und wird nicht selten ebenfalls mit Abwertung beantwortet. Aber auch die Stilisierung als Opfer von Benachteiligung und Nichtbeachtung kann beachtliche öffentliche Effekte erzielen. In jedem Fall führt die Herabsetzung des anderen zu einer Verschärfung der Kontroverse. In einer Eskalationsspirale richten die sich streitenden Parteien in einer Empörungsrhetorik ein, mit der sie selbst einen Beitrag zur Gefährdung der Demokratie leisten, um deren Bewahrung es ihnen angeblich doch geht. Im Zweifelsfall ist man erst einmal dagegen, Hauptsache man ist dabei. Nichts ist in dieser überhitzten Diskussion dringlicher, als einen Schritt zurückzutreten, die eigene Position zu reflektieren und sich für andere Meinungen zu öffnen. Denn durch die Schärfe der Auseinandersetzung wird die Demokratie – das lehrt die Geschichte – tatsächlich gefährdet. Auch wenn wir heute keine Weimarer Zustände haben, der kompromisslose Kampf der demokratischen Parteien gegeneinander hat in der Weimarer Republik zweifellos zum Niedergang der Demokratie beigetragen.[2] Wohlfeil sind Aufrufe zur Stärkung der Zivilgesellschaft, zu mehr Einsatz für die gute Sache der Demokratie, zum Aufstehen gegen rechts und zur Besinnung auf unsere Werte. Weitgehend unnütz sind auch Warnungen vor einer Verharmlosung der sich aufhäufenden Krisen, in denen wir stecken, oder niederträchtige Ermahnungen zum Realismus nach dem Motto «Schlaraffenland ist abgebrannt». Moralisierender Alarmismus reicht nicht. Er stößt in der Regel auf viel Zustimmung und bewirkt in der Sache wenig. Wenn wir nach Auswegen aus der Eskalationsspirale suchen, dann sollten wir nach Agenturen der Versachlichung Ausschau halten. Ein möglicher Kandidat könnten die Sozialwissenschaften sein, die mit ihrer methodologischen und theoretischen Kompetenz für eine empirische und reflektierte Bestandsaufnahme der sozialen Gegenwartssituation besonders gut gerüstet zu sein scheinen. Die Angebote zur sozialwissenschaftlichen Deutung unserer Gesellschaft sind zahlreich. Sie reichen von Machtanalysen im Sinne Foucaults und Neuauflagen der Kritischen Theorie über neo-institutionalistische und individualisierungstheoretische Ansätze bis hin zu aktualisierten Adaptionen der Systemtheorie. Wie die öffentlichen Debatten begnügen sie sich in der Regel allerdings nicht mit einer Diagnose unserer Gegenwartsgesellschaft und ihrer Probleme, sondern verfangen sich in dem Versuch, ihre Diagnose mit Vorschlägen zur Bewältigung der Probleme zu verbinden. Ihr sozialwissenschaftliches Potential zur Gegenwartserforschung schöpfen sie auf diese Weise nur begrenzt aus. Sie setzen es vor allem ein, um ihren Veränderungsvorschlägen Gewicht zu verleihen. Ob Resonanz als Lösung für Probleme der ungezügelten Beschleunigung kapitalistischer...


Detlef Pollack, Religionssoziologe, ist Seniorprofessor am Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster. Mit seinen Publikationen zur Religion in der modernen Gesellschaft ist er einem großen Publikum bekannt und der ZEIT zufolge "der bekannteste Religionsforscher Deutschlands".


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